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Popkultur

Disney, Cole Porter und die Beatles: 60 Jahre „The Barbra Streisand Album“

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Barbra Streisand
Foto: Columbia Records/Michael Ochs Archives/Getty Images

Vergangenes Jahr feierte Barbra Streisand ihren 80. Geburtstag, jetzt ist das nächste Jubiläum dran: Vor genau 60 Jahren erschien ihr zeitlos schönes Debüt The Barbra Streisand Album – und stieß eine sagenhaft erfolgreiche, ungewöhnlich selbstbestimmte Pop-Karriere ins Rollen.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr The Barbra Streisand Album hören:

Wenn man bei Spotify heute nach Barbra Streisand sucht, dann kommt man irritierenderweise nicht etwa direkt auf die Seite der Künstlerin. Zuallererst stößt man da auf diesen unsäglichen Song Barbra Streisand des DJ-Duos Duck Sauce, der 2010 zum Millionen-Seller wurde. Wird der großen Streisand natürlich nicht gerecht: In den letzten 60 Jahren hat sie rund 150 Millionen Platten verkauft und als eine der ganz wenigen Künstler*innen sowohl Oscars, Grammys, Emmys und Tonys verliehen bekommen – also die größten Preise aus Film, Musik, Fernsehen und Musical.

Bloß keine Nasen-OP!

Dafür musste sie hart kämpfen. Früh drängt man sie zu einer Nasen-Operation, sagt ihr offen, sie sei hässlich. Barbra Streisand – die eigentlich Barbara Joan Streisand heißt – erobert sich ganz ohne chirurgische Hilfe einen Platz ganz oben im Pop-Olymp. Und kann heute sogar als Wegbereiterin von Künstlerinnen wie Taylor Swift gelten, wenn es um die Rechte an der eigenen Musik geht.

Zigaretten mit Neil Diamond

Streisand wird 1942 in Brooklyn geboren und wächst jüdisch auf. Nachdem sie als Teenagerin eine Inszenierung von Das Tagebuch der Anne Frank gesehen hat, erblüht in ihr der Wunsch, Schauspielerin zu werden. Im Schulchor singt sie mit Neil Diamond (und raucht in den Pausen Zigaretten mit ihm), fängt bald darauf an, in einem Theater zu jobben und kleinere Rollen zu übernehmen. Schon mit 16 wohnt sie allein und verdient ihr eigenes Geld, bittet eines Tages ihren damaligen Freund Barry Dennen, ihren Gesang aufzunehmen. Der erinnert sich daran, dass seine junge Freundin „eine der atemberaubendsten Stimmen“ hat, die er je gehört hatte.

Weniger Kohle, mehr Mitsprache

Bald darauf ist sie regelmäßig in New Yorks Nachtclubszene unterwegs, singt alte Broadway-Standards und diese merkwürdigen, weitgehend unbekannten Songs, für die sie immer ein Faible haben wird. Im Bon Soir Club nimmt sie im November 1962 zehn Songs auf, woraus eigentlich ihr Debüt entstehen soll. Es wird erst 60 Jahre später erscheinen. Stattdessen dockt sie trotz anfänglicher Skepsis von Labelpräsident Goddard Lieberson bei Columbia an und nimmt an nur drei Tagen Ende Januar 1963 ein Album auf, das noch heute als Goldstandard für feinsten Vocal Pop gelten darf.

Das Besondere daran ist der Deal, den die damals gerade 21-Jährige für sich sichert: Sie gibt sich mit einem niedrigeren Honorar zufrieden, stellt aber sicher, dass sie das ultimativ letzte Wort in Sachen Songauswahl hat. Eine damals visionäre und weitgehend ungewöhnliche Vorgehensweise. „Mir war egal, wie viel Geld ich bekam“, sagte sie der BBC 2021. „Ich wollte einfach nur die Songs singen, die ich wollte.“

Barbra gegen Columbia

Am 25. Februar 1963 erscheint ihr Debüt The Barbra Streisand Album. Von ihren Aufnahme-Sessions im Bon Soir Club ist nur noch das Titelfoto übrig geblieben – ergänzt um eine Schriftart, die Streisand noch auf 19 weiteren Alben nutzen wird. Schon beim Titel ihres ersten Albums wird deutlich, wie nötig dieser besondere Deal zwischen Streisand und Columbia ist: Das Label will dem Album den zotigen Titel Sweet And Saucy Streisand geben. „Ich erwiderte: ‚Wo ist denn da die Wahrheit? ‚Es ist das Barbra Streisand Album.‘ Wenn du mich im Fernsehen siehst, kannst du einfach in den Plattenladen gehen und nach dem Barbra Streisand Album fragen. Das leuchtet doch jedem ein.“

Columbia irgendwie nicht. Die nächsten 22 Jahre (und 13 Top-Ten-Platten!) muss sie sich immer wieder auf ihren Vertrag berufen, um nicht herumgeschubst zu werden. „Einmal verweigerten sie mir sogar die Bezahlung bis sich eine Platte zweieinhalb Millionen Mal verkaufte und einen Grammy mit nach Hause brachte“, erinnert sie sich eher amüsiert als pikiert. „Wenn du wirklich ein Künstler bist, musst du deinem Instinkt vertrauen.“

Disney, Cole Porter und die Beatles

Das tut sie schon auf ihrem Debüt. Sie versammelt wunderbare, wundersame, wunderliche Broadway-Nummern und wenig bekannte Musical-Standards, wird ihrer Disney-Liebe mit Who’s Afraid Of The Big Bad Wolf (aus Three Little Pigs) gerecht und singt Cole Porters wunderbar geistreiches, aber übersehenes Juwel Come To The Supermarket (In Old Peking). Cry Me A River ist eigentlich der Signature-Song von Julie London und der Broadway-Song A Taste Of Honey wird nur drei Wochen später auch von den Beatles für deren Debüt Please Please Me aufgenommen.

Streisands große Stimme kommt schon auf diesem Album zum Scheinen. Sie singt, als würden ihr die Worte gerade erst einfallen, mühelos, beschwingt, ohne Schwere und doch prägnant. Jeder Song fühlt sich an wie ein kleines Bühnenstück, tänzelnd, wiegend, drehend. Bei den sechsten Grammys gibt es unter anderem den Preis für das beste Album dafür, mehr als eine Million LPs gehen über die Ladentische. Nur sechs Monate später erscheint ihr zweites Album. Sein Titel? The Second Barbra Streisand Album. Man muss sie einfach lieben.

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Zeitsprung: Am 1.7.1998 heiratet Barbra Streisand mit Hilfe von White Zombie.

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