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Popkultur

55 Jahre „Truth“: Wie Jeff Beck zum Geburtshelfer des Heavy Metal wurde

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Jeff Beck Group
Foto: Michael Ochs Archives/Getty Images

Alles, was Jeff Beck gemacht hat, ist wegweisend und kurzlebig. Vor 55 Jahren erscheint sein erstes Soloalbum Truth. Und stellt die Weichen für einen härteren Blues Rock, aus dem bald ein anderes Genre erblühen soll.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr Truth hören:

Über Jeff Beck wurde im Grunde schon alles gesagt. Jahrhundertgitarrist, Ausnahmetalent, Querulant, schwieriger Typ. Er ist einer der besten an der Gitarre, und das für alle Zeit, aber auch das Paradebeispiel für den exzentrischen Künstler, mit dem man es eigentlich nicht lange aushält. Haben die meisten auch nicht. Deswegen versucht er es nach seinem Ende bei den Yardbirds (zu denen er auf explizite Empfehlung von Kumpel Jimmy Page kam) einfach mal solo.

Zwei Superstars, die damals keiner kennt

Es beginnt mit Singles. Drei an der Zahl, alles Erfolge in den englischen Charts. Das Schema: Während auf der A-Seite ein gefälliger Pophit steht, lauert auf der B-Seite eine härtere, krachigere Variante des damals gebräuchlichen Blues Rock, das für das Heraufziehen einer neuen Musikrichtung steht, die man irgendwann mal Heavy Metal nennen wird. Damals noch nicht.

An fähige Menschen kommt ein Jeff Beck immer. Für sein erstes Album setzt er dennoch auf ein Personal, das man damals noch nicht unbedingt kennt: Nachdem er auf seinen ersten Singles noch selbst gesungen hat, holt er sich einen gewissen Rod Stewart in die Band. Der krebst damals schon seit einigen Jahren in der Londoner Musikwelt herum, schafft es aber nicht, sich zu etablieren. Für Bass und zweite Gitarre hat er Ronnie Wood im Auge, der auch schon mehrere englische Bands hinter sich hat ohne merklich Eindruck zu hinterlassen. Für beide ist ihre Zeit mit Jeff Beck schicksalhaft und der Ground Zero für Weltkarrieren. Damals weiß man aber auch das noch nicht.

„Rod, bitte lass diese Frisur verschwinden“

Über Rod Stewart sagte Beck mal unvergessen: „Ich mochte Rod schon immer, ich mochte ihn, mit den zerzausten Haaren und dem ganzen Rest davon. Sein Haar war nicht so, wie es jetzt ist, es war irgendwie nach hinten gekräuselt. Es war wie ein Stück geformtes Fiberglas; es sah aus, als hätte er einen Helm aufgesetzt, so schlimm sah es aus. Und ich sagte: ‚Rod, bitte, lass diese Frisur verschwinden!‘“

Schlagzeuger Micky Waller ist der einzige der Neuzugänge, der damals schon einen Namen hat: 1968 hat der schon eine Odyssee durch zahlreiche namhafte Bands der englischen Rock- und Blues-Szene hinter sich und soll jetzt auch Jeff Becks erste große Fahrt als Solitär antreiben. An nur vier Tagen im Mai 1968 entsteht in den Abbey Road Studios Truth, ein Album, dessen Langzeitwirkung damals nicht mal ein Zampano wie Beck antizipieren kann. Über die kurzen und knackigen Aufnahmen sagt er mal: „Wir nahmen Truth in den Abbey Roads in einigen wenigen Takes auf. Die Optionen mit dem dortigen Achtspurrekorder haben zwar Spaß gemacht, aber ich war der Meinung, wir sollten es echt belassen – Fehler eingeschlossen.“

Ein Werk des Übergangs

Davon lebt das Album. Truth rumort und pocht, knarzt und groovt. Getragen von Becks jenseitigem Spiel, Stewarts heiseren Vocals und einer bestens aufgelegten Band entsteht ein wegweisendes Werk, das dem Blues Rock entsteigt und mit härteren Riffs und ordentlich Verzerrung die Ankunft des Heavy Metal vorwegnimmt. Auch keinesfalls zu vergessen: Nicky Hopkins’ entfesseltes Pianospiel. Was für ein absoluter Derwisch!

Eigentlich bemerkenswert bei einer derart inkonsistenten Tracklist: Da trifft Shapes Of Things von den Yardbirds auf das mittelalterliche Instrumental Greensleeves, da gibt es seine Solo-Single Becks’ Bolero neben Ol’ Man River von Jerome Kern und I Ain’t Superstitious von Howlin’ Wolf. Gerade mal drei Originalkompositionen schaffen es auf Becks Soloeinstand – und selbst die sind einfach nur neue Fassungen alter Blues-Lieder: Let Me Love You von Buddy Guy sowie Rock My Plimsoul und Blues Deluxe, die auf B.B. King zurückgehen.

Truth ist deswegen kein wirklicher Neuanfang, sondern ein Werk des Übergangs, geboren in eine Zeit der Transition, die uns auch Jimi Hendrix’ Electric Ladyland, Creams Wheels Of Fire, Frees Tons Of Sobs, Beggars Banquet von den Stones und die Weiße der Beatles gegeben hat. Mit gesenktem Haupt werden auf Truth die Blues-Größen des Gestern geehrt, während der harte Sound gleich das Morgen ankündigt. In Sachen Songwriting gibt es also nicht wirklich viel zu holen. Doch das ist gar nicht nötig, um dieses erste Soloalbum des großen Jeff Beck zum Heiligen Gral des Classic Rock zu machen. Und er ist damals gerade mal 24.

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