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Popkultur

25 Jahre „Baduizm“: Wie Erykah Badu zur neuen Billie Holiday wurde

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Foto: Scott Gries/Getty Images

1997 veröffentlicht Erykah Badu ihr wegweisendes Debüt Baduizm. Es etabliert sie als neue Stimme des Conscious Soul und bereitet einer ganzen Generation von Künstlerinnen die Bühne.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr euch Baduizm von Erykah Badu anhören:

Der Mensch benennt die Dinge gern. Um sie besser fassen zu können, um sie fein säuberlich geordnet in Schublädchen sortieren zu können. Wenn er etwas mal nicht fassen kann, weil es irgendwie neu ist und gleichzeitig vertraut, dann versucht er unbeholfen, existierende Kategorien heranzuziehen, um das vermeintliche Vakuum zu füllen. Auch in der Musik passiert das immer wieder mal. 1997 zum Beispiel, als eine damals weitgehend unbekannte Künstlerin namens Erykah Badu ihr erstes Album Baduizm veröffentlicht. Es ist zu gleichen Teilen musikalisches Gesamtwerk und Glaubensbekenntnis, eine afrozentrische, feministische Neuerfindung des Soul, politisch und sozial motiviert, lässig inszeniert und unterlegt mit dicken Hip-Hop-Beats. Der Neo-Soul ist geboren. Und Badu ist seine Geburtshelferin.

Eiserner Willen

Zurück ins Jahr 1993. Erykah Badu studiert an der Grambling State University in Louisiana, eine traditionsreiche Uni der Schwarzen Community, verlässt den Campus aber vor ihrem Abschluss. Sie beschäftigt sich schon lang mit Musik, freestylte im Radio und tritt mit ihrem Cousin Robert „Free“ Bradford auf. Längst hat sie den Plan gefasst, dass sich ihr Leben gänzlich um Musik drehen soll. So ist sie, so denkt sie: Sie hat einen starken, fast schon eisernen Willen, formt sich und ihr Leben so, bis es zu ihren Vorstellungen passt. Auch vor ihrem Namen macht sie nicht halt: Schon in ihrer Jugend wird aus Erica Abi Wright eben Erykah Badu – weil Erica ihrer Ansicht nach ihr slave name und weil Badu ihr Lieblingssound beim Scatten ist.

Gesamtkunstwerk Badu

Die Frau, das wird schon in jungen Jahren deutlich, hat das Zeug zum Gesamtkunstwerk: Begabt, beschenkt mit einer tollen Stimme, einer starken Persönlichkeit und einem Auge für soziale Klüfte – wenn sie sich nicht für Musik entschieden hätte, würde sie große amerikanische Romane schreiben. Oder wäre in die Politik gegangen. Und irgendwie vereinigt Badu in ihrer Musik all das: Poesie, politischer Kommentar, Weckruf, Positionierung, Haltung.

Als musikalischen Ausdruck wählt Badu ihre ganz eigene Herangehensweise an den einfach gestrickten Soul der frühen Siebziger, transportiert den mühelosen Groove und die soziale Komponente des Genres direkt in die späten Neunziger. Ihr musikalisches Narrativ wird von Hip-Hop-Beats untermalt ohne Hip-Hop zu sein – ein Stolperstein für all die, die ihre Musik adäquat beschreiben wollen.

Sprichwörtliche Geburtshelferin

Und das wollen viele: Nachdem ein üppiges 19-Song-Demo die Runde macht, bekommt Universal Music den Zuschlag, zwischen Januar und Oktober 1996 entsteht in New York, Philadelphia und Dallas eines der wichtigsten und einflussreichsten Debütalben der Neunziger. Baduizm ist ein matriarchaler Blick auf die Welt, geprägt von ihrer Sozialisation „unter Müttern“, wie sie sagt. Das Album ist aber auch eine Chronik ihrer Schwangerschaft, die parallel zu den Arbeiten an Baduizm verläuft. Ihr Sohn Seven und ihr Album folgen rasch aufeinander, sind untrennbar für die geheimnisvolle, spirituelle Badu. Das Wort „Geburtshelferin“ passt bei ihr eh in doppelter Hinsicht: Ebenso wie sie dem Neo-Soul aus der Taufe hilft, arbeitet sie als Doula und begleitet werdende Mütter bis zur Geburt.

Das Album gilt längst als Blaupause für Neo-Soul, bereitet die Bühne für unzählige Künstlerinnen, die bislang aus Ermangelung an Alternativen dem Hip-Hop zugerechnet werden. Badu zeigt neue Wege auf, singt so vielfältig, markant und ahnungsvoll wie vor ihr höchstens Billie Holiday, erweist sich als extravagante Künstlerin mit sehr genauen Vorstellungen. Festlegen will sie sich nicht, schon auf Baduizm changiert sie zwischen Soul, R&B, Jazz und Rap. Es füllt eine Lücke, von der viele zuvor nicht mal wussten, dass es sie gibt: Das Album wird nach vier Wochen mit Platin ausgezeichnet, die Akteurin als fehlendes Bindeglied zwischen Funk, Jazz, Hip-Hop und Blues gefeiert.

Voriges Jahr wurde Erykah Badu 50. Und hat kein Gramm von ihrer besonderen Aura verloren.

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Erykah Badu: Mutter des Neo-Souls und mystische Geburtshelferin einer neuen Generation

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