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Popkultur

45 Jahre „Cheap Trick“: Amerikas radikale Antwort auf The Who

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Foto: Michael Ochs Archives/Getty Images

Cheap Trick sind eine ganz besondere Band. Nie ganz oben bei den Größten der Großen, aber immer vorn dabei, kultisch verehrt von den Anhängern und immer mal wieder Stadtgespräch. Vor 45 Jahren fängt alles an – mit dem überraschend kernigen, harten, radikalen Debüt Cheap Trick.

 von Björn Springorum

Hier könnt ihr das Debüt von Cheap Trick anhören:

Viele Bands wollen in den Sechzigern und Siebzigern die amerikanischen Beatles sein. Nach der stellaren Karriere der vier Liverpooler gilt es schließlich, ein Machtvkuum von der Größe eines Universums zu füllen. Einer der Top-Anwärter auf diesen Titel sind Cheap Trick aus Illinois. Dabei klingt ihre Musik anfangs so gar nicht nach den Fab Four und eher nach einer radikaleren Version mancher The-Who-Lärmorgien. Es ist vor allem der Gesang von Robin Zander, der an John Lennon erinnert und diese Vergleiche stützt.

Bowlingläden und Lagerhallen

Offizielle Geburtsstunde der Band ist das Jahr 1973. Nachdem man gemeinsam ein Slade-Konzert besucht, bei dem Basser Tom Petersson der Band wenig schmeichelhaft unterstellt, jeden billigen Trick (Every cheap trick in the book) anzuwenden, machen sich Rick Nielsen, Tom Petersson und Bun E. Carlos so langsam an die Selbstfindung. Originalsänger Randy Hogan hält es nicht lange bei Cheap Trick aus und wird 1975 von, genau, Lennon-Soundalike Robin Zander ersetzt. Der erlebt mit seiner neuen Band zunächst äußerst bescheidene Anfänge, die nichts allzu Großes vermuten lassen: Sie spielen in leeren Lagerhallen, in Bowlingläden und seltsamen kleinen Clubs des Mittleren Westens. Irgendwie bekommen sie damit sogar einen Vertrag, unterzeichnen bei Epic Records und machen sich 1976 an die Arbeiten zu ihrem ersten Album.

Zeitgleich veröffentlichen Led Zeppelin ihr zwiespältig aufgenommenes Album Presence, The Who legen The Who By Numbers vor, die Stones experimentieren auf Black And Blue mit Reggae und Funk. Kurz: Es gibt durchaus Platz für eine hungrige neue Rockband. Da kommen Cheap Trick gerade recht: Im Vergleich zu späteren Songs (vom Kaliber I Want You To Want Me) entstehen 1976 erstaunlich zupackende, griffige, harte und verzerrte Hard-Rock-Songs. Das Besondere: Schon damals lassen Cheap Trick ihr Faible für die große Pop-Geste durchschimmern, vergraben unter donnernden Drums und explosiven Gitarren.

Das Debüt floppt

Am 3. Februar 1977 erscheint das Album. Die Kritiker lieben es, doch an der Öffentlichkeit geht es mehr oder weniger unbemerkt vorüber. Das ist irgendwie echt unerklärlich. Ira Robbins vom Rock‘n‘Roll-Magazin Trouser Press lobt beispielsweise in ihrer Kritik die „sarkastische, clevere, fiese, kraftvolle, tighte, unbekümmerte“ Art der Newcomer und stellt fest: „Die sind zu Großem bestimmt.“ Die Realität sieht erst mal anders aus: Die einzige Single Oh, Candy schafft es nicht mal in die Charts. Das Album auch nicht.

Dabei gibt es auf Cheap Trick viel zu entdecken: Lauter, anarchischer Rock‘n‘Roll im Geiste von The Who, eine hinreißend kantige Produktion und eingängige Songs en masse. Vielleicht ist die US-amerikanische Öffentlichkeit aber einfach noch nicht bereit für den Inhalt: Das Album bietet heftige Texte über Selbstmord, sexuelles Interesse an Teenagern oder Serienmörder. Egal, die Band spielt trotzdem weiterhin jeden Gig, den sie kriegen kann. Heute hat die Band über 5.000 Konzerte auf dem Tacho. Wenn das nicht Weltrekord ist, muss es ziemlich nah dran sein.

Zu extrem für den Mainstream?

Längst weiß man natürlich um die Qualitäten dieses erstaunlichen und immer noch frisch klingenden Erstlings. Johnny Ramone erzählte gerne mal, dass das Anfangsriff von The KKK Took My Baby Away von He‘s A Whore inspiriert war. Da haben wir aber vielleicht auch schon wieder des Pudels Kern: Während der Punk-Underground diese wilde neue Band feiert, ist sie dem Mainstream dann vielleicht doch noch eine Spur zu extrem.

Big in Japan

Schwer zu sagen, was das 1977 mit der Band macht. Allzu enttäuscht oder entmutigt ist aber offensichtlich niemand: Nur sieben Monate später sind Cheap Trick mit ihrem zweiten Album In Color zurück. Merklich geglättet und poppiger, scheint auch dieser deutlich massentaugliche Versuch nicht zu funktionieren: Selbst ihr Signature-Hit I Want You To Want Me schafft es nicht in die Charts. Dann spielt man einige Konzerte in Japan – und stellt plötzlich fest, dass man dort die Größe von den Beatles hat. Im Februar 1979 erscheint das Live-Album At Budokan – und macht die Band endlich zu Superstars.

Das Kuriose: Diesen Status behält sich die Band nicht dauerhaft bei. Sie driftet immer mal wieder aus dem Rampenlicht in die Bedeutungslosigkeit und schafft es immer wieder zurück. Spricht für ihre Qualitäten. Insbesondere aber für eine Band, die schon mit ihrem allerersten Album immens stark vorgelegt hat. Cheap Trick ist eine laute, direkte und unverblümte Antwort auf The Who, geboren in der Weite des Mittleren Westens. Und bis heute ein absoluter Hörgenuss.

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