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Popkultur

Interview mit Wanda: „Vergänglichkeit spielt für mich eine große Rolle“

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Wanda
Titelfoto: Frank Hoensch/Getty Images

Die Veröffentlichung des neuen Wanda-Albums wird vom Tod des Keyboarders Christian Hummer überschattet. Losgelöst davon versammeln die Wiener auf Wanda einige ihrer stärksten Beispiele für den ureigenen morbiden Bänkel-Rock.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr euch das neue Wanda-Album anhören:

Es hätte alles so schön sein können. Mit ihrem fünften Album Wanda feiern die Wiener sich selbst auf ihre unerreicht morbide Art. Zugleich blicken sie auf zehn beispiellos erfolgreiche Jahre zwischen Rausch, Höhenflug und Amore zurück. Dann, wenige Tage vor Veröffentlichung des Albums, stirbt Keyboarder Christian Hummer nach schwerer Krankheit. Was bleibt, ist ein Vortex, in dem jetzt mit Wanda urplötzlich ein Abschiedsbrief für den engen Freund und Wegbegleiter herumgeistert. Das Interview mit Sänger Marco Wanda führten wir bereits im August 2022.

„Man hat uns damals versprochen, dass ein Hype auch irgendwann wieder aufhört“

Marco, ihr feiert 2022 zehn Jahre Wanda. Was macht diese Zahl mit dir, wenn du mal ein wenig Bilanz ziehst?

Es ist so schnell vergangen! Wir hatten ja kaum Zeit, das alles sacken zu lassen. Erst in der Pandemie konnten wir zurückschauen und mal reflektieren, was alles passiert ist. Man hat uns damals versprochen, dass ein Hype auch irgendwann wieder aufhört. Aber das ist nie passiert. (lacht)

Wie hast du euren Aufstieg erlebt? Es ging ja schon ab 2014 mit „Amore“ steil bergauf…

Eher rauschhaft, machtlos. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich diese Karriere jemals hätte selbst steuern können. Es ist einfach passiert. Wir wurden mitgenommen, lenken konnten wir dieses Schiff nie. So eine Karriere ist ja aber eh etwas Aberwitziges. Da kommen tausend Zufälle zusammen. Die richtigen Menschen zur richtigen Zeit kennengelernt, bestimmte Dinge bewusst gemacht oder nicht gemacht…

„Ich versuchte wie ein Alchemist, die Weltformel für einen Nummer-Eins-Hit zu finden“

Besonders richtig war ja wohl auch die Nummer Columbo, die in Österreich auf die Eins ging.

Im Gegenteil! Das war eigentlich das Schlimmste, das uns passieren konnte. Da habe ich richtig Druck verspürt und dachte, das jetzt sofort wiederholen zu müssen. Ich versuchte wie ein Alchemist, die Weltformel für einen Nummer-Eins-Hit zu finden, schrieb und schrieb wie im Fieberwahn. Es klappte nicht, und das fraß mich anfangs auf. Aber ich glaube, dann haben wir mit Ciao alles richtig gemacht: Eine Platte, die absichtlich floppt. (lacht)

Wie lernt man aus so etwas?

Indem man versucht, mehr Kontrolle zu erlangen. Erstmals in unserer Karriere fragen wir uns, was wir wollen. Welchen Stellenwert diese Band in unserem Leben haben soll. Wie viel Raum Wanda einnimmt oder weiterhin einnehmen soll. Das Ergebnis war eindeutig: Eine derartige Lust auf alles, was kommt, habe ich bei uns noch nie verspürt. Es fühlt sich nicht an wie zehn Jahre Wanda, es fühlt sich an wie das erste Jahr. Und wir freuen uns auf die nächsten 20 Jahre.

Trägt euer wunderbares neues Album deshalb auch ganz einfach den Namen der Band?

Auch. Da steckt viel drin. Musikalisch ist es ein Rundumschlag mit allem, was wir bislang gemacht haben.

„2012 war ich ein überforderter Mensch“

Als Sänger einer unbekannten, wenig erfolgreichen Band lebt und textet es sich gewiss anders als als Sänger einer sehr erfolgreichen Band. Welche Veränderungen hast du in dir und in deinen Texten entdeckt, seit Wanda erfolgreich ist?

Damals war ich ein Mystiker und ein Dichter. Heute interessiert mich viel mehr die Musik und das Geschehen auf der Bühne. 2012 war ich ein überforderter Mensch, der viele Altlasten aus seinem früheren Leben mit sich herumschleppte. Heute bin ich ein ruhigerer Mensch. Es ist mittlerweile sehr okay, ich zu sein. Ich fühle mich in meiner Gesellschaft zumindest nie gelangweilt. Textlich entdecke ich keine allzu großen Verschiebungen. Ich glaube, ich hatte schon auf Amore alles beisammen, was ich auch heute noch einsetze.

Zum Beispiel?

Vergänglichkeit. Die spielt für mich immer wieder eine große Rolle. Ich schreibe Songs für mich und für andere Menschen, und wir alle werden eines Tages sterben. Es ist nicht leicht für mich zu akzeptieren, dass wir sterblich sind.

Du hast mal gesagt, dass du dich an weite Strecken der letzten zehn Jahre nicht erinnern kannst, weil du immer betrunken warst. Wie steht es heute um deinen Hedonismus?

Hedonismus finde ich in Zeiten wie diesen sowieso seltsam. Ich trinke, ja, aber zum Beispiel nicht mehr unbedingt zügellos vor einer Show. Unsere Fans haben uns durch zwei Jahre Pandemie getragen, da haben sie es auch verdient, die bestmögliche Show von uns zu bekommen.

Klingt ja fast nach Läuterung…

Ich kann nur mit Dankbarkeit annehmen, dass ich das machen darf, was ich liebe. Vor diesem Umstand stehe ich baff und demütig da, und das eigentlich jeden Tag. Wir erschaffen etwas, das den Menschen etwas bedeutet. Bei Konzerten merke ich, dass mein Tun einen Wert hat und nicht nur meiner eigenen Befriedigung dient. Das ist das Schönste.

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