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Into The Great Wide Open: Die Innereien des Rocksongs

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Tom Petty gehört zu den großen amerikanischen Rock-Legenden. Bruce Springsteen, Bob Seger, mit solchen Kalibern muss man ihn in eine Reihe stellen. Aber irgendwas fehlt ihm im Vergleich zu den meisten seiner Kollegen. Da sind natürlich Songs wie Learning To Fly oder I Won’t Back Down, die jeder kennt und die nicht aus dem täglichen (guten) Radioprogramm wegzudenken sind. Was Tom Petty und seine langjährige Band The Heartbreakers aber nicht so richtig vorweisen können, ist das definitive Album, das richtig große Werk. So beständig gut ihre Platten auch sind, den großen Meilenstein für den Rock-Kanon gibt es so nicht. Manche Kritiker glauben immerhin, dass Into The Great Wide Open dieser Sache am nächsten gekommen ist. Genau vor 25 Jahren ist diese Platte erschienen, doch es könnte genauso gut 1000 Jahre her sein, so unglaublich klassisch klingen Tom Petty und seine Heartbreakers auf Into The Great Wide Open. „Zeitlos“ ist wirklich ein überstrapaziertes Wort, aber für genau diese Art von Musik hat man es bestimmt irgendwann mal erfunden.


Tun wir so, als ob wir dieses Album zum allerersten Mal hören. Von Tom Petty and the Heartbreakers hat jeder schonmal gehört, der sich ein bisschen für klassischen Rock interessiert. Aber was haben die noch mal gemacht, welchen Sound genau, welche Songs? Mit dem ersten Song von Into The Great Wide Open wird sofort alles klar: Learning To Fly, dieser absolute Radioevergreen eröffnet die Platte. Rock-Idylle mit unschlagbarem Pop-Gespür. Amerikanisch durch und durch. Rock durch und durch, aber gleichzeitig spielen hier offensichtlich die unprätentiösesten Lederjackenträger, die man sich nur vorstellen kann. Das ist der Sound, bei dem man im Auto das Fenster runterlassen will. Wind, Freiheit, gute Laune. Rockmusik, Amerika.



Petty kann alles auf einmal

 So geht es mit der nächsten Handvoll Songs auch weiter: Classic Rock der sanfteren Sorte, mit Country- und Folk-Einschlägen, einem perfekten Mix aus Pettys musikalischen Wurzeln, von British Invasion-Anleihen über Südstaaten-Rock hin zu einer guten Prise Dylan. Diesen Sound haben Petty und die Heartbreakers eigentlich ihre ganze Karriere lang seit Mitte der Siebziger zelebriert, aber selten saßen Songwriting und Produktion so präzise wie bei Nummern wie Kings Highway oder All Or Nothin’. Fleetwood Mac, Neil Young, Dire Straits, Petty kann das alles auf einmal. Warum ist Into The Great Wide Open eigentlich nicht der Klassiker von Petty? Vielleicht weil das Album ein wenig im Schatten von Pettys erstem Soloalbum steht, das kurz vorher veröffentlicht wurde, nämlich Full Moon Fever im Jahr 1989. Das war seine bis dato erfolgreichste Platte, sein ganz großer kommerzieller Durchbruch. Als zwei Jahre später Into The Great Wide Open erschien, war es für viele nur ein etwas schlechterer Nachfolger seines Soloalbums, gepaart mit den rockigeren Seiten der frühen Heartbreakers-Platten. Jeder hat eben seinen eigenen Geschmack.


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Runde Sache

Wir schließen uns deshalb einfach mal den Kritikern an, die behaupten, dass Into The Great Wide Open vielleicht das rundeste Werk von Tom Petty and the Heartbreakers ist. „Rund“ ist allerdings genau das, was mancher Fan an dem Album bemängelt – die Produktion von Jeff Lynne (ELO) sei zu perfektionistisch, zu glatt. Ecken und Kanten sind nicht die hervorragenden Merkmale hier, das stimmt tatsächlich. Der springende Punkt sind aber auch die Innereien der Songs, nicht die Außenansicht.

2002 wurden Tom Petty and the Heartbreakers in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Bei der feierlichen Aufnahme wurde folgendes verkündet: „Wie ihre Landsleute Bruce Springsteen und die E Street Band sind sie eine Band des Volkes, der ganz normalen Leute. Sie erzählen vom alltäglichen Kämpfen und Scheitern, und machen all das gleichzeitig erträglich – mit willensstarken, großherzigen und melodienreichen Songs.“ Das ist die Essenz dieser Band. Und das hört man selten so deutlich und schön wie auf Into The Great Wide Open.

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