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Popkultur

Van Morrison – Genie mit Outlaw-Faktor

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„Mein erster Eindruck von Van Morrison?“ Jimmy Page überlegt, erinnert sich an seine Zeit als Session Musiker für die Band Them. „Er war ein grandioser Sänger!“ Kurze Pause, Kopfschütteln. „Nein, Moment – das nehme ich zurück! Er war ein richtig dreckiger Sänger. Alles, was er machte, hatte unglaublich dicke Eier!“

Nun, diese kreative Beschreibung Van Morrisons von seinem ehemaligen Them Session-Gitarristen ist schon eine unterhaltsame Sache an sich. Da muss man gar nicht mehr viel dran schrauben! Versuchen wir trotzdem mal, uns diesen introvertierten und zugleich auch unglaublich passionierten Blues-Sänger etwas genauer zu Herzen zu nehmen.


 

Der gute Van erblickte am 31. August 1945 in Irland das Licht der Welt und plumpste sogleich in eine musikalische Kindheit. Sein Vater war nämlich passionierter Plattensammler! Offensichtlich reichlich inspiriert, legt Morrison einen frühen Start hin, singt mit zwölf Jahren bereits in den ersten Bands und begibt sich Anfang der 60er auf seine erste Tour über die angelsächsische Insel und den europäischen Kontinent. Kurze Notiz am Rande: Normal Sterbliche brauchen für so einen Lebenslauf eine professionelle Ausbildung, mehrere Jahrzehnte Übung und einen Haufen Glück. Aber gut, finden wir uns damit ab, dass wir es hier musikalisch gesehen mit einer eher transzendenten Persönlichkeit zu tun haben.


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Wieder zurück in der Heimat, gründet er 1964 die rau-rockige Rhythm and Blues Formation Them. Er trifft ins Schwarze! Decca Records nimmt die fünf Buben nicht lange darauf unter Vertrag und veröffentlicht Charterfolge wie Baby Please Don’t Go (hier griff dann auch unser lieber Jimmy in die Klampfe), Here Comes The Night oder Klassiker wie Gloria. Damals übrigens ein weit unterschätzter Song, der lediglich auf einer B-Seite veröffentlicht wurde.


 Schaut euch hier eine Live-Version von Gloria aus dem Jahr 1965 an:


Und wie das mit erfolgreichen Musiker-Karrieren so ist, das Drama bleibt immer in Sichtweite. Wenn Erfolg und Erfolgsdruck steigen, mischen sich die Plattenfirmen immer gern ins Geschehen ein. Sich um die Investition kümmern, versteht sich. Das passte Van Morrison allerdings nicht in den Kram, der bereits 1966 die Band wieder verließ. Und während die restliche Truppe ohne Songwriter am Anfang eines sehr ausgedehnten Pub-Crawls stand (etwas, das für eine sonst erfolgreiche Band bei Weitem nicht so lustig ist, wie für einen normalen Kneipen Besucher), blüht Van Morrison erst so richtig auf.


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Sein erster lieblich-süßer Single-Vorbote Brown Eyed Girl war bereits ein Erfolg an sich, als dann aber sein Album-Debüt Astral Nights in den Plattenregalen stand, mussten sich Kritiker und Fans doch erstmal noch überrascht schütteln. Das ist jetzt gar nicht negativ zu verstehen, denn der kompositorisch für damalige Verhältnisse etwas schwer zu kauende Brocken von Album wird ein voller Erfolg. Und ein selbstsicheres Statement in Richtung Plattenindustrie, dass ein Künstler wie Van Morrison in Zukunft keine Kompromisse mehr machen wird. Und das musste er auch nie. Das Songwriting auf Astral Weeks interessiert sich – um bei der metaphorischen Stilebene von Jimmy Page zu bleiben – einen feuchten Dreck für Stilgrenzen und präsentiert eine euphorische und beinahe revolutionäre Vielfalt an Blues, Soul und Gospel.

Van Morrison ist eben charakterstark, oder eher temperamentvoll – und das auf jeglichen Ebenen. Er bleibt gerne für sich, gibt nur selten Interviews und bestätigte bei einem Auftritt in New York in 1979 indirekt, dass er unter Bühnenphobie leidet. Er spricht es damals nicht aus, trotzdem verließ er ohne Vorwarnung die Bühne und kehrte nicht mehr zurück. Klar, er kann sich auf dem Rückweg von der Toilette auch einfach verlaufen haben, allerdings gelten Theorien wie diese als nicht besonders wahrscheinlich.



Trotzdem kratzt das kaum an seiner Brillanz, seiner Leidenschaft und seiner unverwechselbaren Stimme, die ihresgleichen suchen, seitdem der junge Van ein Mikro in die Hand gedrückt bekommen hat. Als Künstler braucht man eben ein cooles Image. Die einen lassen es sich von einer Horde Style-Beratern designen, Van Morrison bringt den Outlaw-Faktor als Standart-Setting einfach von sich aus mit.

Ganz abgesehen von seiner Genie-Eigenbrötler-Ambivalenz, darf seine musikalische Vielseitigkeit an dieser Stelle auch nicht unerwähnt bleiben. Oder mehr noch: Vielleicht sollten wir uns nur mit seiner Vielseitigkeit beschäftigen und den ganzen anderen Kram mal elegant außen vor lassen. Alle mal an die eigene Nase fassen, wer hat denn schon keine Ecken und Kanten?


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Eine wunderschöne Chronologie seiner Vielseitigkeit ist Van Morrisons Diskographie, mit eingängigen Alben wie Moondance, Zuckerwatte-süße Balladen wie Crazy Face oder Old Old Woodstock und eher mystischen Geschichten wie „Hymns To The Silence. An dieser Stelle könnte man noch unendlich lange weitermachen, aber – man soll schließlich aufhören, wenn es am schönsten ist.

Zum Schluss noch eine nette Angelegenheit, die der Karriere von Van Morrison die Krone aufsetzt. Also nur im übertragenen Sinne! Eine tatsächliche Krone hatte nämlich Königin Elizabeth auf, als sie den talentierten Iren zum Ritter schlug. Welch royales Ende!

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