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Popkultur

Carol Kaye: Die Grande Dame der Bassgitarre

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Foto: Jasper Dailey/Michael Ochs Archives/Getty Images

Auch wenn der Name Carol Kaye vielleicht nicht jedem bekannt ist: Nahezu jeder hat ihre Bass-Licks schon gehört. Wir werfen einen Blick auf die bemerkenswerte Karriere der Ausnahmemusikerin.

von Markus Brandstetter

Was haben Sloop John B von den Beach Boys, Glen Campbells Wichita Lineman, Nancy Sinatras These Boots Are Made For Walking und River Deep, Mountain High von Ike & Tina Turner gemeinsam? Die Antwort findet man in den tiefen Frequenzen dieser legendären Aufnahmen. Denn auf all diesen Stücken – und hunderten weiteren – sind die unvergleichlichen Basslinien von Carol Kaye zu hören, einer der legendärsten Session-Bassistinnen aller Zeiten. Unter Musiker*innen und Kenner*innen ist Carol Kaye, geborene Carol Smith, längst eine Legende … und das nicht nur auf dem Bass.

Anfänge im Jazz

Kaye wurde am 24. Mai 1935 als Carol Smith in Everett im US-amerikanischen Bundesstaat Washington geboren, später zog sie mit ihren Eltern – beide ebenfalls Musiker – nach Kalifornien. Zunächst sollte es nicht der E-Bass, sondern die Gitarre sein, der sich Kaye als ihr Hauptinstrument widmete. Sie verdiente bereits im Teenageralter Geld als Gitarrenlehrerin und spielte schon bald auf Jazz-Sessions in den Clubs von Los Angeles.

Gefragte Studiomusikerin

1957 wurde sie zu einer Aufnahmesession für Sam Cookes Version des Standards Summertime eingeladen – Kayes erste großer Session-Job. Es sollten viele weitere folgen – denn Sessionarbeit erwies sich als deutlich lukrativer für die Musikerin als ihre Arbeit mit Jazzbands. Danach ging alles Schlag auf Schlag: 1958 war sie als Gitarristin auf „La Bamba“ von Ritchie Valens zu hören, bald darauf begann ihre Zusammenarbeit mit dem Produzenten Phil Spector (Schöpfer der „Wall Of Sound“, an der Kaye beteiligt war). So konnte sie sich als Sessionmusikerin etablieren – und wurde zu eine der Go-To-Adressen für Studiobosse und Produzenten.

Wechsel zum Bass

Es sollte ein Aufnahmesession für Capitol Records im Jahr 1963 sein, die für Kaye zum Schicksalstag wurde. Der ursprüngliche Bassspieler war verhindert, Kaye bot an, den Viersaiter zu übernehmen. Carol Kaye fand auf den vier Saiten kreativ eine ganz neue Welt – und wurde zu einer der gefragtesten Studiobassistinnen in Los Angeles. Ihr Bassspiel: synkopiert, melodisch,songorientiert. Der Gitarre blieb sie dennoch ebenfalls treu: Sie spielte unter anderem auf Frank Zappas Freak Out und auf einigen Songs von Sonny & Cher zwölfsaitige Gitarre.

Die Wrecking Crew

Kaye war Teil der sogenannten Wrecking Crew, einer Gruppe von Studiomusikern, die die Studiomusiker-Szene in Los Angeles dominierten und auf etlichen Produktionen großer Namen zu hören waren. Sie war die einzige Frau in dieser Gruppe, der unter anderem auch Glen Campbell angehörte.

Ein Blick auf die Liste der Produktionen, auf denen Kaye zu hören ist, ist nahezu unglaublich. Kaye soll auf insgesamt 10.000 Aufnahmen mitgewirkt haben. Sie spielte mit Frank Sinatra, The Supremes, Stevie Wonder, The Temptations, Simon & Garfunkel, Glen Campbell, Sonny & Cher. Ihr Bassspiel prägte den Sound des Beach-Boys-Klassikers Pet Sounds, auch auf Smile und Summer Days (and Summer Nights!!) ist sie zu hören. Damit hatte sie einen riesigen Einfluss auf Generationen an Bassisten.

Einfluss auf Paul McCartney

Sogar für Paul McCartneys Bassspiel soll sie zu Zeiten von Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band ein wichtiger, wenn auch damals namentlich nur indirekt genannter Einfluss gewesen sein. „McCartney hat wiederholt erklärt, dass Wilsons Bassspiel auf Pet Sounds und Smile die Inspiration für den lyrischen, kontrapunktischen Bassstil war, den er zu Zeiten von Revolver und  Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band entwickelte. Das Problem ist, der Bassspieler auf fast allem auf Pet Sounds und Smile war nicht Brian Wilson. Es war eine Jazzmusikerin und ein Studioprofi aus Los Angeles namens Carol Kaye“, schrieb David Haijdu in einem Artikel in The New Republic.

Kaye ist auch auf etlichen Soundtracks zu hören – so war sie auf den Themes von M.A.S.H. und Shaft zu hören und spielte auch das Mission-Impossible-Theme ein. Sie schrieb Lehrbücher wie To Play The Electric Bass und unterrichtete. Heute ist Kaye immer noch als Lehrerin aktiv – auf ihrer Website bietet sie Skype-Stunden an. Die Vorgaben: keine Anfänger. Die Themen umfassen Standards/Jazz auf dem elektrischen Bass sowie Picking-Techniken und Musiktheorie. Ihr Leben kann man auch in ihrer Biographie nachlesen. Diese fällt mit 502 Seiten wenig überraschend etwas ausführlicher aus.

Als die legendären Aufnahmen entstanden seien, wurden den wenigsten der Beteiligten Popmusiker einen Haltbarkeitswert über zehn Jahre attestiert, erzählte sie einmal. Sie selbst sei überrascht, dass sich viele Menschen diese Aufnahmen auch Jahrzehnte später noch anhören. Kaye habe niemals erwartet, dass man sich an sie erinnern könne. Scheint so, als hätte sie sich zumindest in diesem Punkt geirrt.

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