Popkultur
10 Dinge, die du über Isaac Hayes wissen musst
Er ist der Inbegriff der Coolness, war mit Martin Luther King befreundet, öffnete den Soul für das breite Publikum und hatte sogar eine Rolle in South Park. Nur wenige waren so umtriebig wie Isaac Hayes – und dabei noch so einflussreich. Der Mann mit der tiefen, tiefen Stimme, der unter anderem unter dem Namen Black Moses in die Geschichte einging, wäre heute 74 Jahre alt geworden. Höchste Eisenbahn also, mal einen Blick auf sein erstaunliches Leben zu werfen!
1 Sein berühmtester Song ist ein Soundtrack
Genau genommen sprechen wir hier von der Theme From Shaft, den locker gegroovten Hi-Hats und der geloopten Rhythmus-Gitarre, die es ganz nebenbei noch in die Soul-Geschichtsbücher geschafft haben – natürlich mit Oscar. Getreu dem Motto „Shaft’s his name, Shaft’s his game“ räumt Detektiv John Shaft in diesem Blaxploitation Meilenstein im Harlem der frühen 70er ordentlich auf. Hayes lieferte den passenden Soundtrack dazu – und diese Hymne der Coolness lockert obendrein noch die Schultern. Also: Tune an, leicht mit dem Kopf nicken und weiterlesen!
Zieht euch hier den Theme Song zu Shaft in einer Live-Version rein:
2 Er ist die Sexikone des Soul
I could get used to this – schicksalhafte Worte, mit denen sich der junge Isaac von seinen Plänen verabschiedet, Arzt zu werden. Und warum schlägt jemand die Halbgott-In-Weiß-Pläne in den Wind? Ganz einfach – ein Grund, der schon so manch kühnen Plan auf links gezogen hat: Frauen!
Seine exzentrische Erscheinung, seine schweren Goldketten, Sonnenbrille, Glatze und immer dieses leicht laszive und erhabene Grinsen im Mundwinkel zeigen ihre Wirkung. Kein Wunder also, dass er angeschmachtet wurde. Und eine nette Motivation, nochmal die Karriere-Absichten zu überdenken. Gut so!
3 Der schwarze Moses
Sein selbstbewusstes Auftreten nun aber lediglich auf seinen Sexappeal zu reduzieren, wäre deutlich am Ziel vorbei geschossen. Im Amerika der frühen 70er Jahre ist Isaac Hayes mehr als das. Weitaus mehr. Ganz abgesehen von seinem musikalischen Talent, markiert seine aufrechte Erscheinung ein politisches Statement. Im Sinne von James Browns Botschaft „I’m black and I’m proud“ wurde er zur strahlenden Ikone eines neuen schwarzen Selbstbewusstseins. Der Black Moses.
4 Der Schöpfer des BlingBling
Und wieder geht es um sein Auftreten, das betont Körperliche, die goldenen Ketten, der Sprechgesang – das alles sollte uns wahrlich bekannt vorkommen. Richtig, Isaac Hayes ist die Blaupause für alles, was wir heute unter HipHop und R’n’B zusammenfassen. Sozusagen der künstlerische Großvater von 50 Cent und Co. Er inspirierte den New Yorker Rap um Grandmaster Flash und Melle Mel und lieferte musikalische Vorlagen, an denen sich selbst Prince gern bediente.
5 Er definiert den Memphis Soul neu
Den großen Durchbruch schaffte Hayes unter einem Vertrag mit Stax Records in Memphis. Diese musikalische Perle am Mississippi, heute berühmt für ihren Soul, wurde damals von Isaac stark beeinflusst. Sein Soul ist funkier, mehr „Uptown“ als das, was sonst aus den Südstaaten bekannt ist und öffnet so das Genre für ein größeres Publikum. Ohne dabei in den Pop abzurutschen.
6 Isaac Hayes ist Teil deiner Jugend!
Denn der Mann mit der tiefen Stimme stand nicht nur einen großen Teil seines Lebens vor einem Mikrofon, sondern auch vor einer Kamera. Ganz ehrlich, seine IMDb Einträge sind beachtlich! Dort finden sich Rollen im A-Team (nein, nicht Mr T), Blues Brothers, Der Prinz von Bel-Air, Miami Vice, Flipper, und, und, und. Ob du es nun willst oder nicht, an Isaac Hayes kommst du nicht vorbei!
7 Die Stimme von Jerome „Chef“ McElroy hat eine Menge Soul
South Park Fans wissen worum es geht. Für alle anderen: Ihr habt doch bestimmt schonmal von dieser etwas krakelig gezeichneten Trickfilm-Serie gehört, in der die rund geratenen Protagonisten in Winterklamotten gezielt Seitenhiebe auf das aktuelle Weltgeschehen austeilen und dabei immer dieses fast schmerzhafte Quäntchen unter der Gürtellinie bleiben. Richtig! Und genau in dieser Serie (übrigens – man hätte es schon fast vermutet – nur in der Originalsprache) verleiht unser lieber Isaac dem Koch die Stimme. Sachen gibt’s…
Hört euch hier einen Song aus South Park gesungen von Isaac Hayes an:
8 Mehr noch: Mit dem „Chef“ katapultiert sich Isaac an die Spitze der UK Charts
Dass Briten hin und wieder einen recht interessanten Geschmack an den Tag legen, ist ja soweit bekannt. Meist bezieht sich das aber auf’s Essen und nicht auf Musik. Andererseits verschwimmen hier die Grenzen auch ein bisschen: Chocolate Salty Balls (P.S. I love you) setzt Hayes in 1998 nach einigen Jahren der Schauspielerei wieder ganz oben auf die musikalische Agenda. Und das ausgerechnet durch die Erscheinung einer Comic-Figur. Verglichen mit dem Isaac der 70er schon ein bisschen skurril.
Schaut euch hier eine Live-Version von Chocolate Salty Balls an:
9 Er dachte sich den längsten Songtitel der Musikgeschichte aus
Ganze 34 Buchtaben trägt der nur bedingt handliche Titel „Hyperbolicsyllabicsesquedalymistic“, den Hayes für den Soundtrack des Films Zodiac schrieb. Gut, viel mehr gibt’s da eigentlich auch nicht zu erzählen. Wer schafft es, den Titel drei Mal ganz schnell hintereinander aufzusagen?
10 Seinem lauten Auftreten folgt ein leises Abtreten
Es ist schier unmöglich in Worte zu fassen, welche Errungenschaften unsere kreative Welt Isaac Hayes zu verdanken hat. Nicht nur die kreative Welt, denn Black Moses kämpfte mit seinem Soul der Liebe für eine freie Gesellschaft, für ein schwarzes Selbstbewusstsein jenseits von militanten Bewegungen. Eine sanfte Waffe, die bis heute ihre Durchschlagskraft zeigt. Im Alter von 63 Jahren erleidet er einen Schlaganfall, es wird sehr ruhig um ihn, bis er zwei Jahre später von seinem Haus in Memphis unsere Welt verlässt. Isaac glaubte übrigens an die Reinkarnation. Aber ob er nun wieder geboren wird oder nicht – sein Erbe wird uns erhalten bleiben.
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Popkultur
Zeitsprung: Am 20.3.2000 veröffentlichen Metallica „No Leaf Clover“.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 20.03.2000.
von Christof Leim
Neue Songs gab es von Metallica um die Jahrtausendwende wenige. Eine der Ausnahmen taucht 1999 bei der Orchesterkollaboration S&M auf: No Leaf Clover. Am 20. März 2000 erscheint die Single dazu.
Hier könnt ihr euch S&M anhören:
Endlich neuer Stoff: Als Metallica im November 1999 unter dem Titel S&M den Mitschnitt ihrer Auftritte mit dem San Francisco Symphony Orchestra veröffentlichen, liegt Reload schon zwei Jahre zurück, Garage Inc. von 1998 enthält nur Coverversionen. Auf S&M ballert die Band im Wesentlichen ihre sattsam bekannten Hits und ein paar „deep tracks“ unverändert runter, während das Orchester unter der Leitung von Michael Kamen dazu spielt, quasi „draufgeflanscht“ wurde. Dabei schafft das klassische Ensemble manchmal mehr emotionale Tiefe und Spannung, oft genug sucht es aber auch vergeblich die Lücken im Riffgeknatter. (Wie das alles so kam, erzählen wir ein andermal bei einem Zeitsprung über S&M.)
Zwei Welten
Metallica-Freaks weltweit können sich dabei über zwei unveröffentlichte Stücke freuen: den Godzilla-gleichen, recht einfachen Stampfer – Human (ausgesprochen: „Minus Human“) und ein Lied namens No Leaf Clover. Beide sollen Überbleibsel der Load/Reload-Sessions sein, und das hört man. Damals hatten Metallica unter viel Wehklagen der Szenewächter den Pfad des „Stählernen“ verlassen und sich für ein paar Jahre von Metal und Thrash allgemein Richtung Rock orientiert.
Metallica und Michael Kamen (l.) im Dezember 1999 bei den Billboard Music Awards – Foto: Brenda Chase Online USA, Inc./Getty Images
Im Rahmen des S&M-Projektes funktionieren die beiden neuen Songs deshalb gut, da hier Orchester und Metallica eben nicht nur nebeneinander spielen, sondern weil die beiden Welten sich ergänzen. No Leaf Clover beginnt mit einem dramatischen Intro mit Pauken, Streich- und Blasinstrumenten, das die Band heute noch vor Liveeinsätzen des Stückes laufen lässt. Es folgen unverzerrte Akkorde von Meister Hetfield, über die sich fast so etwas wie Filmmusik spinnt. Natürlich lassen die harten Riffs nicht lange auf sich warten, und für die Strophen bräuchten Metallica und der Song das Orchester nicht mehr. Im Laufe von 5:43 Min. wechseln sich laut und leise, hell und dunkel, rockig-direkt und klassisch-umspielt immer wieder ab und machen aus No Leaf Clover ein kleines Schätzchen aus der zweiten Reihe der Metallica-Werke.
Keinblättriges Kleeblatt
Textlich scheint sich James Hetfield hier mit den Fallstricken von Ruhm und Reichtum zu beschäftigen: Ein Protagonist spürt seine Chance („feels right this time“) auf einen Durchbruch („crash course with the big time“), ignoriert aber Warnungen („pay no mind to the distant thunder“). Doch das scheint zu kurz gedacht zu sein („sucker for that quick reward“), denn im Chorus stellt sich heraus, dass hinter dem „beruhigenden Licht am Ende des Tunnels“ doch nur ein Zug steckt. Dazu passend verbirgt sich die schwarzmalerische Aussicht schon im Titel, der auf ein „four leaf clover“ anspielt, ein vierblättriges Kleeblatt also. Damit meint ein No Leaf Clover also alles andere als einen Glücksbringer.
Abgesehen davon, dass die abgenutzte Licht/Tunnel/Zug-Metapher für Hetfields Verhältnisse ziemlich schwach daherkommt, schlägt No Leaf Clover damit in eine ähnliche Kerbe wie The Memory Remains. Dass sich ein sensibler Texter wie der Metallica-Frontmann noch eine knappe Dekade nach dem unfassbaren Erfolg des Black Album mit Ruhm, Erfolg und ihren Nachteilen beschäftigt, verwundert nicht. Nachzulesen sind die Textzeilen hier.
Kunstanalystische Tresengespräche
Der Blog Toilet Ov Hell (heißt wirklich so, cooler Name) schreibt in einem gelungenen Kommentar, dass No Leaf Clover womöglich „der letzte Windstoß echten künstlerischen Wachstums“ für Metallica gewesen sein könnte, bevor sie sich in ihre „enttäuschende, aber verdiente“ Rolle als so genannter „Legacy Act“ zurückgezogen haben. So bezeichnet man üblicherweise eine Gruppe, die vor allem von ihrer und durch ihre gewaltige Geschichte lebt. Verständlich wäre es im Falle unserer Helden, denn die glorreichen Zeiten der ebenso innovativen wie alkoholgetränkten Ballerei auf Großtaten wie Ride The Lightning (1984) und Master Of Puppets (1986) ist mit dem Jahreswechsel 1999/2000 schon anderthalb Dekaden her.
T-Shirt-Motiv zum Titel
Ob das so stimmt, kann man diskutieren, und das machen wir auch gerne an jedem Festivaltresen der Welt, aber ganz Unrecht haben die Leute von Toilet Ov Hell nicht. Und zwar aus folgendem Grund: Man darf die lärmige Therapiestunde St. Anger (2003) und die unfassbar unerträglich beschissene Kollaboration mit Lou Reed auf Lulu (2011) zwar als künstlerische Statements bezeichnen, aber unstreitbar Großes wie in den ersten zehn Jahren ihrer Geschichte haben Metallica damit wohl nicht geleistet. Auf Death Magnetic (2008) und Hardwired…To Self-Destruct (2016) liefert das Quartett zwar guten Stoff, wiederholt aber bekannte Formeln und Formate. Ob das reicht, muss die Headbangerschaft noch am Tresen klären.
Liveeinsätze
Als erste Single von S&M wird zeitgleich Nothing Else Matters ausgekoppelt, No Leaf Clover folgt erst vier Monate später am 20. März 2000. Mit der Nummer erreichen Metallica einen Platz 74 in den allgemeinen US-Charts und sogar die Spitze der Mainstream Rock Charts. In Deutschland reicht es für Platz 40.
Für die Konzerte packen sie den Song immer mal wieder auf die Setlist, bis März 2020 insgesamt 125 Mal, wie etwa beim Konzert in Köln im Sommer 2019 (vollständiger Bericht hier). Die andere neue Nummer – Human bringt es nur auf vier Einsätze. Zum Vergleich: Das Stück Master Of Puppets haben die Burschen schon 1671-fach gespielt. Auch bei der einmaligen Neuauflage des Orchesterprojektes im Jahr 2019 unter dem Titel S&M2 gehört die Nummer natürlich zum Aufgebot. Für ein Schätzchen aus der zweiten Reihe ist das schon in Ordnung.
Popkultur
Zeitsprung: Am 19.3.1955 kommt Sänger & Schauspieler Bruce Willis zur Welt.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 19.3.1955.
von Timon Menge und Christof Leim
Er hat Hochhäuser gesichert, als Preisboxer um sein Leben gefürchtet und mehrfach den Planeten gerettet, zumindest auf der Kinoleinwand. Was die meisten nicht wissen: Action-Star Bruce Willis kann auch Blues. Heute feiert er Geburtstag.
Hier könnt ihr euch The Return Of Bruno anhören:
Alles beginnt in Rheinland-Pfalz, denn Walter Bruce Willis kommt am 19. März 1955 in Idar-Oberstein zur Welt. Das liegt daran, dass sein Vater David als US-Soldat in Deutschland arbeitet und dort Marlene kennenlernt, die Mutter von Bruce. 1957 zieht die Familie wieder in die USA und lebt ihr Arbeiterleben weiter; Mutter Marlene arbeitet bei einer Bank und Vater David als Schweißer, Mechaniker und Fabrikarbeiter.
Vom Stotterer zum Schulsprecher
Als Willis auf die High School kommt, entwickelt er ein Stotterproblem, und zwar so stark, dass seine Mitschüler ihm den Spitznamen „Buck-Buck“ verpassen. Das ändert sich, als er der Schauspiel-AG beitritt. Er bekommt das Stottern in den Griff, sammelt erste Schauspielerfahrung und arbeitet an seinem Selbstbewusstsein. Schließlich wird er sogar zum Schulsprecher ernannt.
Filmposter von Armageddon
Nach dem High-School-Abschluss 1973 arbeitet Willis in einem Atomkraftwerk, später als Privatdetektiv. Danach widmet er sich voll und ganz seiner Schauspielkarriere und wir wissen, was daraus wurde. Filme wie Stirb langsam (1988), Pulp Fiction (1994), Armageddon (1998) und The Sixth Sense (1999) verhalfen Bruce Willis zu internationaler Berühmtheit, viele der Streifen sind heute Klassiker. Er kann aber auch anders.
Bruce und der Blues
Viele wissen es nicht: Willis hat auch zwei Musikalben veröffentlicht und zwar noch vor seinem Durchbruch als Schauspieler. Sein Debüt The Return Of Bruno bringt die legendäre Plattenschmiede Motown am 20. Januar 1987 auf den Markt. Darauf singt er einerseits Blues-Stücke von Ry Cooder, Jerry Leiber/Mike Stoller und Allen Toussaint; für Jackpot (Bruno’s Bop) betätigt er sich aber auch als Komponist. Under The Boardwalk, ein Drifters-Cover, erreicht sogar Platz zwei der britischen Single-Charts. Die Kritiken fallen allerdings durchwachsen aus.
Das Album gehört zu einem großen Special des US-Fernsehsenders HBO, das kurz nach der Veröffentlichung der Platte ausgestrahlt wird. Nicht zuletzt wegen dieser Größenordnung werden Willis hochkarätige Musikerinnen und Musiker zur Seite gestellt, wie Booker T. Jones, die Pointer Sisters und die Temptations. Mit If It Don’t Kill You, It Just Makes You Stronger erscheint 1989 noch ein zweites Album.
Bruce Willis heute
Heute lebt Willis mit seiner Frau Emma Heming und seinen beiden Töchtern in Los Angeles. Ob wir nochmal auf ein Album hoffen dürfen? Wir wissen es nicht. Vielleicht singt Willis nur noch unter der Dusche. Es wäre schade, denn seine beiden bisherigen Veröffentlichungen sind gar nicht schlecht. Seine Schauspielkarriere musste er zudem beenden, da Anfang 2022 bei ihm Aphasie diagnostiziert wurde, eine Störung der Sprache. Ein Jahr wurde zudem Demenz festgestellt. Willis zog sich deshalb aus der Öffentlichkeit zurück. Wir wünschen nichtsdestotrotz alles Gute zum Geburtstag!
Zeitsprung: Am 27.2.2015 stirbt der Schauspieler – und Musiker – Leonard Nimoy.
Popkultur
Zeitsprung: Am 18.3.1965 pinkeln die Rolling Stones an eine Tankstelle.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 18.3.1965.
von Tom Küppers und Christof Leim
Seien wir ehrlich: Mehr oder weniger ungehöriges Benehmen gehört einfach zum Rock’n’Roll. Die Rolling Stones könnte man vielleicht sogar die ersten Rebellen der modernen Rockgeschichte nennen. Am 18. März 1965 jedenfalls produzieren sie einen kleinen Skandal, der mit unverhandelbarer Dringlichkeit und anatomischen Besonderheiten zu tun hat…
Hier könnt ihr euch die frühen Stones anhören:
Wer in einer Band spielt, egal ob als Hobbyist oder Profi, kennt die Situation. Nachts, Rückweg vom Gig, die Blase drückt. Damals wie heute gilt: ran an die nächste Tankstelle. So geht es auch den Rolling Stones am 18. März 1965. Die Band und ihre Crew fahren also vor, Bassist Bill Wyman (gilt als einer der ruhigen Vertreter in der Gruppe) fragt Charles Keeley, einen 41-jährigen Angestellten wo man denn „mal kurz Wasser lassen könnte“. Keeley, der Wyman später als „zotteliges Monster mit dunkler Brille“ beschreiben wird, entgegnet, dieses Etablissement verfüge nicht über Sanitäranlagen.
Blasendruck & Schreihals-Modus
Mit dieser unglaubwürdigen Antwort hat keiner gerechnet, wie sich Wyman in seiner Biografie erinnert. „Ich musste inzwischen wirklich dringend, ging zum Auto zurück und erklärte, was eben passiert war.“ Sänger Mick Jagger will der Sache auf den Grund gehen und betritt mit Gitarrist Brian Jones sowie Wyman im Schlepptau nochmal die Tankstelle. Er fragt noch mal nach dem Abort, doch der Mitarbeiter ist inzwischen im Schreihals-Modus angelangt.
Ein zotteliges Monster ohne Brille, aber mit Artgenossen: Bill Wyman (2.v.r.) und die Rolling Stones
„Na gut“, denkt sich Jagger und erklärt, das man sch eben woanders erleichtern würde. Die Stones (minus Schlagzeiger Charlie Watts, der später zu Protokoll gibt: „Ich habe im Auto geschlafen, Mann!“) steuern eine nahegelegene Mauer an, reihen sich auf und lassen der Natur ihren freien Lauf. Gitarrist Keith Richards erinnert sich in seinen lesenswerten Memoiren namens Life daran, das als nächstes – wie aus dem Nichts – die Polizei auftaucht. „Wir stehen da, lassen laufen, und auf einmal zückt ein Polizist seine Taschenlampe und beleuchtet Bills Genital.“ Unangenehm. Am nächsten Tag wird gegen Jagger, Wyman und Jones Anzeige erstattet.
Anatomische Besonderheiten
Als Zeuge dient ein an diesem Abend ebenfalls anwesender Kunde, der sich persönlich von den Musikern auf den Schlips getreten fühlt und ihnen „ekelhaftes Benehmen“ unterstellt. Als das ganz dann im Juli 1965 vor Gericht landet, stehen die Stones mit (I Can’t Get No) Satisfaction auf der Nummer eins der Charts. Die Verhandlung selbst verläuft ohne größere Zwischenfälle, es gibt ein kleine Geldstrafe und eine Standpauke von Richter Morey. „Bloss weil sie die höchsten Weihen ihrer Profession erreicht haben, gibt ihnen das nicht das Recht sich so aufzuführen.“
Richards lüftet dann in seinem Buch Jahrzehnte später den mutmaßlichen Grund dafür, warum die Band überhaupt erwischt wurde. „Die Sache mit Bill ist die, und das ist wahrscheinlich eine der am besten gehüteten Geheimnisse der Rolling Stones: Er besitzt eine der größten Blasen in der Geschichte der Menschheit.“ Bitte was? Der Stones-Gitarrist führt gerne aus: „Wenn der aussteigt um zu pinkeln, dann weißt du genau, das du erstmal die nächste Viertelstunde festhängst. Meines Wissens nach hat Bill es noch nie unter fünf Minuten geschafft.“ Mit anderen Worten: Die Rock-Helden wurden erwischt, weil sie zu lange gebraucht haben. Trotzdem: Verglichen mit dem, was Popstars heute abziehen, um in den Schlagzeilen zu gelangen, wirkt dieser kleine Ausrutscher vom 18. März 1965 doch geradezu niedlich, oder?
Zeitsprung: Am 8.8.2004 ist bei der Dave Matthews Band die K**ke am Dampfen.
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