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Popkultur

John Lee Hooker – Sein Leben in 10 Songs

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Wer in seinem Leben augenscheinlich mehr gesungen hat, als irgendetwas anderes zu machen, der sollte auch genau so beschrieben werden. Nein, nicht mit Gesang – aber durch seinen Gesang. Mit seiner Musik. John Lee Hooker ist mit über 200 Songs in einer gut 50 Jahre langen Karriere ein astreiner Kandidat dafür. Der gute Mann hat wahrscheinlich selbst seinem Friseur in Blues-Rhythmik erklärt, wie er denn sein Haar geschnitten haben möchte. Grund genug, sich in einer der einflussreichsten Blues-Karrieren mal das anzusehen, was wirklich zählt: Songs!


Hier sind die Songs von John Lee Hooker in einer Playlist zusammengefasst:


1. Boogie Chillen, 1948

 

Manchmal wird Spontanität doch belohnt, obwohl Spontanität bei unserem ersten John Lee Hooker Song wohl eher eine gezwungene Maßnahme war. Wir schreiben das Jahr 1948, es ist September und John Lee Hooker verbringt bereits einige Tage im United Sound Studio in Detroit. Das letzte Jahrzehnt war gespickt von kommerziell eher mäßig erfolgreichen Aufnahmen und die Arbeit im Studio sollte endlich den Durchbruch bringen. Die Aufnahmezeit war für drei Stunden angesetzt – wohl gemerkt für vier Songs! Eine Zeit, in der Musiker es heute nicht einmal schaffen, ihr Equipment vom Van in den Aufnahmeraum zu räumen. Aber wenn man nur mit einer Gitarre unterwegs ist, hat man etwas leichteres Spiel. Jedenfalls ließ sich Produzent Bernhard Besman bei den ersten drei Titeln nicht hetzen, sodass bei Song Nummer vier – Boogie Chillen – das Studienarbeits-Prinzip griff: Ich habe ein Motivationsproblem bis ich ein Zeitproblem bekomme. Aber gut, dem Erfolg des Songs konnte das jedoch nichts anhaben. Er verkaufte sich rund eine Millionen mal.


Schaut euch hier eine Live-Version von Boogie Chillen an:


2. I’m In The Mood, 1951

Oh ja, wer in den richtigen Blues Mood kommen möchte, ist bei diesem Song an der richtigen Adresse. Aber dieser Song lässt nicht nur jeden einsamen Whisky in einer verrauchten Kellerbar besser schmecken, er spiegelt auch wunderbar John Lee Hookers Stilmittel wieder, die sich durch seine ganze musikalische Karriere ziehen. Stampfender Beat und abgebrochene Reime. Hier mal ein kleines Songtext Beispiel:

Every time I see you, baby, walking down the street

Know I get a thrill now, baby, from my head down to my toes

Verfechter wohlklingender Endreime sind an dieser Stelle wahrscheinlich nicht die größten Fans, aber hier geht es schließlich auch nicht um klassische Lyrik. I’m In The Mood ist ein Blues Klassiker und zählt bis heute zu den meist verkauften Blues Aufnahmen aller Zeiten.


 Schaut euch hier eine Live-Version des Songs gemeinsam mit Bonnie Raitt an:


3. Nothin’ But Trouble, 1954

Da der gemeine Blues-Musiker Mitte der 50er für eine Platte noch in ein richtiges Aufnahme-Studio gehen musste, anstatt seine Gitarre einfach nur in den Laptop zu stöpseln, waren es auch immer diese Studios, diese heiligen Hallen, die den Songs Atmosphäre gegeben haben. Dieser Vibe kam im Falle von John Lee Hooker vor allem aus dem United Sound Studio. Der Ort, der die musikhistorisch wichtigsten Stücke des Künstlers auf Vinyl bannte. Bis 1954, im Oktober.

In diesem Monat spielte er die letzte Session in dem Detroiter Studio und nahm die Stücke Nothing’ But Trouble, Odds Against Me, I Need Love So Bad und Don’t Trust Me auf. Und warum ihr jetzt ausgerechnet Nothin’ But Trouble hören sollt? Gute Frage, wir finden den Song einfach ziemlich gut!


Hört euch hier den Song an:


4. Dimples, 1956

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Neues Label, neues Glück! Vee-Jay Records, Hookers neues Plattenlabel, sah in ihm den neuen Jimmy Reed und statteten ihn auch sogleich mit Reeds eigener Backing Band aus. Merkmal eines einzigartigen Künstlers ist aber – nun ja – die Tatsache, dass er eben einzigartig ist. Das mussten auch die Musiker feststellen, die sich glücklicher Weise bald Hookers Stil anpassten. Eine weise Entscheidung, denn mit der Aufnahme von Dimples landete unsere Blues Ikone seinen ersten Chart-Erfolg auf der Britischen Insel. Und einen der bis heute beliebtesten und am meisten gecoverten John Lee Hooker Titel!


Schaut euch hier einen kurzen Ausschnitt samt Tanzeinlagen an:


5. Boom Boom, 1962

Der Song mit diesem komplexen Titel sollte zwar – vom Songwriting ausgehend – im Blues-Regal stehen, ist aber aus unserer Popmusik Geschichte nicht mehr wegzudenken. Anfang der 60er Jahre veröffentlicht, taucht er dreißig Jahre später wieder in den UK Charts auf, wird von der Rock and Roll Hall of Fame auf der Liste „Songs That Shaped Rock and Roll“ geführt und schließlich 2009 in die Hall of Fame der Blues Foundation aufgenommen.

Absolutes Pflichtprogramm für jede auch nur ansatzweise ambitionierte Blues-Coverband und aus unserer kleinen Chronologie hier natürlich ebenfalls nicht wegzudenken!


Schaut euch hier einen TV-Auftritt von 1960 mit dem Song an:


6. One Bourbon, One Scotch, One Beer, 1966

John Lee Hookers Interpretation dieses Blues-Klassikers lässt Grund zur Annahme, dass während der Aufnahme wahrscheinlich mehr als nur ein Glas der im Songtitel angeführten Seelentröster im Spiel waren. Hookers singt sein eigenes Ding, bleibt im Refrain rhythmisch bei der Band und entgleitet in den Strophen immer wieder dem altbekannten Blues Pattern. Eine wirklich interessante Spannung, aber ob das so gewollt war oder ob Hooker sich etwas zu sehr vom Songtitel hat inspirieren lassen, werden wir wohl nie erfahren…


Schaut euch hier One Bourbon, One Scotch, One Beer Live in Montreal:


7. The Motor City Is Burning, 1967

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An dieser Stelle müssen wir uns gleich mit zwei Versionen dieses Songs auseinandersetzen. Klar, das Original wurde von John Lee Hooker geschrieben, eine Cover-Version hat den Titel an dieser Stelle aber erst erwähnenswert gemacht. Mehr als erwähnenswert, denn die Band, die The Motor City Is Burning gecovert hat, war MC 5. Gemanagt von John Sinclair, eine Band, die immer wieder mit der umstrittenen linksradikalen White Panther Party in Verbindung kam.

Richtig interessant wird dabei – abseits der politischen Ebene – dass die Cover-Version im Rockgewandt ein echter Erfolg war! Und zwar so sehr, dass John Lee Hooker als Reaktion selbst mal etwas härter in die Saiten schlug.


Hört euch hier den Song an und lest weiter:


8. The Healer, 1989

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Höhen und Tiefen – in den 50ern und 60ern strahlte mit John Lee Hooker ein neuer Stern am melancholischen Blues-Himmel. Aber die Zeit schritt voran und Hooker blieb etwas zurück. Und obwohl er auch in dieser Zeit fleißig Songs schrieb, war er nur noch selten in der ersten Reihe zu sehen. Soweit wäre das bekannt. Aber war das alles? Ein langsames, leises Verschwinden von der Bildfläche?

Da es sich hier eindeutig um eine Suggestivfrage handelt, lassen wir die Katze gleich mal aus dem Sack: Natürlich nicht! Ende der 90er holte sich Hooker prominente Verstärkung, unter anderem von Carlos Santana und Bonnie Raitt, und veröffentlichte das Album The Healer, das sich bescheidene 40 Wochen lang in den US Charts hielt. Der gleichnamige erste Titel des Albums sei an dieser Stelle mal zum Reinhören empfohlen.


Schaut euch hier Hooker und Santana beim Performen des Songs an::


9 Mr Lucky, 1991

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Ohne jetzt Verwirrung stiften zu wollen, aber wir haben hier wieder Song und Album mit gleichem Titel. Und das ist nicht die einzige Parallele. Nach dem Erfolgsrezept des Vorgänger-Albums trommelte Hooker wieder eine ganze Reihe namhafter Musiker zusammen, die mit der Blues-Legende nicht nur hervorragend harmonierten, sondern auch ein Album schafften, das den Blues-Standrad wieder mal nach oben korrigierte.

Das Songwriting war anscheinend so einflussreich, dass sich selbst die Kollegen von Depeche Mode inspirieren ließen. Und die würde man ja nun wirklich nicht in die Blues-Ecke stellen. Da passt Dave Gahans Tanzstil beim besten Willen nicht.


Scheut euch hier einen Live-Mitschnitt des Songs gemeinsam mit Robert Cray an:


10 I’m Bad Like Jesse James, 1992

Ein Song, der zusammen mit dem dazugehörigen Album einen bemerkenswerten Eintrag in John Lee Hookers Post-Comeback Discographie darstellt. Seine Vorgänger Alben waren allesamt für Blues-Verhältnisse dick und aufwändig produziert. Nach modernen Standards eben. I’m Bad Like Jesse James ist viel dünner, puristischer und klingt wieder nach Hookers Wurzeln. Am Ende kommt eben jeder irgendwie wieder nach Hause. Und sei es in der Musik.

Übrigens: Der belesene Blues-Liebhaber sollte grade ein Déjà-vu haben – denn besagtes, puristischer produziertes Album heißt Boom Boom. Richtig, genau wie der Song aus den 60ern. Und genau dieser Song eröffnet auch das Album. Warum? Ein nicht ganz unbekannter Jeans Hersteller hatte in Großbritannien die Idee, einen Werbespot genau mit diesem Song zu hinterlegen. Und als darauf Boom Boom die UK Charts stürmte, wurde der Titel neu aufgelegt und wieder veröffentlicht.


Hier könnt ihr euch ein Video des Songs anschauen:


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Popkultur

„Monsters Of California“: Alles über den UFO-Film von Blink-182-Sänger Tom DeLonge

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Tom DeLonge HEADER
Foto: Christopher Polk/Getty Images

Blink-182-Fans wissen: Frontmann Tom DeLonge hat nicht nur ein Faible für Rock, sondern auch für Roswell. Schon seit vielen Jahren interessiert er sich für UFOs, außerirdische Lebensformen und alles, was damit zu tun hat. Mit Monsters Of California bringt er bald seinen ersten Film raus. Und darin geht es natürlich um …

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch Nine von Blink-182 anhören:

… genau. In Monsters Of California hängt der Teenager Dallas Edwards am liebsten mit seinen verpeilten Freund*innen herum. Eines Tages findet die südkalifornische Clique zufällig einige Unterlagen von Dallas’ Vater, die darauf schließen lassen, dass er beruflich mit mysteriösen und paranormalen Ereignissen zu tun hat. Die Jugendlichen verknüpfen ihre Erkenntnisse miteinander, stellen Theorien auf — und werden auf einmal von uniformierten Männern mit Maschinengewehren umstellt. Spätestens jetzt wissen sie, dass etwas Großem auf der Spur sind. Doch sie haben natürlich noch keine Ahnung, wie groß ihre Entdeckung wirklich ist …

Tom DeLonge: Pop-Punk-Ikone und UFO-Fan

Die meisten kennen Tom DeLonge als Sänger und Gitarrist der erfolgreichen Pop-Punks Blink-182. Doch der Kalifornier ist auch ein ausgewiesener Alien-Fan, der sich in seiner Freizeit ausgiebig mit UFO-Sichtungen, Area-51-Theorien, außerirdischen Lebensformen und paranormalen Aktivitäten beschäftigt. (Mit dem Song Aliens Exist vom Blink-182-Album Enema Of The State brachte er DeLonge beiden Leidenschaften 1999 unter einen Hut — und genau diese Nummer ist natürlich auch im Trailer von Monsters Of California zu hören.) Immer wieder hinterfragt und forscht er im Namen der Wissenschaft nach Aliens und sucht Erklärungen für diverse Verschwörungstheorien. Schräg, oder?

DeLonges Engagement geht so weit, dass er am 18. Februar 2017 zum Beispiel den „UFO Researcher of the Year Award“ von OpenMindTV verliehen bekam. 2015 erzählte er in einem Interview von einer mutmaßlichen Begegnung mit Außerirdischen — während eines Camping-Trips nahe der sagenumwobenen Area 51. „Mein ganzer Körper hat sich angefühlt, als sei er statisch aufgeladen gewesen“, versicherte der Sänger. Auch Freunde von ihm könnten über Begegnungen mit Aliens berichten. Außerdem verfüge er über Regierungsquellen und auch sein Telefon sei aufgrund seiner Forschungen schon abgehört worden. Wenn er meint …

Monsters Of California: Wann startet der erste Film von Tom DeLonge?

In den USA läuft Monsters Of California am 6. Oktober 2023 an, doch wann der Streifen in Deutschland erscheinen soll, ist bisher nicht klar. So oder so: Der Trailer verspricht mindestens einen unterhaltsamen Kinobesuch — nicht nur für Blink-182-Fans.

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blink-182: Alle Studioalben im Ranking

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Popkultur

Zeitsprung: Am 29.9.1986 trumpfen Iron Maiden erneut auf mit „Somewhere In Time“.

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Foto: Cover

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 29.9.1986.

von Christof Leim

In den Achtzigern stürmen Iron Maiden von einem Triumph zum nächsten. Dabei reiben sie sich fast bis zur Überlastung auf, halten aber konsequent Kurs und Niveau und entdecken neue Sounds. Am 29. September 1986 erscheint Somewhere In Time – und Eddie wird zum Cyborg.

Hier könnt ihr das Album hören:

Die Geschichte von Somewhere In Time beginnt mit völliger Erschöpfung. Kann nach einer Welteroberung schon mal passieren: 1984 hatten die fünf Briten auf der World Slavery Tour elf Monate lang in 28 Ländern auf vier Kontinenten gespielt – und zwar satte 193 Shows vor geschätzten 3,5 Millionen Fans. Der Preis: Bruce Dickinson (Gesang), Steve Harris (Bass), Dave Murray (Gitarre), Adrian Smith (Gitarre) und Nicko McBrain (Schlagzeug) sind fix und fertig. Deshalb fordern die Musiker sechs Monate Pause. Daraus werden zwar nur vier, doch zum allerersten Mal seit Jahren steht die Maiden-Maschine ein Weilchen still. 

Neues Spielzeug

Die Konsequenzen hört man: Harris, Smith und Murray experimentieren mit Gitarrensynthesizern, mit denen sich Keyboardsounds über die Gitarre und den Bass erzeugen lassen. Dickinson indes zweifelt an seiner Motivation und will musikalisch in eine andere Richtung. Er komponiert vor allem akustisches (also stromloses, ruhiges) Material, das von den Kollegen und dem Produzenten aber abgelehnt wird. Der Sänger zeigt sich verletzt, freut sich aber darüber, für eine Weile „nur“  singen zu müssen. Für ihn springt Adrian Smith in die Bresche und liefert im Alleingang mehrere fertige Tracks, die auf einhellige Begeisterung stoßen und Somewhere In Time maßgeblich prägen sollten.

Futuristische Fahrzeuge, klassische Patronengurte: Iron Maiden auf dem Pressefoto für „Somewhere In Time“ – Foto: Aaron Rapoport/Promo

Erst im Januar 1986 geht es zurück ins Studio, genauer: in mehrere Studios. Drums und Bass nehmen Iron Maiden in den Compass Point Studios auf den Bahamas auf, in dem auch AC/DC Back In Black eingespielt hatten. Gitarren und Gesänge bringen die Musiker in den Wisseloord Studios im niederländischen Hilversum auf Band, abgemischt wird schließlich in den Electric Lady Studios in New York. Damit wird Somewhere In Time nicht nur zum teuersten Album der bisherigen Bandkarriere, sondern auch zum technisch ambitioniertesten. Wie für die Beständigkeit in der Maiden-Welt der Achtziger typisch, ändert sich an der sonstigen Formel wenig. Die Produktion übernimmt ein weiteres Mal Stammproduzent Martin Birch.

Fünf Minuten mindestens

Somewhere In Time erscheint am 29. September 1986 und steigt in Großbritannien auf Platz drei ein. In den USA schafft die Band mit Platz elf ihre bis dato beste Platzierung. Auf dem Cover prangt natürlich das unvergleichliche Iron Maiden-Monster Eddie in einem aufwändigen Science-Fiction-Gemälde. Schon im Intro der ersten Nummer, dem vom Film Blade Runner inspirierten Quasi-Titelstück Caught Somewhere In Time aus der Feder von Steve Harris, hören die Fans die besagten Gitarren-Synthesizer. Doch am grundsätzlichen Stil von Iron Maiden hat sich nichts geändert. Es galoppiert der Bass, wie es sich gehört, die Gitarren riffen, und Dickinson lässt seine Sirenenstimme aufheulen. Wo Iron Maiden drauf steht, ist Heavy Metal drin, vermutlich bis ans Ende aller Tage. Allerdings klingt Somewhere In Time insgesamt weniger rau, sondern bei gleichem Energieniveau erwachsener, vielschichtiger und, wenn mal so will, futuristischer.

Von den acht Songs fällt keiner kürzer aus als fünf Minuten aus, das Gros stammt von Steve Harris, drei Beiträge kommen von Adrian Smith. Dazu gehört die erste Single Wasted Years, in der Maiden so eingängig klingen wie es nur geht, ohne ihren eigenen Sound zu verlieren. Der Text erzählt von Heimatlosigkeit und Entfremdung – ein klarer Kommentar zur endlosen World Slavery Tour. Als Wasted Years drei Wochen vor dem Album als Single ausgekoppelt wird, sieht man auf dem Cover das Cockpit einer Zeitmaschine, in deren Armaturenbrett sich der Kopf von Eddie spiegelt. Der Grund: Sein neues Aussehen sollte nicht vor Erscheinen des Albums verraten werden, schließlich hat das Maskottchen mittlerweile Kultstatus erreicht.

Auf der Vorabsingle durfte Eddie sich noch nicht ganz zeigen…

Filme und Bücher als Inspiration

Das folgende Sea Of Madness, ein dramatischer Uptempo-Banger, stammt ebenfalls von Smith, setzt aber keine besonderen Akzente. Für Heaven Can Wait, einen Harris-Song über eine Nahtoderfahrung, rekrutieren Maiden die Gäste einer Kneipe, um die „Oh-Oh“ -Fußballchöre im Mittelteil einsingen zu lassen.

Das ebenso harte wie vertrackte The Loneliness Of The Long Distance Runner basiert nicht nur im Titel auf einer Kurzgeschichte des britischen Autoren Alan Sillitoe. Stranger In A Strange Land hingegen geht direkt ins Ohr und wird deshalb als zweite Single ausgekoppelt. Inspiriert wurde Adrian Smith hierfür durch ein Gespräch mit einem Arktisforscher, der einen gefrorenen Körper im Eis gefunden hatte. Vom gleichnamigen Science-Fiction-Roman von Robert A. Heinlein hingegen leiht sich Smith lediglich den Titel. 

Egal, wo und wann: Eddie ist immer cool

Die Credits für Deja-Vu teilt sich Harris mit Dave Murray, der im Schnitt für jedes zweite Album einen Song beisteuert. Alexander The Great stammt vom Bassisten alleine und reiht sich mit einer Spielzeit von achteinhalb Minuten in den Reigen der großen Maiden-Epen ein, diesmal mit explizit historischem Bezug.

Ein Cover wie ein Bildband

Ein sicherer Hit ist zweifelsfrei das Artwork der Platte: Hier steht Eddie als Weltraum-Terminator mit Cyborg-Auge und Laserpistolen in einer futuristischen Stadt, die vor Details nur so überquillt. Der Künstler Derek Riggs, der Künstler hinter diesem Werk, erinnert sich an den Arbeitsauftrag: „Wir haben uns eigens in Amsterdam getroffen und drei Tage lang über das Cover gesprochen. Sie wollten eine Kulisse wie in Blade Runner, eine Science-Fiction-Stadt.“ Um das zu erreichen, erschafft Riggs eine Skyline mit Werbeslogans und Firmennamen, die er größtenteils erfindet, um Copyright-Probleme zu vermeiden. Dabei dreht er richtig auf und auch ein wenig durch. 

Immense Detailfülle und jede Menge versteckte Späßchen: Das Artwork aus der Feder von Derek Riggs

Wer genau hinguckt, kann unter anderem erkennen: den Sensenmann und die Katze mit Heiligenschein von Live After Death, den abstürzenden Himmelsstürmer aus Flight Of Icarus, ein Flugzeug über der „Aces High Bar“ , das „Ancient Mariner Seafood Restaurant“, ein Straßenschild zur „Acacia Avenue“ , ein Konzertposter mit dem Ur-Eddie, die Dame aus Charlotte The Harlot, die Tardis aus Doctor Who, Batman, eine Uhr, die zwei Minuten vor Mitternacht anzeigt, das „Phantom Opera House“ , den Ruskin Arms Pub (eine der ersten Spielstätten der Band) sowie die exakt gleiche Straßenlaterne wie auf dem Cover des Debüts. Irgendwo steht sogar auf Japanisch „Pickelcreme“ , auf Russisch „Joghurt“  und in Spiegelschrift „Dies ist ein sehr langweiliges Gemälde“. Drei Monate sitzt Derek Riggs an dem Werk, mitgezählt eine mehrwöchige Zwangspause, weil er irgendwann Halluzinationen bekommt und aussetzen muss. Kurzum: Das Cover ist Wahnsinn. Und absolut großartig.

…und die Rückseite ist genauso bombastisch.

Auf die Straße. Natürlich.

Natürlich geht es für die fünf Musiker umgehend auf Konzertreise: Der Somewhere On Tour getaufte Trek zieht von September 1986 bis Mai 1987 um die Welt, mit dabei ein überdimensionaler Cyborg-Eddie, der über die Bühne spaziert, zwei riesige Podeste rechts und links in Form von Monsterkrallen, eine aufwändige, sehr helle Lightshow sowie ein pulsierendes Leuchtherz als Teil von Bruces Bühnenoutfit. 

Somewhere On Tour: Dave Murray schreddert, Eddie guckt kritisch – Foto: Ebet Roberts/Redferns/Getty Images

So stressig und geradezu selbstmörderisch wie zwei Jahre zuvor auf der World Slavery Tour sollte es jedoch nicht mehr werden, auch die Zeiten, in denen Iron Maiden jedes Jahr ein Album und eine Welttour hinlegen, sind mit Somewhere In Time vorbei. Doch die Metal-Weltherrschaft der Achtziger haben Iron Maiden da längst inne.

Zeitsprung: Am 28.4.1988 starten Iron Maiden ihre Welttournee in einem Kölner Club.

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Popkultur

„Wicked Game“ von HIM: Wie eine Coverversion den Finnen alle Türen öffnete

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„Wicked Game“ von HIM HEADER

Mit ihrer Coverversion des Chris-Isaak-Hits Wicked Game legten HIM so ziemlich alle Grundsteine für ihre einzigartige Erfolgsgeschichte. Im Folgenden lest ihr, welchen Stellenwert der Song in der HIM-Historie einnimmt und warum die Finnen das Stück mindestens viermal in unterschiedlichen Versionen aufgenommen haben.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch Greatest Lovesongs Vol. 666 von HIM anhören:

Es ist der Song, der HIM ins Rampenlicht befördert. Schon für ihre Demo This Is Only The Beginning nehmen Ville Valo und seine Bandkollegen eine Coverversion des Chris-Isaak-Klassikers Wicked Game auf und schinden damit jede Menge Eindruck — zum Beispiel bei BMG-Mitarbeiter Asko Kallonen, der die Newcomer sofort unter Vertrag nimmt. Am 19. Oktober 1996 veröffentlichen HIM ihre erste EP und geben der Welt damit einen Vorgeschmack auf eine der letzten großen Karrieren der Rock’n’Roll-Geschichte. 666 Ways To Love: Prologue heißt das gute Stück und die junge Band arbeitet für die Veröffentlichung mit Produzent Hiili Hiilesmaa zusammen, der laut Ville Valo maßgeblich an der Entwicklung des typischen HIM-Sounds beteiligt ist. Auch Wicked Game ist auf der EP zu hören — doch es handelt sich noch lange nicht um die letzte Version des Songs.

Wicked Game: ein melancholischer Love-Song mit großer Bedeutung für HIM

Im Sommer 1997 starten HIM mit der Produktion ihres Debütalbums Greatest Lovesongs Vol. 666. Einmal mehr spielen sie dafür Wicked Game ein, und zwar in der Version, die am 28. September 1998 als Single erscheint und die für viele Rock-Fans der erste Berührungspunkt mit HIM sein dürfte. Wüsste man nicht, dass es sich um eine Komposition von Chris Isaak handelt: Das Stück könnte auch ein Ville-Valo-Eigengewächs sein. Melancholie, Fatalismus, Liebe: Wicked Game enthält alle Trademarks des Finnen, weshalb HIM die Nummer auch bloß nachspielen müssen, um sie sich zu eigen zu machen. Damit heben sie sich von vielen anderen Bands und Musiker*innen ab, denn nur wenige Stücke werden so oft gecovert wie Wicked Game. Das britische Lifestyle-Magazin Dazed bezeichnet den Hit sogar mal als „möglicherweise einflussreichsten Love-Song in der modernen Musik“.

Auf die Idee für das Stück kommt Chris Isaak laut eigener Aussage nach einem Telefonat. So möchte eine Frau damals ein spontanes Treffen mit dem Musiker arrangieren, doch der hat gemischte Gefühle. In einem Interview verrät er: „Ich habe den Song zwischen dem Telefonat und dem Besuch geschrieben. Ich habe mich gefragt, was passiert, wenn man sich stark zu einer Person hingezogen fühlt, die nicht unbedingt gut für einen ist. Ich glaube, dass ich damit einen Nerv getroffen habe, denn viele von uns fühlen sich stark zu anderen Menschen hingezogen, die uns nicht unbedingt gut tun.“ Genau jene Hin- und Hergerissenheit zwischen Liebe und Düsternis ist es, die den Eindruck erweckt, es handele sich um einen Song aus der Feder von HIM-Frontmann Ville Valo. Manchmal passt es einfach.

Wicked Game: Der Song, mit dem HIM ihren Sound fanden

Noch heute hat Wicked Game seinen festen Platz in der HIM-Geschichte. „Das war einer der ersten Songs, die wir als Band zusammen gespielt haben, und er hat uns sehr dabei geholfen, unseren Sound zu finden“, erklärt HIM-Sänger Ville Valo Jahrzehnte später in einem Interview. „Das fällt in der Regel leichter, wenn man die Songs von jemand anderem spielt. Man muss nicht über den Text nachdenken oder so. Man kennt das Lied sowieso auswendig und das macht es einfacher.“ Ihr typischer Sound ist es auch, der HIM ab Ende der Neunziger in die Rock-Champions-League katapultiert. Schon mit ihrem zweiten Langspieler Razorblade Romance (1999) gelingt ihnen der große Durchbruch. Und wieder ist auf dem Album eine neue HIM-Aufnahme von Wicked Game zu finden. Die Jungs mögen den Song echt.

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