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Popkultur

35 Jahre „Abigail“ von King Diamond: Das beste Konzeptalbum der Metal-Geschichte

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King Diamond
Foto: Michael Ochs Archives/Getty Images

Mit Abigail tritt King Diamond 1987 eindrucksvoll aus dem Schatten von Mercyful Fate. Und erzählt eine düstere Geschichte aus der Gruft, gefasst in sinistren, epischen Heavy Metal. Ein grandioses Konzeptalbum für echte Kenner.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr euch Abigail anhören:

Man bekommt einen ziemlich guten Eindruck von der Relevanz einer Band, wenn Metallica zu ihren größten Fans gehören. Und natürlich ist nicht nur James und Lars, sondern eh jedem überzeugten Kuttenträger weltweit klar, wie wichtig, wie grandios, wie überlegen und wie herrlich stilprägend Mercyful Fate zu Beginn der Achtziger sind. In der Band läuft es dennoch alles andere als rund. Man streitet sich verbissen über die künftige musikalische Ausrichtung, man bekommt sich so sehr in die Haare, dass King Diamond, Michael Denner und Timi Hansen frustriert das Handtuch werfen.

Das zweite Album wird zum Geniestreich

Lange fackeln tun die drei nicht. Sie schnappen sich zwei gewissen Typen namens Mikkey Dee und Andy LaRocque – und machen einfach unter dem Namen King Diamond weiter. Um, wie der King selbst man sagte, bessere Deals zu bekommen. Scheint ja irgendwie auch zu funktionieren: Ihr Debüt „Fatal Portrait“ erscheint 1986 bei Roadrunner, steigt in Schweden in die Charts ein und führt zu jeder Menge Konzerten. Die Musik auf Fatal Portrait klingt vielleicht ein wenig melodischer als Mercyful Fate auf Don’t Break The Oath; aber unterm Strich immer noch so sehr nach der früheren Band, dass man sich fragt, wie genau die Streitereien um die künftige musikalische Ausrichtung nun eigentlich genau ausgesehen haben sollen.

Geschenkt, ist ab 1987 eh alles egal. Was im Winter 1986/1987 im Kopenhagener Sound Track Studio entsteht, ist ein Werk wie kein zweites. Ein Album, so prachtvoll, düster und diabolisch, dass es wahrscheinlich nie übertroffen werden wird. Die Rede ist, natürlich, von Abigail, King Diamonds zweitem Album. Machen wir es kurz: Das 40-minütige Opus ist das beste Konzeptalbum der Metal-Welt. Mit Abstand. Und ganz nebenbei ist es auch eine der besten Heavy-Metal-Platten aller Zeiten.

Gothic Horror in Bestform

Da werden jetzt natürlich wieder Stimmen kommen wie: Aber dieser Gesang! Dieser furchtbare Gesang! Deal with it, Leute, der King lebt. Und seine Stimme ist das Sahnehäubchen auf einem rundum perfekten, glorreichen Album. Abigail hat alles, was sich der geneigte Träger von Leder, Spikes und Boots wünscht: Furiose Songs mit einem Hymnenfaktor, der eher bei 11 von 10 liegt. Rasante Tempowechsel, elaborierte Arrangements, unfassbare Riffs, kunstfertige Soli, gruselige Keyboards, eine satte, warme Produktion und Melodien nicht von dieser Welt.

Dazu kommt eine Geschichte, die noch heute das Blut in den Adern gefrieren lässt: Irgendwo zwischen Lovecraft und dem englischen Gothic Horror des 19. Jahrhunderts erzählt der King von einem Ehepaar, das in ein altes Anwesen auf dem Land zieht. Dort warnt sie der Geist eines Ahnen vor einem großen Unglück und zeigt ihnen einen Sarg mit der Leiche eines totgeborenen Kindes. Das Paar achtet natürlich nicht darauf, zieht dennoch ein und wird nach und nach in eine Strudel aus Tod, dämonischer Besessenheit und zweckloser Exorzismen hineingezogen. Am Ende wird das Dämonenbaby Abigail wiedergeboren und macht sich hungrig über ihren letzten Körper her.

Geschrieben in einer Gewitternacht

Hey, es ist 1987, da wirkt so eine Geschichte auf viele wirklich noch schockierend und abstoßend. Außerdem ist es in seiner gotischen Verkommenheit von Anfang an zeitlos und funktioniert bis heute. Fragt mal Dani Filth. Dessen Band Cradle Of Filth wäre ohne Geschichten wie diese gar nicht erst entstanden. Die Theatralik, das dramaturgisch wunderbar inszenierte Narrativ und die Stimmung sind so denkbar von Fatal Portrait entfernt, dass man sich fragt, wie diese Metamorphose in nur wenigen Monaten möglich war. Und, ganz wichtig: Auch das dramatische Falsett des Kings macht Abigail zum Nonpareil.

Vielleicht ist Abigail ja so überzeugend, weil der Meister es in einer durchwachten Gewitternacht in Dänemark geschrieben hat. Vielleicht aber auch, weil Horror-Storytelling und Heavy Metal noch nie derart effektiv kombiniert wurden. Und ganz ganz vielleicht auch wegen dieses grandios trashigen Videos zu The Family Ghost, das der King selbst auf den Tod nicht ausstehen kann. So oder so: Abigail ist Kult, ist einer der ganz großen Klassiker der Metal-Welt. Und wurde seither weder von King Diamond noch von irgendeiner anderen Seele übertroffen.

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