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Popkultur

„Rappers Deutsch“ von GLS United: Als Thomas Gottschalk und seine Crew den ersten Deutschrap-Song aufnahmen

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Foto: Cover

Fanta 4, Advanced Chemistry, die Jungs aus Hamburg – die können alle einpacken. Auf die Frage, wer Rap auf Deutsch erfunden hat, gibt es nur eine Antwort: GLS United!

von Michael Döringer

Ein neuer Sound

Man kann es nicht anders sagen: Es war ein historischer Moment, als im Jahr 1980 drei Radiomoderatoren zusammen ins Studio gingen un einen, ihren einzigen gemeinsamen Song aufnahmen. Rap, Hip-Hop, das waren damals noch völlig neue Begriffe, nicht nur hierzulande. Diese Musik und die dazugehörende Kultur war gerade erst dabei, sich auf den Straßen von New York zu entwickeln. All die Stereotype, die heute daran haften, gab es noch nicht. Auch Aufnahmen dieses neuen Sounds, der vor allem live und auf Block Partys zelebriert wurde, existierten so gut wie keine. Die erste amtliche Hip-Hop-Aufnahme ist Rapper’s Delight von der Sugarhill Gang, auch wenn es noch den ein oder anderen Funk-Song gibt, der stilistisch ähnlich vorgeht. Diese Single wurde 1979 zu einem weltweiten Erfolg, zum ersten Mal hörte man richtige Rapper im Radio. Genau diesen Song nahmen sich Thomas Gottschalk, Frank Laufenberg und Manfred Sexauer zum Vorbilld, als sie mit den Produzenten Harold Faltermeyer und Hans Scherer ihre deutschsprachige Interpretation der Sprechgesangmusik aufnahmen: Rappers Deutsch war geboren, ohne Zweifel der erste deutsche Rap-Track.

Abliefern, ohne Pakete

GLS United nannten sich die drei Musikspezialisten. Ihr Projekt war nicht etwa gesponsert vom gleichnamigen Paketdienstleister, sondern bezieht sich auf die Initialen der drei MCs Gottschalk, Laufenberg und Sexauer. Gottschalk war der neue Star des Jugendradios und schon ein bekanntes TV-Gesicht. Auch Laufenberg war eine Größe des Popradios und Manfred Sexauer schon ein paar Jährchen länger als Rundfunk-DJ dabei. Und das schlägt sich auch in Rappers Deutsch nieder. Worum gehts eigentlich im ersten deutschen Rap-Track?

Hip-Hop ohne Gangster

Rappers Deutsch ist Parodie und Hommage zugleich. Es greift den neuen Sound aus Amerika auf, amüsiert sich natürlich auch über diese komische neue Art des gereimten Sprechgesangs. Aber wie gesagt: Die ganzen Hip-Hop-Klischees mussten erst noch erfunden werden – die weiten Hosen und die Goldketten, die Gangster und die Bitches. In Rappers Delight gibt es zwar schon viel Street Slang, aber irgendwie geht es auch um nichts Konkretes. Was zählt ist die Wortakrobatik zu einem fetten Beat, der die Bassline und das Gitarren-Lick aus dem Chic-Song Good Times übernimmt. Selbst Sampling war noch keine übliche Technik, das Instrumental wurde einfach nachgespielt. Beste Voraussetzungen für unsere trendbewussten Rap-Pioniere vom deutschen Rundfunk: Thommy, Franky und Sexy nehmen sich den Beat und machen ihr ganz eigenes Ding draus – klassischer Rap-Move. Die im Original sehr, sehr oft auftauchenden Wörter rock, hip und hop, boogey nehmen sie zum Anlass, um einen Text über die Musikgeschichte zu schreiben und von ihrer Lieblingsmusik zu erzählen.

Von Rock ’n’ Roll bis New Wave

Laufenberg rappt über die 60er-Jahre:  „Hey, es ist schon lange her, ich weiß gar nicht mehr, wie es so richtig begann / Es war die Beatles-Zeit, der Mersey Sound, den ich einfach super fand.“ Seinen Vers kontert Sexauer mit einem Flashback in die Dekade davor mit ein paar denkwürdigen Bars, wie das im Rap-Vokabular so heißt:

„Mensch Frank halt dich fest, jetzt fang ich mal an, das hält’ste im Kopf nicht aus

Wenn ich von den 50er Jahren erzähl’ da kommen Geschichten raus

Da gab’s nen Hu-Hu-Hula Hoop, die Mädchen swingten heiß

Und für nen tollen Petticoat da zahlten sie jeden Preis“.

Und dann kommt Gottschalk, der junge Wilde. Sexauer bedauert noch den Niedergang der Musik während der 70er-Jahre („Heut’ singt der Ted [Herold] mit Lindenberg“) und fragt skeptisch: „Du Thomas, wo geht’s lang? Denkst du mit deinem New Wave-Kram machst du mich eher an?“ Und Thommy liefert richtig ab:

„Ich bin der New Wave-Man, Nic Nac-Man, kein Guru, kein Punker, kein Freak

Leg mich nicht auf irgendwas fest, ich hab die Scheuklappen dick

Der gute Discomann, so dann und wann, da bin ich immer dabei

Schau die Girls mir an auf der Rollerbahn, das gibt mir ‘nen bombigen Drive“

Die Fanta 3

Textlich ist Rappers Deutsch immer noch der absolute Knaller. Das geht nur, weil sich der parodistische Aspekt der Nummer auf kleine Blödeleien im Nachäffen des brandneuen Rap-Gesangs beschränkt. Meistens sind Hip-Hop-Parodien ja kaum zu ertragen und komplett unlustig. Eigentlich muss man das hier viel eher als Hommage verstehen. Nicht direkt an die neue Hip-Hop-Kultur, weil man von der ja kaum was wusste oder ahnte, wohin es gehen sollte. Sondern an die neueste Musik des Augenblicks. Man konnte sich noch für was begeistern. Da hatten GLS United schon einen guten Riecher, lange vor allen anderen. In einem Rückblick sagte Frank Laufenberg, dass man sich sich zuerst „Die Fantastischen Drei“ nennen wollte, doch das fand man dann doch zu arrogant. Schade eigentlich, denn das hätte nicht nur gut zu einem Kern-Charakteristikum späterer Rap-Posen gepasst, sondern hätte der Deutschrap-Gründergeneration auch noch in Sachen Bandnamen den Rang abgelaufen. Wie hätten sich die Fanta 4 wohl genannt, wenn es schon eine Rap-Gruppe mit dem Namen Die Fantastischen Drei gegeben hätte? Und wann kommt endlich die Deluxe-Reissue? Das Thomas-Gottschalk-Feature bei Capital Bra? Fragen über Fragen.

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