Popkultur
Interview mit Emigrate: „Ich hatte das Gefühl, mit der Musik aufhören zu müssen“
Rammstein-Gitarrist Richard Z. Kruspe meldet sich mit dem vierten Emigrate-Album The Persistence Of Memory zurück. Darauf singt er mit Till Lindemann, stellt sich den Dämonen der Vergangenheit und macht sich mit monumentalem Industrial Rock bereit für die Zukunft.
von Björn Springorum
Hier könnt ihr The Persistence Of Memory hören:
Während die neue Rammstein-Single gerade erst für ihre Galaxiepremiere in den Weltraum geballert wurde, begibt sich Richard Z. Kruspe auf seine ganz eigene Reise: Für seine vierte Emigrate-Platte The Persistence Of Memory ist er tief in seine eigene Vergangenheit gereist. Von dort hat er viele alte Songskizzen, aber auch jede Menge Erkenntnisse über sich selbst mitgebracht. Und nutzt sein knalliges neues Industrial-Rock-Spektakel für den Schulterschluss zwischen gestern, heute und morgen.
2007, 2014, 2018, 2021… die Pausen zwischen den Emigrate-Alben wurden bislang jedes Mal kürzer. Wird dir Emigrate immer wichtiger?
Ich nehme das Verstreichen der Zeit gar nicht so wahr. Emigrate ist nicht nur eine eine musikalische Freiheit, sondern auch eine terminliche Freiheit. Es gibt keinen Plan. Doch nach der letzten Rammstein-Platte bin ich in ein wahnsinnig tiefes Loch gefallen, war verloren in meiner Welt. In mir tobten verschiedene Kriege und ich hatte das Gefühl, mit der Musik aufhören zu müssen. Ich sah einfach keinen Sinn mehr darin. Das war eine richtig harte Bruchlandung, die ich so noch nie erlebt hatte. In mir war eine richtige Leerelink. Selbst für uns war diese Stadiontour durchaus etwas Neues. Und wenn dir dann jeder erzählt, wie toll und gut du bist, ob das stimmt oder nicht, dann bist du wie auf einen Entzug, wenn es dann vorbei ist. Ich musste erst mal wieder auf den Boden kommen. Also floh ich in die Erinnerungen, in die Vergangenheit. So ist auch der Albumtitel The Persistence Of Memory zu erklären.
Was hast du in der Vergangenheit gefunden?
Ich stieß auf diese ganzen alten Songs und Ideen und betrachtete sie noch mal genau. Sie halfen mir dabei, mich wieder in die Gegenwart zu bewegen, um danach endlich wieder in die Zukunft schauen zu können. Eine Zeitreise zurück zur Inspiration, sozusagen. Vielleicht braucht diese Emigrate-Dekade einen Abschluss. Dieses Album ist vielleicht das Ende einer Ära, die Klammer, bevor etwas Neues beginnt. Vielleicht brauchte es diesen Blick zurück, um etwas Neues anzufangen.
Hast du den Richard von damals noch erkannt?
Teilweise. Manchmal war ich aber auch sehr verwundert. (lacht) Der Song Come Over war ein solcher Fall. Was hatte ich mir dabei nur gedacht? Ich erinnerte mich dann aber daran, dass mein Sohn einfach total auf dieses Lied abgefahren ist und es ganz viel in ihm bewegt hat. Dann habe ich den Song in seinem Sinne weitergeschrieben. Einen solchen Song hätte ich in der heutigen Zeit wahrscheinlich niemals so geschrieben, doch ich wollte die Vergangenheit auch nicht verleugnen. Also schrieb die Songs so um, dass der heutige Richard gut mit ihnen leben kann.
Wie viel wurde konkret umgeschrieben?
Stellenweise habe ich 80 Prozent oder mindestens um die Hälfte umgeschrieben. Die Musik war für mich eher der Motor aus der Vergangenheit, der mir aufzeigte, was ich damals erlebt hatte, um mich im Hier und Jetzt wieder zu inspirieren, weiterzumachen. Ich war so unmotiviert: Weshalb brauche ich das alles überhaupt noch? Man sagt ja immer, man soll im Moment leben, und das stimmt natürlich auch. Aber manchmal muss man auch die Vergangenheit verstehen, um weiterzumachen.
„Bei Rammstein muss ich mich dann immer wieder stoppen, wenn ich merke, dass ich schon wieder ein zweites Du hast schreibe.“
Mit Freeze My Mind gibt es auch den allerersten Emigrate-Song von 2001 auf dem neuen Album. Wie war wie war dein Leben damals – es war 9/11, mit Rammstein habt ihr Mutter veröffentlicht
Mein Leben war damals durch eine wahnsinnige Enttäuschung geprägt. Die resultierte daraus, dass ich mich unverstanden fühlte. Ich hatte diese Wut in mir, dieses Bedürfnis, es allen anderen zu zeigen. Es war wie ein Aufbruch in eine neue Welt und ich musste mich weiter bewegen. Es war durchaus auch ein Verlassen der der Komfortzone. Deswegen auch der Name Emigrate. Das hatte alles Sinn und Verstand. Ich glaube, die größte Motivation kommt immer daher, jemandem etwas beweisen zu wollen. Ob das die Eltern sind, ob das deine Kollegen sind oder ob das vielleicht du selbst bist. Es geht darum, seinen Wert zu fühlen.
Letzten Endes möchte man doch einfach, dass die Leute einen mögen, oder?
Man will gefallen, aber das kann auch eine große Falle sein. Gerade beim Schreiben. Man muss schon aufpassen, dass man nicht immer dasselbe erzählt. Das passiert bei Rammstein öfter als bei Emigrate, weil dieses Projekt gar nicht kommerziell ausgelegt ist. Ich muss damit kein Geld verdienen, und das fand ich immer sehr schön daran. Bei Rammstein muss ich mich dann immer wieder stoppen, wenn ich merke, dass ich schon wieder ein zweites Du hast schreibe.
„Ich kann auch bei Tag dunkel sein.“
Wann, wie und wo arbeitest du an Emigrate oder an Musik im Allgemeinen?
Ich habe mich früher immer über meine Arbeit definiert. Das konnte ich durch viele Therapien abstreifen. An Wochenenden oder spät abends arbeite ich überhaupt nicht mehr und will Zeit mit meinem Kind verbringen, wenn es bei mir ist. Ich brauche das Arbeiten während der Nacht nicht mehr. Ich kann auch bei Tag dunkel sein
Inwiefern profitiert Rammstein von Emigrate?
Immens. Emigrate hat viele Probleme gelöst, die es gar nicht hätte geben müssen. Bei Rammstein wollten einige immer so viel machen wie ich, konnten es aber nicht. Das führte zu Neid und Stress, was ich aber gar nicht nachvollziehen konnte, weil ich der Meinung war, die anderen wollten es so. Deswegen musste ich weg, musste ich nach New York ziehen, um mit Weitsicht auf die Dinge zu sehen und zu schauen, worum es eigentlich geht. Ich konnte all meine Energie in ein anderes Projekt fließen lassen, ich konnte mit ganz anderen Leuten arbeiten.
„Es gibt diese kleinen Kämpfe und Egos nicht mehr.“
Bei Always On My Mind kommt der diesmal einzige Gast des Albums zum Einsatz – Till Lindemann. Wie kam es dazu?
Lange Geschichte. (lacht) Unsere Plattenfirma wollte vor Jahren mal ein Elvis-Coveralbum machen. Ich fing an zu schreiben, verwarf es aber irgendwann wieder. Ich war aber so unfassbar fasziniert von Elvis‘ Stimme in diesem Song. Egal, welches Instrument ich im Studio hochgefahren habe: Sie hat sich immer durchgesetzt. Ich nahm mir also vor, den Song mit meiner Musik und seiner Stimme auf das Album zu packen und überlegte, wer diesen Song singen könnte. Iggy Pop? Michael Poulsen von Volbeat? Nur an Till habe ich irgendwie nie gedacht. Manchmal ist es eben einfach zu naheliegend. Dabei ist er schlichtweg der einzige, der so singen kann. Ich fragte ihn, er hatte Lust darauf und wir nahmen das Ganze letztendlich dann sogar als Duett auf, weil ich es so emotionaler fand.
Es herrscht also Harmonie zwischen euch?
Ich bin alt genug, um unsere Beziehung zu genießen. Es gibt diese kleinen Kämpfe und Egos nicht mehr, die da aufeinanderprallen. Jetzt geht es nur darum, dass man Spaß hat.
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Popkultur
Marie Fredriksson wäre 65 geworden: Die Roxette-Sängerin im Porträt
Sie sind der zweitgrößte schwedische Pop-Export, gleich hinter ABBA. Mehr als 30 Millionen Platten haben Roxette im Lauf ihrer jahrzehntelangen Karriere verkauft. Eins der beiden Gesichter der Gruppe: die viel zu früh verstorbene Frontfrau Marie Fredriksson. Sie wurde nur 61 Jahre alt. Das ist ihre Geschichte.
von Timon Menge
Hier könnt ihr euch einige der größten Hits von Roxette anhören:
Zur Welt kommt Gun-Marie Fredriksson am 30. Mai 1958 in der Nähe des schwedischen 200-Seelen-Dorfes Össjö. Als sie vier Jahre alt ist, verkaufen ihre Eltern den Bauernhof der Familie und ziehen in das geringfügig größere Östra Ljungby um. Weitere drei Jahre später stirbt Maries älteste Schwester Anna-Lisa bei einem Autounfall; der Schock in der Familie sitzt tief. „Danach war ich auf mich allein gestellt“, verrät Marie in einem Interview. „Ich war erst sieben Jahre alt.“
Maries Eltern arbeiten Vollzeit, können sich aber keine Kinderbetreuung leisten, weshalb Marie und ihre Geschwister viel Zeit zuhause verbringen. Sie lernen das Notenlesen, singen und üben auf verschiedenen Instrumenten. Dabei spielt auch der Pastor in Östra Ljunby eine zentrale Rolle, der die musikinteressierten Kinder unterstützt. „Ich habe sehr schöne Erinnerungen an Östra Ljungby, sogar nachdem meine große Schwester gestorben war“, erinnert sich Fredriksson. Ihre Musikbegeisterung wird sie nicht mehr verlieren.
Marie Fredrikssons musikalische Anfänge
Als Marie älter wird, entdeckt sie die Beatles, Joni Mitchell und Jimi Hendrix, schreibt sich mit 17 an einer Musikschule ein und komponiert Musik für die Amateurtheaterstücke ihrer Freunde. Das Problem: Keiner aus dem Cast hat einen ähnlichen Stimmumfang wie die junge Musikerin, weshalb sie sich schließlich selbst auf die Bühne stellt. Mit einem Musical, das Fredriksson mitkomponiert hat, tourt die Gruppe durch Schweden — und absolviert sogar einen Auftritt vor dem damaligen Premierminister Olof Palme.
Nach ihrem Abschluss im Jahr 1977 zieht Fredriksson nach Halmstad, wo sie in die Indie-Szene eintaucht und eine Punk-Band gründet — wie man das halt Ende der Siebziger so macht. Die Gruppe heißt Strul und mit ihr feiert Fredriksson ihre erste Erfolge. So spielt sie mit dem Projekt zahlreiche Konzerte und tritt im Fernsehen auf. Zu Beginn der Achtziger ist die Luft raus: Nach einem „desaströsen“ Konzert, das auch noch im schwedischen Radio übertragen wird, lösen sich Strul auf.
Marie Fredrikssons Karriere mit Roxette
Fredrikssons nächstes Projekt heißt MaMas Barn und die Gruppe teilt sich einen Proberaum mit der erfolgreichen schwedischen Gruppe Gyllene Tider. Dort spielt auch ein Herr namens Per Gessle mit — und er soll ein wichtiger Bestandteil von Fredrikssons Leben werden. Zunächst überredet der Gitarrist Fredriksson noch zu einer Solokarriere. Doch 1986 schließen sich die beiden zusammen und gründen eine Band, die Pop-Geschichte schreiben wird: Roxette.
Ob It Must Have Been Love, Listen To Your Heart oder The Look: Im Lauf ihrer jahrzehntelangen Karriere landen Roxette großartige Hits, werden zu Dauergästen in den Charts und feiern auch in Übersee große Erfolge — und das obwohl der amerikanische Ableger der Plattenfirma von Roxette dem schwedischen Duo damals bescheinigt hatte, nicht zum US-Markt zu passen. Sieben Hit-Alben veröffentlichen Roxette von 1986 bis 2001. Doch dann schlägt das Schicksal zu.
Marie Fredrikssons viel zu früher Tod
Als Marie Fredriksson am 11. September 2002 mit ihrem Mann Mikael Bolyos joggen geht, fühlt sie sich plötzlich unwohl. Sie bricht im Badezimmer zusammen, zieht sich dabei eine Schädelfraktur zu und erleidet einen epileptischen Anfall. Nicht „nur“ das: Bei der anschließenden Untersuchung kommt raus, dass sie an einem Hirntumor leidet. Er kann in einer aufwändigen Operation entfernt werden; anstrengende Chemo- und Strahlentherapien sind die Folge. Doch Fredriksson kämpft sich ins Leben zurück.
Gemeinsam mit ihrem Mann nimmt sie neue Musik auf, als eine Art Therapie. Das daraus resultierende Album heißt The Change, erscheint am 20. Oktober 2004 und gerät zu einem vollen Erfolg. „Es waren drei schwere Jahre, aber ich bin gesund“, meldet sich Fredriksson 2005 in einem Interview zurück. Roxette liegen zunächst auf Eis. Das ändert sich im Jahr 2009: Fredriksson und Gessle gehen wieder gemeinsam auf Tour. 2011 erscheint mit Charm School das erste Roxette-Album seit zehn Jahren; drei weitere Folgen.
Im Jahr 2019 wird offensichtlich, dass Fredrikssons Krebserkrankung nicht so besiegt ist wie gedacht. Am 9. Dezember lautet die traurige Nachricht: Marie Fredriksson ist im Alter von gerade einmal 61 Jahren verstorben. Sogar der schwedische König Carl XVI. Gustaf zollt der Sängerin seinen Respekt und sagt: „Für viele Menschen in unserem Land, auch in meiner Familie, ist ihre Musik eng mit Erinnerungen an besonders wichtige Momente im Leben verbunden.“ Sorgen wir dafür, dass die Erinnerung bleibt. Ruhe in Frieden, Marie.
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Popkultur
Zeitsprung: Am 30.5.1980 landet Gary Moores G-Force auf dem Rockplaneten.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 30.5.1980.
von Matthias Breusch und Christof Leim
Gary Moores Bandprojekt G-Force wird 1980 als heiße Nummer gehandelt. Aber der „Faktor Mensch“ ist unkalkulierbar. Das in Kalifornien entstandene Album erscheint am 30. Mai 1980 – und bleibt eine Zwischenlandung. Der nordirische Gitarrenhexer setzt seine Welteroberung in Europa fort.
Hier könnt ihr das Album hören:
Am Anfang steht ein großes Missverständnis. Der 27-jährige Gary Moore, seit mehr als einem Jahrzehnt furioser Gitarrist und zunehmend markanter Sänger, verlässt im Juli 1979 abrupt Thin Lizzy während der US-Tour zu die Black Rose und lässt sich in Los Angeles nieder. Dort tut er sich mit dem nur wenig älteren Engländer Glenn Hughes zusammen, der als virtuoser Bassist und Gesangsgenie seit seiner Zeit mit Deep Purple längst ganz oben angekommen ist. Beide sind begabte Songwriter, Moore hat 1978 mit Parisienne Walkways seinen ersten Meilenstein komponiert. Was soll da noch schiefgehen?
Alkohol!
Klären lassen lässt sich die Geschichte nie mehr so ganz, denn Hughes, der 1976 seinen musikalischen Zwillingsbruder und Deep-Purple-Kollegen Tommy Bolin nach dessen Drogentod zu Grabe getragen hat, sieht gesundheitlich zum Ausgang der Siebziger kaum Licht am Ende des Tunnels. Mehr noch: Es bleibt ein permanenter Filmriss, Blackout in Reinkultur. „Die Achtziger sind komplett weg“, erzählt er in späteren – nüchternen – Jahren immer wieder.
G-Force 1980 in London: Willie Dee, Gary Moore, Mark Nauseef und Tony Newton. Foto: Fin Costello/Redferns
Nichtsdestotrotz stellt Moore mit Hughes und dem nicht minder vielseitigen Schlagzeuger Mark Nauseef, mit dem er kurzzeitig bei Thin Lizzy gespielt hat, ein Trio zusammen. Diese Mannschaft bekommt noch vor den Aufnahmen seines ersten Albums das Angebot, mit den Shooting-Stars Van Halen auf große Amerika-Reise zu gehen. Die Tour findet statt, aber aus der Besetzung wird nichts. Schon nach den monatelangen Songwriting-Sessions und Proben offenbart sich: Hughes ist nicht in der Lage, eine Konzertreise durchzustehen. Nach einem Streit unter Alkoholeinfluss bricht das Gespann Moore/Hughes auseinander.
Röhren müssen glühen
Aus dem Trio wird ein Quartett. Mark Nauseef, der als umtriebiger Ex-Musikant von The Velvet Underground, der Ian Gillan Band und Ronnie James Dios Startrampe Elf über ein weit gesponnenes Netzwerk verfügt, engagiert zwei alte Bekannte: Keyboarder William Daffern alias Willie Dee unterstützt Gary bei den Vocals, den Bass bespielt Tony Newton, zuvor in Diensten von Jazz-Legende Tony Williams.
Nun weist Gary Moores mit musikalischen Perlen gespickte Laufbahn allerlei stilistische Richtungswechsel auf. Das Album G-Force ist eine frühe Blaupause dieser Kurvenstrecke, wenn auch nicht ohne Charme. Die Single Hot Gossip, wozu auch ein Clip gedreht wird (frech: Poser-Tony mit Doppel-Hals-Bass) schielt auf die Pop-Rock-Charts, You Kissed Me Sweetly hätte auch auf ein ELO-Album gepasst, und I Look At You erweist sich als echtes Fundstück für Liebhaber von Moores monumentalen langsamen Songs.
Die Nummer The Woman In Love mit Saxofon-Einlage erinnert schwer an die Fusion-Zocker The Tubes, Dancin‘ an die dünne Lizzy auf Koks, und mit White Knuckles/Rockin’ And Rollin’ lässt Meister Gary derart die Röhren in seinem Verstärker glühen, dass man nachvollziehen kann, warum die Nummer praktisch der finale Auslöser für seine mitreißende Hard-Rock-Karriere in den Achtzigern gewesen sein muss. Sie gehört für lange Zeit als festes Element in sein Live-Repertoire, was auch das Doppelalbum We Want Moore! von 1984 eindrucksvoll dokumentiert.
Schnelles Ende
Über die Veröffentlichung des Albums hinaus bleiben G-Force (zu Deutsch: Schwerkraft) lediglich als Liveband vorübergehend eine Einheit. Nach den Ready An‘ Willing-Tour 1980 im Vorprogramm von Whitesnake und den Gigs als Opener der 1981er-Van-Halen-US-Tour zieht Gary weiter: Zunächst als Partner von Greg Lake nach der Auflösung von Emerson, Lake & Palmer, ab 1982 geht dann sein Solo-Stern auf, teilweise basierend auf Ideen, die er bereits mit G-Force im Studio entwickelt hat.
Den Rest der Geschichte kennen wir. In den 1980ern avanciert er mit Nummern wie Out In The Fields, Empty Rooms, Shapes Of Things oder The Loner zum Hexenmeister der Stromgitarre, in den Neunziger zum König des „weißen Blues“. Festlegen lässt er sich jedoch nie. Auch sein experimentelles Album A Different Beat von 1999 gehört mit Songs wie Lost In Your Love in die Abteilung „Zwischenlandung“. Allerdings ohne jedes Missverständnis …
Zeitsprung: Am 26.3.1990 hat Gary Moore immer noch den Blues.
Popkultur
70 Jahre Danny Elfman: Die 10 legendärsten Stücke des Soundtrack-Hexers
Danny Elfman hat die Filmmusik geprägt wie wenige andere. Vom Score der Simpsons bis zu den verhexten Meisterwerken von Tim Burton: Zum 70. Geburtstag des Komponisten hören wir noch mal seine schönsten, genialsten, gespenstischsten Momente.
von Björn Springorum
Über 100 Filme hat Großmeister Danny Elfman in seiner Karriere vertont. Bislang. Als Haus- und Hofkomponist von Tim Burton setzte er dessen gotisch-morbide Schauerwelten musikalisch ebenso perfekt in Szene wie Werke von Sam Raimi oder Gus van Zandt. Vier Oscar-Nominierungen, zwei Emmys und einen Grammy gab es schon dafür. Zu seinem 70. Geburtstag am 29. Mai 2023 lauschen wir noch mal seinen schönsten Spukmelodien und Geisterliedern.
1. The Simpsons Theme (1989)
Ja, man kennt Danny Elfman eher für dramatische Spuk-Soundtracks voller gotischer Grandezza, doch der Titelsong der berühmtesten Zeichentrickserie stammt auch von ihm. Fun fact: Das ganz zu Beginn gesungene „The Simpsooons“ haben er und seine Freunde eingesungen. Der Legende nach gab es dafür mehr Tantiemen als für das Stück an sich. Gecovert haben das Theme unter anderem Green Day und Weezer.
2. Beetlejuice Intro Theme (1988)
Schon 1988 macht Danny Elfman klar, worum es ihm in seinen Soundtracks geht: Zu Tim Burtons Gruselspaß komponiert er eine ahnungsvolle Horror-Nummer mit den typischen Piano auf Zehenspitzen, den unheilvollen Bläsern und der generellen Stimmung von Mystik, Schalk und Tod. Düster, ja, aber immer mit einem schiefen Grinsen.
3. Batman Main Theme (1989)
Nach eher schrägen Soundtracks irgendwo zwischen gotischem Horror und Fifties-Big-Band wendet sich Danny Elfman für Tim Burtons Batman der dunklen Seite der Klaviatur zu: Sein Main Theme ist ein düster wallendes, dicht orchestriertes Stück voller Streicher und einschüchternder Bläser. Bis heute ein ikonisches Stück Soundtrackgeschichte, das den Oscar verdient hätte.
4. Alice’s Theme (2010)
Tim Burtons Alice In Wonderland ist ein einziger lysergischer Sturz in den Kaninchenbau. Dazu schneidert Danny Elfman in seiner zwölften Zusammenarbeit mit Tim Burton dem Film ein musikalisches Kleid, das perfekter nicht passen könnte: Verwunschen, geheimnisvoll, nicht von dieser Welt. Höhepunkt ist Alice’s Theme, dessen Chöre und Streicher sofort Gänsehaut verursachen.
5. Spider-Man Main Title (2002)
Lange vor dem Marvel-Wahnsinn mit immer mehr verwirrenden Spin-Offs, Sequels und Prequels hat Regisseur Sam Raimi einen bis heute packenden Spider-Man-Reboot vorgelegt. Die Musik zum Film mit Toby Maguire kommt natürlich von Ramis Kumpel Danny Elfman, der seine Trademarks hier um spitze Violinen, majestätische Chöre und ein monumentales Grundgefühl erweitert.
6. Ice Dance (1990)
Das vielleicht schönste Stück von Danny Elfmans persönlichstem Soundtrack ist das elegische, fragile, wunderschöne Ice Dance. Edward mit den Scherenhänden ist ja eh ein emotionales Meisterwerk, doch gerade durch die Musik wird der Film noch mal auf eine ganz andere, ganz und gar andersweltliche Ebene gehoben.
7. This Is Halloween (1993)
Ein ganz großer Klassiker, nicht nur zu Halloween: This Is Halloween ist einer der Glanzmomente in der Musik von Nightmare Before Christmas, diesem unerreichten Stop-Motion-Meisterwerk. Irgendwo zwischen Gothic-Kabarett und nostalgischem Weihnachtsfest, aber immer mit viel Gefühl. Wie der Film eben.
8. Sleepy Hollow Main Titles (1999)
Tim Burtons Gothic-Horror-Meisterwerk Sleepy Hollow ist ein blutiges Märchen, das in Sachen Ausstattung und Stimmung für immer einen Platz in den Herzen der Cineast*innen einnehmen wird. Die verhexte, beunruhigende, spannungsgeladene Musik von Danny Elfman fasst die entlegenen Wälder Neuenglands und den kopflosen Reiter in die richtigen Töne. Mehr melodramatische Gotik als hier geht definitiv nicht.
9. After Midnight (2002)
Ja, auch an Chicago war Danny Elfman als Komponist beteiligt. Der swingende Bar-Jazz von After Midnight ist ein ziemlich großer Kontrast zu seinen anderen Werken. Und irgendwie auch nicht: Er ersetzt eben einfach mal Streicher und Chöre durch Trompeten und Jazz-Drums, doch das Ergebnis ist immer noch nicht ganz von dieser Welt.
10. Wednesday Main Titles (2022)
Wenn Tim Burton schon mal eine Serie um einen Spross der Addams Family macht, dann darf sein Freund Danny Elfman natürlich nicht fehlen. Zur erfolgreichsten Netflix-Serie aller Zeiten spendiert er Hauptcharakter Jenna Ortega ein ikonisches Hauptmotiv, das sowohl an die alten Addams-Family-Episoden erinnert als auch modernsten Horrorspuk in Töne fasst.
Bonus: Private Life (1982)
Einen gibt es noch als Bonus: Bevor Danny Elfman die Kinozuschauer*innen mit seinen Scores verzauberte und verängstigte, spielte er in einer Ska-/Wave-Band namens Oingo Boingo. Dort lebt er sich sehr experimentell aus, singt, spielt Gitarre und schreibt alle Songs. Coole Mucke, keine Frage. Wir sind dennoch nicht böse, dass Elfman dann bald die große Leinwand ins Visier genommen hat.
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