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Popkultur

Comics, Drugs und Rock‘n‘Roll: Diese Künstler*innen haben ihre eigenen Graphic Novels!

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Foto: Dave Hogan/Getty Images

Das Leben eines Rockstars ist meistens filmreif. Diese Beispiele zeigen: Die Exzesse, Karrieren und Ausschweifungen unserer Lieblingsmusiker*innen geben auch perfekten Stoff für gezeichnete Psychodramen vor. Ein Rundgang durch die Welt der musikalischen Graphic Novels.

von Björn Springorum

Zwei Welten treffen aufeinander

Zum Glück sind die Zeiten lange vorbei, in denen man Comics als infantile Freizeitbeschäftigung abtat. Denn im Grunde waren sie das nie: Schon die „Peanuts“ waren zu subversiv, depressiv und philosophisch für Kinder. Das Genre des Graphic Novel konnte das Genre der Panels und Sprechblasen mit einer Menge Gravitas und Seriosität auch noch vom letzten Rest Schmuddel-Nerd-Image befreien und wird mittlerweile auch vom Feuilleton beobachtet, ernst genommen, gefeiert.

Besonders interessant wird es für uns natürlich, wenn die Welt der Comics mit der Welt der Musik zusammenkommt. Damit meinen wir jetzt zur Abwechslung mal nicht KISS, die neben jedem erdenklichen Merchandise-Artikel (Waschmaschinen, Zahnbürsten, Müsli, Mähdrescher, so in der Liga) natürlich auch eigene Graphic Novels haben; wir meinen all die anderen künstlerischen Werke, die die oftmals nicht linearen Lebenswege der ganz großen Legenden der Musikwelt nachzeichnen oder ihre Epen in wirkmächtige Bilder kleiden. Einige besonders eindringliche haben wir hier mal gesammelt.

David Bowie

Ein Künstler wie David Bowie ist natürlich perfekt geeignet für eine Comic-Adaption. Der süddeutsche Cross Cult Verlag hat sich deswegen auch besondere Mühe gegeben, das Leben des Starman in ein Pop-Art-Kunstwerk zu kleiden, das zugleich beeindruckt und unterhält. Bowie – Sternenstaub, Strahlenkanonen und Tagträume ist erst vor wenigen Tagen erschienen und zeichnet das Leben des androgynen Künstlers so überbordend, berauschend, queer, knallig, surreal und überlebensgroß nach wie es nun mal war. Ein ziemlicher Trip.

Neil Young

2003 veröffentlicht unser liebster Griesgram Neil Young mit Crazy Horse die mythische Rockoper Greendale, ein knarziges Konzeptalbum über ein fiktives Küstenkaff in Kalifornien und den in eine Sackgasse geratenen American Way Of Life. Grünes Bewusstsein inklusive. Das Album bewegt und polarisiert, ist von Anfang an multimedial ausgelegt. Dennoch dauert es zehn Jahre, bis mit Neil Youngs Greendale die zugehörige Graphic Novel vorliegt. Autor Joshua Dysart rückt die Randfigur Sun Green in den Mittelpunkt des Geschehens, lässt die Urenkelin des Stadtgründers durch die Hölle gehen, um sie zur selbstbewussten Aktivistin zu stählen. Die zieht dann gegen jede Menge Übernatürliches zu Felde, denn selbst der Teufel scheint in Greendale ein und aus zu gehen. Ziemlich fabelhaft und überbordend, das alles. Und ganz nach dem Gusto von Neil Young.

The Ramones

Die Grafikschmiede 2000AD war für ihren knalligen, überbordenden Stil bekannt. Wenn mit Jim McCarthy und Brian Williamson nun also zwei ehemalige Zeichner dieses Kaders das Leben der Ramones für eine Graphic Novel adaptieren, dann darf man ruhig sagen, dass das passt wie die Faust aufs Auge der Gesellschaft. Die Ramones waren im Prinzip ein lebendig gewordener Comic-Strip, ihre strikte Schwarz-Weiß-Ästhetik wie gemacht für visuelle Adaptionen. Gabba Gabba Hey! macht sich das clever zunutze, bringt aber genug Großstadt-Dreck und Ehrfurcht in die Origin-Story der Band mit hinein, um die Geschichte nahbar, mehrdimensional zu machen. Die Anfänge der Band im heruntergekommenen New York der Siebziger stellt man sich zumindest genau so vor wie hier sehr launig und gekonnt zu Papier gebracht.

Johnny Cash

Ein Mann, der größer war als das Leben. Ein Vermächtnis von biblischen Ausmaßen: Johnny Cash transzendiert unser Verständnis des Musikers, ist größer, jenseitiger, kaum zu fassen. Vielleicht also gar keine schlechte Idee, sich ihm via Graphic Novel zu nähern. I See A Darkness taucht das Leben des Man in black in ikonografische Schwarzweißbilder, lässt viele große Panels ruhig wirken und vermittelt ein ebenso stimmungsvolles wie melancholisches Bild des größten Country-Sängers aller Zeiten. Aufgezeichnet wird seine Karriere von den bescheidenen Anfängen über seine Gefängniskonzerte bis hin zu seinem unglaublichen Comeback als gebrochener Schmerzensmann an der Seite von Rick Rubin.

Brian Epstein

Graphic Novels über die Beatles gibt es wie Regentropfen in England. Viele davon sind lieblos und voller Klischees. Einen anderen Weg geht The Fifth Beatle, ein Werk, das das Leben und die Karriere von Brian Epstein in den Fokus rückt. An den Fab Four kommt diese Geschichte natürlich auch nicht vorbei, es rückt aber die Leiden des jungen Epstein in den Vordergrund – als Manager der größten Band der Welt, der mit seiner Homosexualität kämpft. Empathisch gestaltet, weder zu laut noch zu leise: The Fifth Beatle räumt Preise ohne Ende ab und ist eine der besten grafischen Adaptionen rund um diese Band, die Epstein unvergessen als „bigger than Elvis“ anpries.

Jim Morrison

Zum 40. Todestag von Jim Morrison erscheint 2011 im Splitter Verlag die dräuende Graphic-Novel-Mär Jim Morrison – Poet des Chaos. Eine Comic-Biografie, die Morrison in den letzten Tagen vor seinem mysteriösen Tod im Pariser Exil sein Leben Revue passieren lässt. Das war zwar kurz und heftig, barg aber mehr in sich als manch einer in 100 Jahren erreichen kann. Seine Kerze brennt von beiden Enden, das wird auch in dieser Graphic Novel deutlich. Vor allem beschönigt diese Geschichte nichts, ist ehrlich und möchte Morrison nicht zum Heiligen erheben, wie es so viele Fans immer noch tun. Historische Akkuratesse darf man zwar nicht erwarten, dies hier ist immer noch ein Werk der Fiktion. Aber durchaus eines, das zur Filmadaption taugen würde.

Billie Holiday

Ein Leben, ebenso filmreif wie tragisch. Eine Graphic Novel, im Stil genau so harsch und clair-obscur wie nötig, um eine schillernde Figur wie Billie Holiday einzufangen. Surreal, psychedelisch, unglaublich kunstfertig – was José Muñoz und Carlos Sampayo mit ihrem schlicht Billie Holiday genannten Band liefern, ist ein Meisterwerk. Jedes Bild steht für sich, wirkt für sich, zeichnet mit sezierender Genauigkeit und quälender Ehrlichkeit ihren Missbrauch ebenso nach wie ihren Aufstieg zum Star, ihren Drogenkonsum ebenso wie ihre Natur. Schattig, düster, mittlerweile wieder einfach zu bekommen: Ein echtes Ausnahmewerk.

Hinter schwedischen Gardinen: Diese Rockstars waren schon im Knast!

 

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