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Popkultur

„Sultans Of Swing“ von Dire Straits wird 45: Guitar George, glasklarer Strat-Sound und Twiddly Bits

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Mark Knopfler
Foto: Gijsbert Hanekroot/Redferns/Getty Images

Am 19. Mai 1978 erschien in Großbritannien jener Song als Single, der Mark Knopfler und seine Dire Straits weltweit berühmt machen sollte: Sultans Of Swing ist auch heute noch omnipräsent, Knopflers Gitarrenspiel beeinflusste Generationen an Gitarristen und Gitarristinnen.

 von Markus Brandstetter

Mark Knopfler kommt in einen leeren Pub. Die Stimmung ist mäßig, genau wie die Band, die gerade spielt. Die Jungs spielen Jazz, immerhin so halb beherzt. Der Applaus ist überschaubar, die berufliche Zukunftsperspektive der spielenden Gruppe eher außerhalb der Musikbranche zu suchen. Am Ende verabschiedet sich der Sänger der Gruppe mit den Worten „Goodnight and thank you. We are the Sultans of Swing“ — ein Name mit großem Humor in Anbetracht des Kontrasts zum Konzert an diesem Abend. Musikalische Erleuchtung hat der damals 28-Jährige durch die Band zwar keine, dafür die Idee für einen Song, der sein Leben verändern sollte.

 

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Im Gespräch mit AC/DC-Sänger Brian Johnson in dessen Serie A Life On The Road erinnerte sich Knopfler Jahrzehnte später humorvoll an den Abend und die Band. „Ich glaube, sie waren überrascht, dass sie drei oder vier Zuhörer hatten. Ich erinnere mich, dass ich sie gebeten habe, Creole Love Call oder Muskrat Ramble zu spielen… Ich glaube, sie waren erstaunt, dass jemand in der Kneipe war, der tatsächlich ein paar der Titel kannte“, so der Gitarrist. „Ich war nur da, um ein paar Bier zu trinken. Und am Ende des Abends sagt der Trompeter oder wer auch immer die Ansage macht: ‚Nun, ähm, richtig… Das war’s, es ist Zeit, nach Hause zu gehen‘. Und dann sagt er: ‚Wir sind die Sultans of Swing‘. Du konntest nicht weniger Sultan von irgendetwas sein, wenn du in dieser Band bist, in dieser Nacht, in diesem Pub”, erinnerte er sich lachend.

Der Song musste noch brodeln

Sultans of Swing entpuppte sich als Song, der kompositorisch noch etwas brodeln musste, um zu zünden — der dann aber richtiggehend explodierte und aus den finanziell strauchelnden Musikern Millionäre machen sollte. Als Knopfler den Song seinem Dire-Straits-Bandkollegen und damaligen WG-Kumpanen John Illsey vorspielte, war die Begeisterung noch überschaubar. Das narrative Grundgerüst war damals zwar vorhanden, die Akkordfolge aber noch eine ganz andere. Außerdem fehlte eine Schlüsselkomponente: Erst, als Knopfler das Geld für eine Fender Stratocaster zusammenkratzen konnte, ergaben sich die Puzzleteile zu einem ganzen. „Sobald ich sie auf meiner 61er Strat spielte – die viele Jahre lang meine Hauptgitarre blieb und im Grunde das Einzige war, was ich auf dem ersten Album spielte – wurde sie lebendig, und die neuen Akkordwechsel ergaben sich von selbst und fügten sich ein“, erzählte Knopfler im Interview mit Guitar World.

Irgendwann fand Knopfler also den zündenden Moment, die richtige Kadenz. „Eines Tages sagte er zu mir: ‚Erinnerst du dich an den Song, an dem ich neulich herumgetüftelt habe? Ich habe die Akkordstruktur komplett überarbeitet.’“, erinnerte sich Illsey gegenüber Louder Sound. Er hat ihn gespielt, und es klang ziemlich gut. Das Ganze ist unglaublich einfach, es ist die Spielweise, die es interessant macht. Es ist dieser rollende Rhythmus auf der Gitarre und ein sehr einfacher Ansatz für Bass und Schlagzeug. Dann ist es natürlich eine Geschichte. Seien wir mal ehrlich, alle guten Songs haben eine Geschichte.“

Die Band nahm Sultans of Swing 1977 als Demo auf und schickte es, mit vier anderen Demoaufnahmen, der BBC. Diese begann, dem Song Airplay zu geben. Die Dire Straits schlugen hohe Wellen, Plattenfirmen stritten sich um die junge Band. Die Wahl von Knopfler & Co. fiel auf Phonogram Records. Im Folgejahr ging man erneut ins Studio — und nahm jene Version auf, die auch auf dem gleichnamigen Album landete.

Die klingt so, wie wir wissen:

Guitar George, Harry und D-Moll

Zu Beginn verharrt die Band auf dem D-Moll-Akkord, Knopfler spielt mit glasklarem Stratocaster-Sound. Er nutzt kein Plektrum, spielt mit Daumen, Zeige-, Mittel- und Ringfinger, der kleine Finger dient meist als Anker. Die Akkordfolge ist klassisch, D-Moll, C, Bb und A. „You get a shiver in the dark / It’s raining in the park but meantime / South of the river you stop and you hold everything“, singt Knopfler. Dann kommt die Band — nicht die Dire Straits, die aus dem Pub — ins Spiel. „A band is blowing Dixie, double four time / You feel alright when you hear the music ring“, heißt es weiter.

Knopfler nimmt uns mit in den Pub, auch im Song ist er leer. Dann stellt er uns die Charaktere der Band vor. Da wäre Guitar George, der Typ, der alle Akkorde kennt und der sich nur diese eine, alte Gitarre leisten kann. Oder Harry, der ganz genau weiß, dass er es mit der Musik nicht weit bringen wird. Macht aber nix: Harry hat einen passablen Job und nimmt die Realität locker. Und weil wir gerade beim guten alten Harry sind: Der kann dafür den Honky Tonk spielen wie sonst nichts und spart sich das eben für Freitagnacht auf. Mit wem? Na mit den Sultans of Swing! Wären da nur nicht diese Jugendlichen, die sich leider so gar nicht um die anwesenden Sultane scheren: „Drunk and dressed in their best brown baggies and their platform soles/They don’t give a damn about any trumpet-playing band/It ain’t what they call rock and roll.’“, singt Knopfler.

Übrigens sind einige der Meinung, bei den Charakteren Harry und George handele es sich um Harry Wanda und George Young von den Easybeats. Das wäre gerade in Anbetracht des Knopflers-Interview mit AC/DC-Sänger Brian Johnson witzig, denn bei George Young handelt  es sich um den Bruder der AC/DC-Gitarristen Angus und Malcolm Young. Dies ist allerdings widersprüchlich zur Entstehungsgeschichte des Songs, soll als Randnotiz aber nicht unerwähnt bleiben.

Und dann das Solo!

Das ganze Stück lebt von Knopflers kurzen Solo-Fills. Immer wieder streut er Licks ein, kleine Verzierungen. Sein Spiel glänzt mit Zurückhaltung, Eleganz, Nonchalance. Mit Spannung, Synkopen, Pausen, grandiosen rhythmischen Gewichtungen. Mit einer Dynamik, die man in dieser Form eben nur mit Fingerpicking erreicht. Gleich zweimal setzt er zum Solo an, der Höhepunkte ist das zweite Solo mit seinem ikonischen Sechzehntel-Arpeggio. Wenn Knopfler das Stück heute live spielt, improvisiert er die Soli oft zu großen Teilen. Dieser eine Art, dieses schnelle Arpeggio, muss aber immer dabei sein, erklärt Knopfler — ohne wäre es für seine Fans einfach nicht Sultans of Swing.

„Wenn man im Studio etwas improvisiert, empfindet man es zu jener Zeit als gute Idee. Dann wird es Teil der Architektur des Stücks“, erklärte er beim Live-Konzert „An Evening With Mark Knopfler“ in 2009. An dem Abend erzählte er auch eine amüsante Anekdote. Er kam nach einem Konzert nach Hause und erzählte seiner Ehefrau Kitty, dass er Sultans of Swing gespielt , aber es irgendwie nicht gezündet habe. „Vielleicht sollte ich aufhören es zu spielen“, so seine Überlegung. „Nun, Darling, hast du diese Twiddly Bits gespielt?“ „Nein“, antwortete Mark. Kittys trockene Antwort: „Na, da liegt das Problem!“

Ohne Twiddly Bits kein Sultans of Swing also — und mitreißend diese Twiddly Bits auch 45 Jahre später noch sind!

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Zeitsprung: Am 12.8.1949 kommt Mark Knopfler (Dire Straits) zur Welt.

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