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Tears For Fears – Songs from the big chair: Wer hat Angst vor großem Pop?

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Zurück ins Jahr 1985: Erhöhte Pop-Kitsch-Gefahr, aber auch Klassiker-Alarm. Da wurde haufenweise Musik gemacht, für die man heute das Genre „Ansichtssache“ einführen könnte. Eine Band wie Depeche Mode ist ein perfektes Beispiel für oft groß angelegten 80er-Pop — die einen lieben sie abgöttisch, die anderen hassen sie abgrundtief. Wer Depeche Mode doof findet, der wird wohl auch nicht viel für Tears For Fears übrig haben. Wer stöhnt auf, wenn Shout oder Everybody Wants To Rule the World im Radio laufen? Welcher Rocker konnte schon die synthetischen Orchestersounds, femininen Gesten und modischen Extravaganzen der vielen Synth-Pop-Bands abfeiern? Dazu brauchte es manchmal mehr als ein offenes Ohr. Heute, über 30 Jahre nach dem erscheinen von einem der erfolgreichsten Alben dieser Zeit — Songs From The Big Chair von Tears For Fears — kann man immer noch über Geschmack streiten. Aber man muss auch zugeben, dass dieses Album ein ganz großes Stück Musik ist, ein totales Produkt seiner Zeit und trotzdem absolut zeitlos.


Eine jüngere Generation hat sich vielleicht eher durch den Kultfilm „Donnie Darko“ (2001) in Tears For Fears verguckt, der mit Joy Division, Echo & The Bunnymen oder Duran Duran sowieso einen grandiosen 80s-Soundtrack hat. Da läuft in einer herrlich skurrilen Highschool-Szene minutenlang und in Zeitlupen-Ästhetik, als wäre es ein Musikvideo, das euphorische Head Over Heels, einer der schönsten Songs auf Songs From The Big Chair. Dieses Album machte Tears For Fears 1985 für kurze Zeit zur größten Band der Welt, und gerade im Rückblick muss man es unbedingt zu den stärksten Pop-LPs der Achtziger zählen, neben den großen Würfen von Soft Cell, The Human League, ABC, Franky Goes To Hollywood oder Kate Bush — Hounds Of Love erschien ebenfalls 1985. Ein paar Chart-Hits hatten Tears For Fears schon vorher: Nach ihrer Gründung im Jahr 1981 veröffentlichten sie Singles wie Mad World oder Pale Shelter von ihrem auch nicht zu verachtenden Debütalbum The Hurting (1983). Aber Songs From The Big Chair war ein anderes Kaliber: millionenfach verkauft, Nummer Eins in vielen Ländern, durchdacht, knackig und ausladend, vollendet.


Tears-For-Fears


Roland Orzabal und Sänger Curt Smith hatten keine Angst davor,dick aufzutragen – hätten sie die Platte sonst mit einer bombastischen Hymne wie Shout eröffnen? Oder gleich im Anschluss in The Working Hour ein unendlich cheesy Saxophon zum führendenInstrument eines dramatisch-ausufernden Songs gemacht? Und dann kommt auch schon Everybody Wants To Rule the World, das für einen Welthit eigentlich erschreckend lässig und unaufdringlich ist. Es klingt eben extrem gut und lebt von meisterlichem Songwriting, so wie alles hier: Hinter dem für diese Zeit typischen Bombast, dem klassischen 80er-Kitsch, verstecken sich Songs, die man heute ehrlich gesagt nicht mehr oft zu hören bekommt. Nostalgie-Modus aus.

Das einzige worüber man bei Songs From The Big Chair wirklich diskutieren kann, sind die Frisuren der zwei blassen Boys auf dem Cover. Vokuhila und auftoupierte Löckchen? Naja, sieht genau so aus wie die Musik klingt, ahnt man böse Zungen sagen. Nichts da — andere Zeiten, andere Moden, aber diese Musik, die bleibt.


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