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Popkultur

Metallicas „ReLoad“ wird 25: Eine Betrachtung mit Abstand

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Metallica
Foto: Ron Galella, Ltd/Getty Images

Die letzte mit Jason Newsted, Marianne Faithfull als Gastsängerin und tonnenweise Groove: Mit ReLoad gelingt Metallica 1997 ein Geniestreich, den man anfangs gar nicht recht zu würdigen weiß. 25 Jahre später ist man zum Glück ein bisschen weiser.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr euch ReLoad anhören:

Der Schock sitzt im Herbst 1997 immer noch tief. Erst im Sommer 1996 veröffentlichen Metallica mit Load ein Album, das immer noch hitzig diskutiert wird. Die Haare sind ab! Und der Sound, der ist eher zwischen Blues und Southern Rock zu verorten. Sakrileg, Blasphemie, was auch immer! Fünf Jahre nach dem Black Album, so scheint es, sind Metallica dem Thrash Metal endgültig entwachsen. Und jetzt kommt auch noch die Zwillingsplatte ReLoad.

Eine Million Dollar und drei Ehen

Und mal ehrlich: warum auch nicht? Wer in den Achtzigern alles gesagt hat, was es in Sachen Thrash zu sagen gibt, sollte doch um Himmels Willen nicht den Rest des Lebens damit zubringen, identische Kopien von Master Of Puppets anzufertigen. Außerdem: Nach dem leviathanischen Vorhaben, das Black Album über die Ziellinie zu wuppen (es kostet bekanntlich eine Million Dollar und drei Ehen) ist der Band nur eines wichtig: Nicht mehr so ewig im Studio eingesperrt sein. Was passiert, wenn das der Fall ist, kann man ja recht eindringlich in Some Kind Of Monster beobachten.

Die Kritik sitzt im Nacken

Deswegen kommen Metallica auch sehr bald von dem Plan ab, die Songs von Load und ReLoad als Doppelalbum aufzunehmen und zu veröffentlichen. Es hätte einfach zu viel Zeit im Studio bedeutet. Also findet man sich nach zehrenden Monaten zwischen Mai 1995 und Februar 1996 erst wieder im Juli 1997 im The Plant Studio im kalifornischen Sausalito ein, um die übrigen Songs für ReLoad aufzunehmen oder fertigzustellen. Mit einem großen Unterschied: Ihnen sitzt jetzt die teilweise vernichtende Kritik und die Desillusionierung der Fans im Nacken – von internen Querelen ganz zu schweigen. Dennoch arbeiten sie effizient und weitgehend harmonisch mit Produzent Bob Rock. Muss man auch erst mal schaukeln.

Jason Newsted trägt Eyeliner

Musikalisch können sich Metallica Mitte der Neunziger einigen. Visuell nicht. Insbesondere James Hetfield hat so gar keinen Bock auf das künstlich heraufbeschworene Image zahlreicher Fotoshoots, das Lars Ulrich und Kirk Hammett plötzlich züchten wollen. „Für mich wollten sie zu sehr U2 und Bono sein“, sagte er mal. Auch Lars Ulrich zeigt sich später enttäuscht, dass viele Leute die Platte einzig und allein deswegen nicht gehört haben, weil Jason Newsted auf den Fotos Eyeliner trägt. Um der Heavy-Metal-Welt mal den Spiegel vorzuhalten und sie aus ihrer konservativen Lethargie zu schütteln, hat Load also durchaus getaugt. Als Motor für gute Stimmung innerhalb der Band weniger.

Blut und Urin

Dennoch stellen sie ReLoad fertig. Wie viele Songs jetzt genau geschrieben und wie viele einfach aus den Load-Sessions geholt, abgestaubt und auf die Platte gepackt wurden, weiß niemand so ganz genau. Fest steht nur: Die kompakte, dringliche, kohärente Natur tut nach dem teilweise etwas zähen, überfrachteten Load sehr gut. Am 18. November 1997 erscheint das Album. Nach dem „Blut und Samen“-Cover von Andres Serrano, bei dem er Blut mit seinem eigenen Sperma mischt, ziert ReLoad diesmal ein Kunstwerk aus seinem Blut und Urin. Hetfield war mal wieder not amused, hat seine Kollegen aber einfach mal machen lassen. Evolution und all das, da kann man auch mal über etwas hinwegsehen.

Deutlich besser als Load

Nicht hinwegsehen sollte man hingegen über die Songs: Metallica schaffen mit Load und ReLoad Alben, die sehr wahrscheinlich ihr Überleben sichern. Aller Unkenrufe zum Trotz. Das kann man auch mal gut finden. Ohne diese Detour, ohne diese radikale Kursänderung würde es diese Band heute nicht mehr geben. Und auch wenn beide Platten mit annähernd 80 Minuten echt zu lang sind und an der Use Your Illusion-Krankheit leiden: Insbesondere ReLoad ist ein fetter, tighter, unverschämt groovender Brecher.

Das entfesselt herausgespuckte Fuel, das andächtige The Memory Remains (mit Marianna Faithfull als Gastsängerin am Ende!), der Kracher Slither, die gelungene Fortsetzung The Unforgiven II oder das unfassbare Riff des großen Finales Fixxxer zeigen eine Band, die hungrig ist auf Neues, die sich überzeugend neu finden kann – und die vor allem immer noch große Songs schreiben kann. Nach dem überstrapazierten, in Details badenden Load ist das eine große Überraschung. Und eine heilsame Botschaft. Man war 1997 einfach zu nah dran, um das so zu sehen.

Gut geht es danach dennoch nicht weiter für die Band: Lars Ulrich legt sich erfolglos mit Napster an, Jason Newsted schmeißt hin, James Hetfield muss in die Entzugsklinik. Und dabei haben die Aufnahmen an St. Anger nicht mal begonnen…

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Zeitsprung: Am 13.4.2000 verklagen Metallica den Filesharing-Dienst Napster

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