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Popkultur

Die musikalische DNA von Jeff Beck

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Es gibt Gitarristen, die haben im Rock einiges möglich gemacht. Dann gibt es Jeff Beck, ohne den im Rock so ziemlich alles ein Ding der Unmöglichkeit geblieben wäre. In über 50 Jahren hat er dem britischen Blues den Rock’n‘Roll eingehaucht, die Brücke zwischen Gitarrenmusik und Pop geschlagen, wild experimentiert und ist sich dennoch stets treu geblieben. Bei den Fans kam das nicht immer gut an, viele greifen am liebsten zu seinem Frühwerk und legen lieber die Yardbirds-LPs oder seine frühen Solo-Alben auf. Das ist die Schattenseite von Becks unglaublicher Erfolgsgeschichte: Er war immer ein „guitarist’s guitarist“, weniger ein Crowdpleaser. Dennoch schaffte er es bei einem Rolling Stone-Poll auf den fünften Platz der 100 besten Gitarristen aller Zeiten. Zu Recht!


Hört euch hier einen Vorgeschmack der musikalischen DNA von Jeff Beck an:

Für die ganze Playlist klickt auf „Listen“.

Becks eigentlicher Erfolg kann in seinem ungemeinen Einfluss auf andere gemessen werden. Pink Floyd wollten ihn nach dem Weggang von Syd Barrett als Bandmitglied anheuern, trauten sich aber gar nicht erst, ihn zu fragen. Ebenso traten die Rolling Stones nach dem Tod von Brian Jones an ihn heran, er sollte die vakante Stelle zu übernehmen. Sogar mit Guns N‘ Roses traf sich der Brite im Proberaum. Über die Generationen hinweg war Beck vielen legendären MusikerInnen Vorbild und Partner zugleich, mehr noch als andere seiner Altersklasse. Doch welche Musik, welche Menschen prägten ihn auf seinem Weg? Das ist eine Frage, die so leicht nicht zu beantworten ist. Die musikalische DNA von Jeff Beck zumindest kann kaum mit zehn Tracks entschlüsselt werden. Den Versuch aber ist es wert.


1. Les Paul & Mary Ford – How High The Moon

Wer lange wirken will, muss für gewöhnlich früh anfangen. So auch Jeff Beck. Gerade einmal sechs Jahre alt war der Knirps, als er seine erste E-Gitarre überreicht bekam. Der Grundstein für eine glorreiche Zukunft! Doch woher kam die Inspiration? Natürlich von niemand Geringerem als Les Paul, dessen How High The Moon gemeinsam mit Gattin Mary Ford erstmals das Interesse von Beck weckte, als er es im Radio hörte. „Was ist das!?“, fragte der verwunderte Dreikäsehoch seine Mutter. „Das ist eine E-Gitarre“, kam es zurück und Beck wusste sofort: „Das ist genau mein Ding!“

Mit seiner Intuition sollte er richtig liegen und die Liebe zum Les Paul-Sound verließ ihn nie. Obwohl er, wie er selbst in einem Interview zugab, seine Stratocaster dem Les Paul-Modell jederzeit vorziehe, so widmete er doch dem Tüftler hinter dem ikonischen Gibson-Modell einen denkwürdigen Tribut, als dieser im Jahr 2009 verstarb. 2010 spielte er an Les Pauls Geburtstag ein Gedenkkonzert in dessen musikalischer Heimat, dem Iridium Jazz Club, das später als Live-Album mit dem Titel Rock’n’Roll Party veröffentlicht wurde. Darauf enthalten war auch der Song, mit dem alles anfing: How High The Moon


2. Gene Vincent and the Blues Caps – You Better Believe

Wenn Les Paul den ersten Funken für Becks Gitarrenbegeisterung lieferte, so war es Cliff Gallup, der die Flammen der Leidenschaft im jungen Jeff endgültig auflodern ließ. 1993 widmete er dem Gitarristen von Gene Vincent and the Blues Caps das Tribute-Album Crazy Legs. Eine Platte, wie sie schon längst überfällig gewesen war, wie er damals im Interview berichtete: „Ich wollte so etwas schon immer machen, als einzelner Song auf einem Album aber hätte es nicht funktioniert“, hieß es. „Denn es wäre so radikal anders als alles andere gewesen! Deshalb hat es eine ganze Weile gedauert – dreißig Jahre, um genau zu sein!“

Was die Faszination Becks am Saitenwunder Gallup ausmachte? „Als ich Gitarre lernte, war Cliff Gallup mein größter Einfluss. Der Schnitt war tief und die Wunde ist nie verheilt“, drückte es Beck poetisch aus. „Es war so radikal. Heutzutage klingt es vermutlich nicht so metallisch oder bedrohlich, aber als ich 1956 die Platte aufdrehte… Junge, Junge!“ Rock’n‘Roll steckte damals noch in den Kinderschuhen und die Produktion der meisten Songs war noch geschliffen. Anders Vincent und seine Band: „Da war dieser schreiende Kerl und diese plärrenden Gitarrensoli – das war damals unerhört und bis heute hat niemand etwas Vergleichbares hinbekommen!“ Starke Worte.


3. Booker T. & the M.G.‘s – Green Onions

Von vielen bewundert, war Beck sich nie zu schade als glühender Verehrer seiner Idole in Erscheinung zu treten. Die meisten von ihm erwiderten den Respekt, den ihnen der Gitarrist entgegen brachte, und einigen verdrehte er eigenhändig den Kopf. So auch Steve Cropper, einem der einflussreichsten Gitarristen des Rhythm’n’Blues sowie des frühen Soul-Sounds, wie er von Stax Records bekannt gemacht wurde. Mit der Stax-Hausband Booker T. & the M.G.‘s landete Cropper einen unvergesslichen Hit mit Green Onions, der noch heute gerne von Beck gespielt wird.

Nicht allein Croppers extrem präzises und doch feinfühliges Gitarrenspiel, sondern auch seine Übersicht im Studio bewunderte der gerade einmal drei Jahre jüngere Beck. Prompt lud er ihn 1972 dazu ein, das selbstbetitelte Album der Jeff Beck Group zu produzieren. „Ich hätte ihn nach England eingeflogen, wären wir nicht nach Memphis gekommen“, sagte Beck 1999 in einem Interview. Der US-Amerikaner fand im Studio aber keinen Schüler, sondern einen Meister vor. „Ich weiß nicht viel übers Gitarrespielen“, frotzelte Cropper gegenüber dem Magazin Guitar Player. „Aber ich weiß genug darüber, was möglich ist – und dann schaute ich Jeffs Händen zu und dachte: ‚Das geht doch gar nicht. Wie macht der das? Natürlich hat er‘s mir nicht gezeigt!‘“


4. B.B. King – Key to the Highway (Live)

Ein paar Berufsgeheimnisse müssen eben sein. Nicht, dass Beck nicht gerne geteilt hätte! Kaum ein anderer Musiker hat dermaßen oft die Zusammenarbeit mit alten Hasen und auch jungen Hüpfern gesucht. Angefangen als Teil des Gitarren-Trios im Zentrum der Yardbirds hin zu seinen späteren Kollaborationen mit KünstlerInnen aus der Rock- und Pop-Welt: Beck ist durch und durch ein Teamplayer, der für das Miteinander auf der Bühne lebt.

Manche musikalische Partner allerdings sind ihm dabei wichtiger als andere. B.B. King etwa gehörte zu einer Generation von Blues-Musikern, der das Genre mit der E-Gitarre zusammen brachte. Lange nachdem Eric Clapton und Beck die Verbindung aus Delta-Blues und verstärktem Sechssaiter in England weiter entwickelt hatten, zollten sie dem Beale Street Blues Boy aus Mississippi immer wieder Tribut und durften sich gelegentlich die Bühne mit ihm teilen. Gerne spielten sie auf diversen Konzerten zusammen Standards wie Key to the Highway, denen unter ihren Fingern ein neues Leben eingehaucht wurde.


5. Muddy Waters – You Shook Me

Die Yardbirds waren so etwas wie die Ursuppe der britischen Rock-Szene und vermittelten zwischen den Blues-Wurzeln des Genres und seiner Zukunft. Led Zeppelin gehören gemeinhin zu einer der größten Bands aller Zeiten, ihr Faible für das Werk anderer ist aber bestens dokumentiert. Für nicht wenige Rock-Fans handelt es sich deshalb bei dem Quartett um nicht mehr als eine Bande musikalischer Langfinger! Auf ihrem ersten Album findet sich ein Cover von Muddy Waters‘ You Shook Me, das Beck erst fünf Monate vor dem Debüt von Jimmy Page und seinen Kollegen in einer verteufelt ähnlichen Version neu eingespielt hatte…

Wie B.B. King gehört Waters zu denjenigen Blues-Musikern, die eine Brücke zwischen dem klassischen Sound und dem Rock’n‘Roll schlugen. Deswegen verwundert es wohl kaum, dass sowohl Beck wie Led Zeppelin von ihm eine gehörige Portion Inspiration bezogen. Noch 1993 war Beck sofort dabei, als er von Paul Rodgers – bekannt durch seine Arbeit mit Free und Bad Company – angefragt wurde, ihn bei einem Tribute-Album für Muddy Waters zu unterstützen. Und selbst in Zeiten, als er schon längst auf seinen berüchtigten Electro-Guitar-Sound umgestiegen war, erwies Beck seinem Idol den gebührenden Respekt: 2001 spielte er dessen Rollin‘ and Tumblin’ für das Album You Had It Coming neu ein.


6. Stevie Wonder – Superstition

Nicht nur den Blues, sondern auch den Soul hat Beck im Laufe seiner Karriere verinnerlicht. Doch nicht nur aus Memphis kam seine Inspiration, sondern auch aus dem US-Bundesstaat Michigan. Genauer gesagt vom Label Motown. Derweil Stax Records, für die Steve Cropper so wichtig war, sich eher am Rhythm’n‘Blues abarbeiteten, fand die Labelheimat von Stevie Wonder einen viel harmonischen Sound. Auf Wonders Musik kam Beck immer wieder zurück und coverte einige seiner Songs. Für Wonders Album Talking Book ging Beck mit dem blinden Sänger sogar ins Studio.

Als die Anfrage vom Plattenlabel kam, zögerte Beck nicht lange. „Ich sagte, dass ich Stevies Kram lieben würde, sie teilten ihm das mit und er war sehr offen dafür“, erinnerte er sich. „Ursprünglich lautete die Abmachung, dass er mir einen Song schreiben sollte und ich im Gegenzug auf seinem Album spielen würde – und so kam Superstition ins Spiel…“ Das Stück basierte auf einem Drumbeat, den Beck – eigentlich nicht unbedingt ein begnadeter Schlagzeuger – improvisierte und sollte mit dem eingängigen Riff Wonders zum Nummer-Eins-Hit werden. Für Wonder allerdings, nicht für Beck! Der veröffentlichte seine Interpretation des Stücks etwas zu spät. Kein Grund für böses Blut allerdings. Noch 2009 spielten sie ihre gemeinsame Version beim Rock and Roll Hall of Fame 25th Anniversary Concert.


7. Django Reinhardt – Minor Swing

Angefangen von Komponisten wie Les Paul hin zur Goldkehle Stevie Wonder: Beck war stets ein Fan des klassischen Songformats, hatte aber auch ein Herz für ungewöhnliche Sounds. Seine Leidenschaft für Django Reinhardt erklärt sich da wie von selbst. „Django war übermenschlich. An ihm ist nichts Normales, als Person oder Gitarrist“, erklärte er 2007 enthusiastisch in einem Interview. Das dreifingrige Spiel des europäischen Jazz-Pioniers hat bis heute nichts an seiner Magie verloren und auch Beck konnte sich ihr bei seiner späten Entdeckung des Maestros nicht entziehen.

„Sein elektrisches Spiel aus den Vierzigern ist beschämend!“, jubilierte er. „Seine Lead-Licks – puh! Ich spiele sie mit niedriger Geschwindigkeit ab und habe dennoch keinen Plan, was er da eigentlich macht. Kürzlich stieß ich auf einen seltenen, zerkratzten Schwarz-Weiß-Film, der ihn beim Spielen zeigt. Ich studiere ihn in Zeitlupe. Doch alles, was zu sehen ist, sind diese zwei dreckigen Finger, die wie der Blitz über das Griffbrett huschen.“ Eine Begeisterung, die leicht nachzuvollziehen ist. Mit Songs wie Minor Swing vereinte Reinhardt seine Roma-Abstammung mit US-amerikanischem Jazz zu einer einzigartigen Mischung, die bis heute in ihrer Brillanz unübertroffen ist.


8. Mahavishnu Orchestra – Meeting of the Spirits

À propos ungewöhnliche Mischungen: So wie Beck selbst so manchen Fan mit seiner Synthese aus elektronischen Sounds und seinem Gitarrenspiel vor den Kopf schlug, so gefielen ihm stets die stilistischen Grenzgänger am liebsten. Eine besondere Rolle kam dabei immer John McLaughlin zu, der als Gitarrist zum Beispiel auf Miles Davis‘ Überalbum Bitches Brew zu hören ist und mit seiner Band Mahavishnua Orchestra eine ungewöhnliche Fusion aus Rock, Jazz und indischer Musik zum Einklang brachte. Für Beck handelt es sich bei dem britischen Kollegen um nichts weiter als „den besten lebenden Gitarristen“, wie er noch 2010 gegenüber dem Magazin Uncut sagte.

Ob es ein Zufall ist, dass die beiden auf der Bühne gerne eine John Lewis-Komposition namens Django, natürlich gewidmet dem kongenialen Reinhardt, spielen? Wohl kaum! Denn im Jazz finden die beiden Ausnahmegitarristen ihren gemeinsamen Nenner. Doch es gibt noch mehr, das Beck an McLaughlin bewundert. „Er hat uns so viele verschiedene Facetten der Gitarre geschenkt und tausende von uns an Weltmusik herangeführt, indem er indische Musik mit Jazz und Klassik zusammenbrachte“, schwärmte Beck. Auch mit anderen Musikern aus dem Umkreis des Mahavishnu Orchestras wie Jan Hammer und Narada Michael Walden arbeitete Beck regelmäßig zusammen. Ein wahres Meeting of the Spirits…


9. Ravi Shankar – Raga Kausi Kanhara

Von der psychedelischen Musik des Mahavishnu Orchestras ist es nur ein kleiner Schritt hin zu der Ravi Shankars. Der bengalische Sitar-Meister gehörte zu den erfolgreichsten und besten seiner Zunft und löste auch in der westlichen Pop-Musik ein gewaltiges Echo aus, als seine klassischen Kompositionen dort zum ersten Mal Gehör fanden. Von den Rolling Stones hin zu den Beatles, den Animals und den Byrds: In England wie in den USA fand die Sitar schnell ihren Einzug in die Pop-Musik.

Schon zu Yardbirds-Zeiten experimentierte Beck mit orientalischen Tonleitern, blickt aber etwas verschämt auf diese Zeit zurück. Einen „schwachen Abklatsch dessen, was die Beatles taten, nachdem sie den Maharishi getroffen hatten“, nannte er seine damaligen Versuche, die komplexen Patterns Shankars auf die Gitarre zu übertragen. Sie nämlich bedeuteten in seiner Jugend einen Ausweg aus der Eintönigkeit der Rock’n‘Roll-Platten, die Beck und Jimmy Page in ihren Kinderzimmern rauf und runterspielten. „Dass eine solche Kunstfertigkeit auf einem ganz anderen Instrument möglich war!“, erinnerte sich Beck. „Für uns kam das so erfrischend wie eine Frühlingsbrise.“


10. Kate Bush – You’re The One

Am Ende dieser Serie geht es für gewöhnlich darum, wo sich die musikalische DNA unserer Helden weiter in die Musikgeschichte eingewebt hat. Bei Jeff Beck aber? Eigentlich ist es komplett unmöglich, wir sagten das bereits, seinen Einfluss adäquat abzubilden. Zumindest, geht es um die Rock-Musik. Welcher Gitarrist zählt Beck, der von auch Hard Rock bis Metal seine Spuren hinterlassen hat, nicht auf die eine oder andere Art zu seinen Inspirationsquellen? Eben.

Doch auch im Pop-Geschäft hinterließ der ewig fleißige Musiker seine Spuren. Wusstet ihr, dass er unter anderem bei Cindy Lauper im Studio aushalf? Ja, genau – die mit Girls Just Want To Have Fun! So ist Beck eben, wie seine eigenen Stifterfiguren schert er sich recht wenig um Konventionen oder ob ihm ein Platz im Rampenlicht zukommt. Er lebt für die Musik. Einer seiner schönsten Gastauftritte findet sich deshalb auf Kate Bushs Album The Red Shoes. Die spärlichen Gitarrenakkorde, die das Grundgerüst der Power-Ballade tragen, hat er für die visionäre Künstlerin eingespielt und rundete das Stück mit einigen präzisen Licks ab, die sich ganz in den Dienst des großen Ganzen stellen. Typisch Beck: visionär und doch bescheiden.


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Als Led Zeppelin facettenreicher wurden: „Houses Of The Holy“

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Led Zeppelin HEADER
Titelfoto: Evening Standard/Hulton Archive/Getty Images

Vier durchnummerierte Platten brauchten Led Zeppelin, um die Spitze des Rockolymp zu erklimmen. Auf ihrer fünften Veröffentlichung Houses Of The Holy schlugen die Briten experimentierfreudigere Pfade ein — mit großem Erfolg. Den Titeltrack mussten sie allerdings auf das nächste Album verschieben.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch Houses Of The Holy von Led Zeppelin anhören:

Pause? Für Led Zeppelin ist das zu Beginn ihrer Karriere ein Fremdwort. In gerade einmal drei Jahren veröffentlichen die Briten vier legendäre Alben, touren mehrfach um den Globus und spielen weltweit vor ausverkauften Häusern. Großbritannien, Nordamerika, Japan, Australien — und wieder von vorn. Ein wenig zur Ruhe kommen Led Zeppelin erst 1972, als sie mit der Aufnahme ihres fünften Albums Houses Of The Holy beginnen. Die Gruppe schlägt darauf experimentellere Wege ein und setzt auf aufwändige Arrangements und neue Einflüsse statt auf schnodderigen Hardrock-Sound. Doch wie genau kam es zu dieser Typveränderung — und hatten auch die Fans Freude an den neuen Led Zeppelin?

Houses Of The Holy: Ein Album unter anderen Umständen

Anfang der Siebziger ist das Bankkonto von Led Zeppelin bereits gut gefüllt — so gut, dass sich Gitarrist Jimmy Page und Bassist John Paul Jones ihre eigenen Heimstudios einrichten. Zum ersten Mal können die beiden Musiker ihre Ideen in aller Ruhe aufnehmen, noch einmal hören, bearbeiten und ergänzen. Dadurch werden die Songs ausgeklügelter als sonst — weg vom Bluesrock, hin zum AOR, wenn man so möchte. Als Led Zeppelin mit den offiziellen Aufnahmen von Houses Of The Holy beginnen, sind die vier Musiker deutlich besser vorbereitet als bei ihren vorherigen vier Alben. Zu gut, wie es scheint, denn die Band spielt mehr Songs ein als auf die Platte passen.

Während der Sessions zu Houses Of The Holy sammeln Led Zeppelin so viel Material, dass sie ein paar ihrer neuen Kompositionen für später aufbewahren müssen. Das betrifft zum Beispiel den Song Walter’s Walk, der erst 1982 auf der Zusammenstellung Coda erscheint. The Rover und Black Country Woman packen die Briten auf ihr sechstes Album Physical Graffiti (1975). Besonders kurios: Sogar den Titeltrack verschieben Led Zeppelin auf später, sodass der Song Houses Of The Holy nun nicht auf dem Album Houses Of The Holy zu finden ist, sondern ebenfalls auf dem Nachfolger Physical Graffiti. Trotzdem klingt Houses Of The Holy stimmig — auch wenn „Led Zep“ darauf einige Experimente wagen.

Da wäre zum Beispiel die Funk-lastige Nummer The Crunge, die man den Briten vorher wohl nicht unbedingt zugetraut hätte. Auch das Reggae-beeinflusste Stück D’yer Mak’er klingt nicht wie ein typischer Led-Zeppelin-Song. Genau das war das Ziel, wie Gitarrist Jimmy Page in dem Buch Light & Shade: Conversations With Jimmy Page erklärt: „Auch wenn alle ein zweites Led Zeppelin IV wollten: Es ist sehr gefährlich, sich selbst zu kopieren. Ich werde keine Namen nennen, aber jeder kennt Bands, die sich ewig wiederholen. Nach vier oder fünf Alben sind sie ausgebrannt. Bei uns hingegen wusste man nie, was als nächstes kommt.“

Eine Tour der Superlative — und der anschließende Burnout

Das gilt auch für die Tour zu Houses Of The Holy, mit der Led Zeppelin einmal mehr neue Live-Show-Maßstäbe setzen. Laser, Discokugeln, aufwändige Outfits, Pyrotechnik: Die britischen Rocker lassen sich nicht lumpen und feuern auf ihrer insgesamt dreimonatigen Tour aus allen Rohren. 55 Konzerte geben Led Zeppelin, darunter auch in Nürnberg, München, West-Berlin, Hamburg, Essen und Offenburg. Überall feiert wird die Band gefeiert; später ist sogar die Rede davon, dass die Tour der technische Höhepunkt der Gruppe gewesen sein muss. Doch der Preis ist hoch: Nach der Konzertreise sind Led Zeppelin so fertig, dass sie eine fast zweijährige Pause einlegen.

Was die Verkaufszahlen und den Erfolg von Houses Of The Holy betrifft, geht die Platte im Vergleich zum direkten Vorgänger Led Zeppelin IV beinahe unter. „Nur“ elffaches Platin gelingt den Briten bis heute mit dem Album; bei Led Zeppelin IV ist es mehr als doppelt so viel und auch der Houses Of The Holy-Nachfolger Physical Graffiti kann insgesamt 16 US-Platinveredelungen abräumen. Dennoch: Led Zeppelin zeigen sich auf Houses Of The Holy von ihrer erwachsenen Seite und das kommt an. Drei Alben bringen die Briten anschließend noch raus, bis der Tod von Schlagzeuger John Bonham die Karriere der Gruppe im Jahr 1980 beendet. Doch das ist wieder einmal eine andere Geschichte.

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Zeitsprung: Am 28.3.1985 tritt Alicia Keys zum ersten Mal im TV auf. Sie ist 4.

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Alicia Keys
Paola Kudacki/Sony Music

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 28.3.1985.

von Timon Menge und Christof Leim

Mehr als 150 Preise gewinnt Alicia Keys im Lauf ihrer Karriere, darunter 15 Grammys. Ihre Premiere im Showgeschäft feiert sie allerdings am 28. März 1985 in einer TV-Serie – mit vier Jahren.

Hier könnt ihr euch Here anhören:

Übernachtungsparty! Die kleine Tochter der Familie hat ihre Freunde und Freundinnen eingeladen, alle sind bestens gelaunt, vor allem als sie reihum mit dem Herrn Papa Rodeo spielen. Die Regeln: Wer sitzen bleibt, gewinnt. Ein Mädchen mit Lockenkopf kann sich trotz wildester Bewegungen halten und geht als Siegerin hervor. Vier Jahre alt ist die junge Schauspielerin in dieser Szene der Bill Cosby Show, ihr Name lautet Alicia Cook. Damals kennt sie niemand, heute schon…

In den Achtzigern kann man sich ein Fernsehprogramm ohne die Familie Huxtable kaum vorstellen. In acht Staffeln thematisiert die Sitcom das Leben einer afroamerikanischen Familie aus der Mittelschicht, die sich mit alltäglichen Situationen und Problemen auseinandersetzt. Dass dieses Format auch bei der weißen Bevölkerung gut ankommt, ist zu jener Zeit noch nicht selbstverständlich. Den Familienvater Dr. Heathcliff Huxtable gibt Schauspieler Bill Cosby, nach dem die Sendung auch benannt ist. (Heute ist Cosby weltweit und zurecht in Ungnade gefallen, weil er wegen dreifachen sexuellen Missbrauchs zu mehreren Jahren Haft verurteilt wird. Aber das ist eine andere, unschöne Geschichte.)

Wer ist Alicia Cook?

Diese kleine Alicia Cook, die da einen Gast der Übernachtungsparty der kleinsten Huxtable-Tochter Rudy spielt, lernen wir Jahrzehnte später unter einem anderen Namen kennen: Alicia Keys. Mit dem Auftritt in der Show feiert sie sozusagen ihren Einstand im Showgeschäft. Hier könnt ihr euch den Ausschnitt mit ihr angucken:

In einem späteren Interview mit der Teleschau erzählt Keys: „Ich erinnere mich vor allem daran, dass es ein wahnsinnig langer Tag war. Bis das alles abgedreht war, war es später Abend – und ich und die anderen Kinder waren so müde, dass wir irgendwann einfach auf dem Sofa eingeschlafen sind. Aber ich erinnere mich auch daran, dass es extrem witzig war. Bill Cosby war super. Und hey, immerhin habe ich beim Reite-Spiel auf seinem Knie gewonnen.“

Nur der Anfang

Gewinnen wird Keys nachher noch so einiges, nämlich mehr als 150 Auszeichnungen und 14 Platinschallplatten (allein in den USA). Mit Alben wie Songs In A Minor (2001), The Diary Of Alicia Keys (2003), As I Am (2007) und The Element Of Freedom (2009) räumt sie in den 2000er Jahren wirklich alles ab. Wer hätte 1985 gedacht, dass aus der kleinen Alicia Cook einer der größten Popstars des 21. Jahrhunderts wird?

Zeitsprung: Am 7.9.1984 sind die Jacksons auf Tour und Janet brennt durch.

 

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Zeitsprung: Am 27.3.1970 veröffentlicht Alice Cooper „Easy Action“.

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Alice Cooper Easy Action Cover

"Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 27.3.1970.

von Bolle Selke und Christof Leim

Die Rock’n’Roll-Welt steht nicht gerade in Flammen für die Alice Cooper Band, als sie am 27. März 1970 ihr zweites Album Easy Action veröffentlicht. Das könnte nicht zuletzt an der lustlosen Produktion liegen. Trotzdem bietet sich hier ein perfektes Zeitdokument einer sich entwickelnden Band, das man fast als Vorproduktion für den Meilenstein Love It To Death im folgenden Jahr ansehen könnte.

Hier könnt ihr euch Easy Action anhören:

Geneigte Fans und Hardrock-Aficionados wissen vermutlich, dass Alice Cooper für eine Band steht, die sich 1975 auflösen wird. Erst danach adaptiert deren Sänger Vincent Furnier den Namen und wird so zu einem hochgeschätzten Heavy-Metal-Entertainer und Gottvater des Shock Rock.

Psychedelische Scheißmusik

1970 allerdings stehen solche Superlative noch in weiter Ferne. Die Truppe schraubt an ihrem zweiten Album, das ebenso wie der Vorgänger Pretties For You bei Frank Zappas Plattenfirma Straight erscheinen soll. An den Reglern sitzt David Briggs, der heutzutage vor allem bekannt dafür ist, mehr als ein Dutzend Neil-Young-Alben produziert zu haben. Schlagzeuger Neal Smith sagt später über Briggs: „David hasste unsere Musik und uns. Ich erinnere mich, dass unsere Song für ihn ‚psychedelischer Scheiß‘ waren. Wenn man mich fragt, klang Easy Action zu trocken, eher wie eine TV- oder Radiowerbung. Er half in keiner Weise beim Arrangement der Lieder oder lieferte irgendwelchen positiven Input.“ Und so wird kein einziges der Stücke von Easy Action nach der Love It To Death-Tour jemals wieder live von Cooper aufgeführt.

Nichtsdestotrotz bezeichnen manche gerade diese Scheibe als das „große unentdeckte“ Cooper-Album. Während Pretties for You eine schwierige Platte ist und Love It to Death ein Klassiker, könnte man Easy Action als das perfekte Bild einer sich entwickelnden Band ansehen. Beim ersten Stück Mr. And Misdemeanor lässt sich zum Beispiel miterleben, wie Sänger Furnier seinen bösartig klingenden Gesangsstil definiert. Alice Cooper steht später für drei Minuten lange Hits mit eingängigen Melodien und negativen Themen, welche dann gegen Ende der Alben durch längere Stücke ergänzt werden. So gesehen liefern die Rocker mit Easy Action also fast eine Vorproduktion für Love It to Death, obwohl die Band auf ersterem mehr Erfindergeist zeigt.

Unisex, roh und gewalttätig

Hinter dem Albumtitel steckt eine Zeile aus einem Lieblingsfilm von Furnier und Bassist Dennis Dunaway, dem Musical West Side Story mit der Musik von Leonard Bernstein. Zitate daraus wie „got a rocket in your pocket“ und „when you’re a Jet, you’re a Jet all the way“ werden auch bei dem Song Still No Air verwendet. Das Motiv der halbstarken Gang aus West Side Story wird auch an anderen Stellen von Alice Copper aufgegriffen. Auf dem Cover wendet sich die Band von der Kamera ab, deren unbedeckte Rücken sind nur durch ihr langes Haar bedeckt. Eine Radiowerbung von 1970 pries die Band dann auch als „unisex, roh, miteinander und gewalttätig – genau wie ihr, amerikanische Mitbürger“.

Easy, Action!

Als ob die Band den fehlenden kommerziellen Erfolg von Easy Action geahnt hätte, beginnt der letzte Song, das psychedelisch abgedrehte Lay Down And Die, Goodbye, mit den Worten des Komikers Tom Smothers: „Ihr seid der einzige Zensor. Wenn euch das, was ich sage, nicht gefällt, habt ihr die Wahl: Ihr könnt mich ausschalten.“

Die Kritiker zerreißen das Album hauptsächlich. Robert Christgau bezeichnet es im Magazin The Village Voice als „unmelodisches Singen, unmelodisches Musizieren, unmelodische Melodien und pseudomusikalischen Beton“. Erst bei Love It To Death entdeckt die Band mithilfe von Produzent Bob Ezrin den Sound für den Alice Cooper heutzutage geliebt wird…

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