Grunge – Wie der Punk salonfähig wurde
Die Wurzeln des Punk waren in Amerika, und nach dem britischen Punkrock der späten 1970er ist es nur folgerichtig, dass die Musik den Atlantik in umgekehrter Richtung überquert und amerikanische Kids inspiriert, die ganz wild darauf sind, Bands nach dem Vorbild von dem, was sie in England gesehen und gehört hatten, zu gründen. Sonic Youth entstanden Mitte 1981, nachdem sie sich auf den Bandnamen geeinigt hatten: Sie kombinierten den Spitznamen von Fred ‘Sonic’ Smith von MC5 mit dem Reggaekünstler Big Youth. In Anbetracht ihrer Einflüsse ist es vielleicht keine Überraschung, dass die Band zunächst in Europa besser ankam als in ihrer Heimat New York City. Diese Situation setzt sich mit ihrem Album Dirty 1992 fort, mit dem sie in Großbritannien die Top 10 knackten und auch in anderen europäischen Charts auftauchten, während sie in den USA nur ganz knapp in die Top 100 kamen.
Neben Nirvana gab es noch eine zweite Band in Seattle, die den Grunge immer populärer machten: Soundgarden waren die erste Band aus der Stadt, die einen Deal mit einem Major Label unterschrieben – 1989 bei A&M. Louder Than Love, ihr erstes Album für das Label und ihr zweites insgesamt wurde als “MC5 und The Stooges treffen auf Led Zeppelin” beschrieben. Gitarrist Kim Thayil allerdings sagte damals, ihr Sound sei “genauso von britischen Bands wie Killing Joke und Bauhaus beeinflusst wie von Heavy Metal.”
Die kalifornische Band Blink 182 verwandelte Punk erfolgreich in Pop-Punk. Ihr Album Enema of the State von 1999 schaffte es in den USA in die Top 10 und ihr Video für die Single ‘What’s My Age Again?’, in dem sie nackt durch die Straßen von Los Angeles laufend zu sehen sind, verursachte genau das Maß an öffentlicher Aufregung, das eine richtige Punkband brauchte. Blink 182 nennen The Cure als großen Einfluss, aber ihre eher optimistischen Texte unterscheiden sie von reinem Punk. Was sie aber mit Punk gemeinsam haben, ist natürlich das Tempo ihrer besten Songs.
Punk gibt Hoffnung – damals genauso wie heute. Hoffnung, dass so ziemlich jeder mit genug Attitude ein Musiker werden kann. Vorher schien die Musik, vor allem Anfang der 1970er, irgendwie unerreichbar. Steve Jones von den Sex Pistols hat einmal gesagt: “Wir dachten, Musiker fallen vom Himmel.” Die Sex Pistols und andere wie The Slits, The Dickies und Eddie and The Hotrods zeigten, dass es möglich war. Fanzines wie Sniffin’ Glue waren gerne mit von der Partie und unterstützten noch den Punkmythos. …aber war es ein Mythos? Ein Punkfanzine brachte es mit einer Grafik der Akkorde A, E und G auf den Punkt. Daneben stand: ‘Das ist ein Akkord… das ist noch einer… und ein dritter… jetzt geh und gründe eine Band’
Bands wie The Damned und The Cure zeigten, dass es auch noch ein Leben nach dem Punkrock gibt und zusammen mit vielen anderen Bands, halfen sie der nächsten Musikergeneration auf die Sprünge; Discharge, Crass und Napalm Death, um nur drei Bands zu nennen, die aus der Punkbewegung hervorgingen und selbst sehr einflussreich waren. Nach der nackten Wut des Punk, kamen bekanntermaßen die New Romantics … alles ändert sich, Rock und Pop bleibt.
Dennoch wird der Punk länger in unserem kollektiven Gedächtnis nachhallen, als die meisten Musikgenres, besonders bei denen, die nach dem 31. Januar 1956, dem Geburtstag von Johnny Rotten (bzw. John Lydon), geboren wurden. Das war drei Tage nachdem Elvis Presley seinen ersten Auftritt im amerikanischen Fernsehen hatte … laut einiger amerikanischer Zeitungen war er “nothing more than a punk”.