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Popkultur

Schock-Therapie: So war’s beim Vollmond-Konzert mit Horror-Rocker Alice Cooper

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Alice Cooper live in Berlin
Foto: Christina Wenig

Es ist Freitag der 13. – In der bereits früh einsetzenden Dämmerung der bevorstehenden Vollmondnacht schleichen in schwarz gekleidete Gruppen durch den Berliner Mauerpark nicht unweit der Max-Schmeling-Halle.

von Frank Thießies

Plötzlich zerschneidet ein gellender Schrei die milde Abendluft… Es ist ein Ausruf der Erleichterung. Erleichterung darüber, dass es trotz anfänglicher Angst an der Abendkasse doch noch Restkarten für das heutige Alice-Cooper-Konzert gibt. Schreck lass nach!

Hört hier die größten Hits von Alice Cooper:

Auf Nummer sicher

Schaut man sich nach gewährtem Einlass in der für über 10.000 Besucher ausgelegten und zu gut zwei Drittel gefüllten Mehrzweckhalle um, erblickt man neben gestanden Cooper-Veteranen abermals eine nicht geringe Anzahl jüngerer Gesichter in freudiger Erwartung ihrer ersten Bühnen-Enthauptung. In Zeiten des akuten Rockstar-Sterbens ist das Interesse nachkommender Generationen an Schock-Altmeister Alice sicherlich zu einem Teil auch einer gewissen Todes-Torschlusspanik geschuldet – wer weiß schon, wie oft man solch eine Legende noch live erleben kann?

Alice Cooper live in Berlin

Foto: Christina Wenig

Südstaatliche Begrüßung

Zuvor heißt es jedoch „Bühne frei“ für Black Stone Cherry. Bislang hat Cooper nahezu immer ein ziemlich gutes eiskaltes Händchen bei der Auswahl seiner Vorgruppen an den Tag gelegt. Die aus Kentucky stammende Band bildet keine Ausnahme. Mit einer feurigen Mischung aus traditionellem Southern Rock und modernem US-(Hard-)Rock sowie stampfenden Stücken wie Blame It On The Boom Boom oder Lonely Train weiß das um einen Keyboarder und Perkussionisten verstärkte Quartett zu begeistern.

Coopers gespenstisch gutes Gruselkabinett

Pünktlich um 21:15 Uhr fällt auch schon für Cooper der mit dessen markant geschminkter Augenpartie versehene Vorhang. Der Schocker-Star eröffnet seine Horror-Show mit dem herrlichen B-Movie-Rocker Feed My Frankenstein vom 1991er Hit-Album Hey Stoopid. Gleich im Anschluss dreht der Rock-Radio-Klassiker No More Mr. Nice Guy die Zeit auf die frühen Siebziger zurück. Dabei kommt man nicht umhin daran zu denken, dass Cooper, der bürgerlich auf den Namen Vincent Damon Furnier hört und bekennender Christ sowie geläuterter Golfer ist, mit seinem Alter Ego Alice in diesem Jahr sein 50. Bühnenjubiläum feiert.

Alice Cooper live in Berlin

Foto: Christina Wenig

Aus heutiger Sicht ist es dabei manchmal nicht mehr ganz so einfach nachzuvollziehen, dass Coopers schräger Schauer-Rock mitsamt seinen Theaterfundus-Requisiten in den Siebzigern derart zu polarisieren und schockieren vermochte, dass besorgte Moralapostel sowie religiöse Hardliner in seiner amerikanischen Heimat Künstler und Kunstfigur lange Zeit zum leibhaftigen Kinderschreck der Nation stilisiert haben. Nach Saw und all dem alltäglichen, realen CNN- und Internet-Horror wirkt eine Cooper-Show inzwischen eher wir eine Rummel-Fahrt mit der historischen Geisterbahn. Aber genau das macht den ganz eigenen Charme dieser Veranstaltung mit ihren über die Bühne watschelnden Pappmaché-Monstern, den Zwangsjacken und Guillotinen ja unter anderem aus.

Burgherr Cooper

Für die aktuelle Tour hat sich Cooper jedenfalls eine neue Bühnendekoration in Form einer Burg gegönnt, die der Band nun als Spielwiese dient. Mit gleich drei Gitarren, von denen eine die wie ein Brummkreisel über die Bühne fegende Nita Strauss bedient, sowie einer patenten Rhythmussektion verlässt sich Cooper seit Jahren nämlich schon auf eine agile, doch deutlich jüngere Begleitband.

Alice Cooper live in Berlin

Foto: Christina Wenig

Auch die Musik hat kaum Staub angesetzt. Zwar wird der zweite Erfolgs-Frühling der Spät-Achtziger neben dem auch heute vom Publikum frenetisch gefeierten Über-Hit Poison nur durch das überraschende Bed Of Nails (beide vom Megaseller Trash) repräsentiert, kann Cooper doch auf ein Repertoire zurückgreifen, welches mit Nummern wie I’m Eighteen oder Billion Dollar Babies so einige Rockklassiker beinhaltet. Über die Standards hinaus versteht es Onkel Alice allerdings stets genauso, eingefleischte Cooper-Connaisseurs mit raren, schon lange oder noch nie live dargebotenen, eigens ausgegrabenen Song-Schätzchen ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Leichen aus dem Keller

So sind es diesmal unter anderem Muscle Of Love, der Titeltrack des finalen Albums der originären Alice Cooper Band aus dem Jahre 1973, He’s Back (The Man Behind The Mask), der Soundtrack-Hit zum Horrorfilm Freitag der 13. Teil VI – Jason lebt, der sägende Heavy-Metal von Roses On White Lace sowie – zum Set-Ende – Teenage Frankenstein, welches die zu Beginn geöffnete Frankenstein-Konzert-Klammer schließt. Zugaben-Zeit.

Alice Cooper live in Berlin

Foto: Christina Wenig

Für welche sich Cooper nicht lange bitten und in punkto Gassenhauer auch keineswegs lumpen lässt: Under My Wheels gibt noch mal Gas, dann läutet die obligatorische Anti-Obrigkeits-Hymne School’s Out, welche inzwischen mit Zeilen aus Pink Floyds Another Brick In The Wall (Part 2) angereichert wird, den Anfang vom Ende ein. Riesige Ballons fallen von der Decke, die Cooper wie gewohnt mit spitzer Klinge zum Bersten bringt. Nach knapp 80 Minuten befindet man sich wieder zurück im Freien, wo sich die Dunkelheit nun vollkommen der Stadt angenommen hat. Der Vollmond scheint und man ist froh, noch vor dem Geisterstunden-Schlag den Heimweg antreten zu können. Genau so geht gepflegter Grusel.

Die Setlist von Alice Cooper in Berlin: 

  • Feed My Frankenstein
  • No More Mr. Nice Guy
  • Bed Of Nails
  • Raped And Freezin’
  • Fallen In Love
  • Muscle Of Love
  • He’s Back (The Man Behind The Mask)
  • I’m Eighteen
  • Billion Dollar Babies
  • Poison
  • Roses On White Lace
  • My Stars
  • Devil’s Food/The Black Widow (Jam-Version)
  • Steven
  • Dead Babies
  • I Love The Dead
  • Escape
  • Teenage Frankenstein
  • Under My Wheels
  • School’s Out (inkl. Another Brick In The Wall (Part 2))

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