Popkultur
Mister Slowhand in Berlin: So war’s beim Konzert von Eric Clapton
Die neunte Station der Eric Clapton World Tour 2019 brachte den Ausnahmekünstler am 4. Juni in die Mercedes-Benz Arena nach Berlin. Während in der Stadt gerade sommerliche Höchsttemperaturen vorherrschen, verbreitete Clapton dort seine unnachahmliche Coolness, gepaart mit einer nahezu perfekten Virtuosität an der Gitarre.
Hört hier einige der größten Clapton-Hits:
Wenn ein mehrfacher Grammy-Gewinner und Rock’n’Roll-Hall-Of-Famer in einer der größten Konzert-Venues Berlins zu Gast ist, entsteht natürlich eine sehr hohe Erwartungshaltung – allein der Name Clapton verspricht schließlich schon große Musikmomente. Und, so viel lässt sich jetzt schon vorwegnehmen: Mit seiner Berlin-Show hat er sicherlich jeden Wunsch seiner Fans erfüllt hat.
Aber zurück zum Anfang: Der erste Song des Sets, Pretending liefert einen gelungenen Einstieg in den Abend. Clapton manövriert anschließend in Key To The Highway, seinem altbekannten Charles-Segar-Cover, seine Fender Stratocaster durch die ersten Soli und brilliert sowohl stilistisch als auch hinsichtlich seines Gitarrensounds, der mit seinem unverwechselbar-weichen Twang das Markenzeichen des Künstlers ist.
Publikum taut langsam auf
Zugegeben, das Berliner Publikum reagiert anfangs noch etwas unterkühlt und würdigt Soli zunächst nur mit verhaltenem Applaus. Als der zweite Song, der Bluesstandard I’m Your Hoochie Coochie Man, und damit auch schon der erste große Hit an diesem Abend folgt, lockert sich aber die Stimmung und wird nahezu ausgelassen bei I Shot The Sheriff, einem All-Time-Classic von The Wailers.
Eric Clapton zeigte sich in Berlin routiniert schlicht. (Bild: Frank Hoensch/Redferns/Getty Images)
Hier zeigt sich dann auch die gesamte Brillanz von Claptons Band: Mit seinem langjährigen Weggefährten Chris Stainton und Paul Carrack an den Keyboards sowie Doyle Bramhall II an der Rhythmus-Gitarre hat er eine hochkarätige und illustre Runde an Musikern um sich versammelt. Während Stainton und Carrack mit virtuosen Solobeiträgen glänzen, die einen schon fast ehrfürchtig auf ihr musikalisches Können blicken lassen, weiß Bramhall vor allem durch Melodik und einen samtigen Sound zu glänzen, der fast schon einen kleinen Kontrast zum Stil des Bandleaders darstellt.
Highlights während der Unplugged-Einlage
Im zweiten Drittel des Konzerts folgt ein Akustik-Set, das Eric Clapton einleitet, indem er kurz erwähnt, mit seiner Akustik-Gitarre zurzeit nicht ganz zurechtzukommen, da sie neue Tonabnehmer habe – nur um im selben Moment mit einem bravourösen Solo in einen Slow Blues einzusteigen. Eingeleitet durch den Driftin’ Blues, ein Cover von Johnny Moore’s Three Blazers, und gefolgt von Nobody Knows You When You’re Down And Out, im Original von Jimmy Cox, steuert das Konzert auf den einen der Höhepunkte des Abends zu: dem Doppel aus Tears In Heaven und Layla.
Das Arrangement von Tears In Heaven weicht an diesem Abend leicht von der bekannten Studio-Version ab. An Stelle der sehr getragenen Gitarren-Ballade tritt eine eher Uptempo-gestaltete, fast schon reggaeartige Version des Songs, die einigen vielleicht nicht gefühlvoll genug ist, aber eine willkommene, etwas andere Facette des Songs zeigt. Claptons Welthit Layla hingegen stößt auf die größte Resonanz beim Berliner Publikum, das bei diesem Song fast euphorisch reagiert und die Musiker mit intensivem Applaus würdigt.
Kein Halten mehr auf den Sitzplätzen
Im letzten Drittel des Sets kommen wiederum elektrische Gitarren zum Einsatz. Hier machen Tearing Us Apart und Holy Mother den Anfang, gefolgt von Cross Road Blues und Little Queen Of Spades – Songs, bei denen noch einmal deutlich wird, dass man sich Claptons Spiel gut und gerne auch noch für weitere Stunden anhören könnte. Die Spanne an Solo-Einlagen des 74-Jährigen und seiner Band reicht hier von schnellen Uptempo-Läufen bis hin zu bluesigen Momenten, in denen Clapton seine Gitarre einfach nur „singen“ lässt.
Als letzter Song des regulären Sets folgt Cocaine, zu dem Eric Clapton auch noch seinen Freund Kurt Rosenwinkel auf die Bühne holt, um eine weitere Gitarren-Passage beizusteuern. Tatsächlich gibt es bei diesem Song nun kein Halten mehr in Berlin. Das Publikum, das bis dato brav auf den Sitzen ausgeharrt hat, stürmt vor die Bühne – und man kann leicht erahnen, dass vor ein paar Jahrzehnten ein Eric-Clapton-Konzert wohl ganz anders ausgesehen hat. Angespornt durch die laustarke Menge vor der Bühne legt die Band noch spürbar einen Gang zu und präsentiert die ausgefallensten Soli des Abends. Als einzige Zugabe des Abends präsentiert Clapton Before You Accuse Me, ein Bo-Diddley-Cover, bevor er von der Bühne verschwindet.
Keine große Inszenierung notwendig
Wenn man die lebende Legende an diesem Abend kritisieren mag, und das wäre Kritik auf sehr hohem Niveau, dann könnte man bemängeln, dass eine einzelne Zugabe etwas knapp bemessen war und die Bühnengestaltung für eine Venue dieser Größenordnung relativ spartanisch ausgefallen ist. Mit fast zwei Stunden Spielzeit konnt aber wohl jeder zufrieden sein, und eine opulentere Bühne hätte eventuell sogar den ein oder anderen Zuschauer gestört – Fans der großen Inszenierung kamen an diesem Abend wenige Kilometer weiter bei KISS voll auf ihre Kosten.
Das Fazit des Abends: Clapton ist und bleibt der virtuose Blues-Musiker, den die Welt lieben gelernt hat – und sein Sound bewegt sich immer noch nahe an der Perfektion. Hätte man das Konzert aufgenommen und als Platte veröffentlicht, seine Fans wären mit Sicherheit zufrieden gewesen. Dass einer der größten Musiker aller Zeiten vielleicht nicht die größte Bühnenshow aller Zeiten auffährt, ist nebensächlich. Denn das muss er auch gar nicht. Hier stand ausdrücklich die Musik im Vordergrund – und mit der konnte man mehr als zufrieden sein.
Die Setlist von Eric Clapton in Berlin:
Pretending
Key to the Highway (Charles-Segar-Cover)
I’m Your Hoochie Coochie Man (Willie-Dixon-Cover)
I Shot the Sheriff (The-Wailers-Cover)
Driftin’ Blues (Johnny-Moore’s-Three Blazers-Cover)
Nobody Knows You When You’re Down And Out (Jimmy-Cox-Cover)
Tears In Heaven
Layla (Derek And The Dominos)
Running On Faith
Electric
Tearing Us Apart
Holy Mother
Cross Road Blues (Robert-Johnson-Cover)
Little Queen Of Spades (Robert-Johnson-Cover)
Cocaine (J.J.-Cale-Cover)
__
Before You Accuse Me (Bo-Diddley-Cover)
Titelbild: Frank Hoensch/Redferns/Getty Images
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Zeitsprung: Am 21.9.1993 erscheint Nirvanas drittes und letztes Album „In Utero“.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 21.9.1993.
von Christof Leim und Timon Menge
Im Jahr 1993 haben Nirvana die Schnauze voll vom Superstar-Dasein. Sie möchten nicht länger auf ihren Megahit Smells Like Teen Spirit reduziert werden und stattdessen ein authentisches, rohes Album aufnehmen. Das Ergebnis: In Utero.
Hört hier in In Utero rein:
Mit ihrem dritten Album verfolgen Nirvana ein klares Ziel: In Utero soll sich deutlich von seinem eingängigen Vorgänger Nevermind abheben und die Extreme der Band in den Vordergrund rücken. „Einige Songs klingen härter, andere noch radiotauglicher“, gibt Songwriter, Sänger und Gitarrist Kurt Cobain im Vorfeld der Aufnahmen zu Protokoll. „Das Album wird nicht so eindimensional wie Nevermind.“
Produziert wird die Platte von Steve Albini, der bereits Erfahrung mit der US-amerikanischen Punk- und Indieszene hat. Das Album trägt zunächst den Arbeitstitel I Hate Myself And I Want To Die, benannt nach einem Stück, das während des Aufnahmeprozesses entsteht. Eigentlich hat Albini keine Lust auf Nirvana und bezeichnet sie als „R.E.M. mit Fuzzbox“. Den Job habe er nur aus Mitleid mit der Band angenommen. Seine Meinung ändert sich im Zuge der zweiwöchigen Aufnahmephase im Pachyderm Studio in Cannon Falls, Minnesota, wo die Musiker sich unter dem Namen The Simon Ritchie Bluegrass Ensemble eingemietet haben. „Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr meine Bewunderung für diese Band zugenommen hat“, korrigiert er sich. Kurt Cobain und er teilen sogar eine gemeinsame Leidenschaft: Telefonstreiche. So rufen sie während der Sessions zum Beispiel Pearl Jam-Frontmann Eddie Vedder an und geben sich als Produzent Tony Visconti aus.
Jetzt in unserem Shop erhältlich:
Eigentlich soll In Utero bereits im Sommer 1992 eingespielt werden, doch die Bandmitglieder leben zu jener Zeit in verschiedenen Städten, was eine Zusammenkunft erschwert. Außerdem erwarten Cobain und seine Partnerin Courtney Love ihre gemeinsame Tochter Frances Bean. Die Plattenfirma DGC wird ungeduldig und veröffentlicht kurzerhand Incesticide, eine Compilation mit B-Seiten, Studio-Outtakes und raren Songs.
Vom Umfeld der Band hält Produzent Albini nicht viel, wie der NME in diesem Artikel berichtet. „Alle Personen, die an Nirvana beteiligt waren und nicht zur Band gehörten, waren Arschlöcher“, schimpft er. Tatsächlich stehen die Parteien während der Albumproduktion auf Kriegsfuß: auf der einen Seite Albini und die Band, auf der anderen Seite das Management und die Plattenfirma. Mehrfach stellen Albini und Nirvana klar, dass sie während der Arbeiten nicht gestört werden möchten, doch immer wieder erscheinen DGC-Abgesandte und möchten Zwischenstände hören — ein Verhalten, dass Albini bestraft, indem er alle Nichtmusiker eiskalt ignoriert. Für seine Arbeit erhält der Produzent stolze 100.000 US-Dollar, weigert sich aber, zusätzliche Royalties anzunehmen und bezeichnet derartige Beteiligungen als „Beleidigung für den Künstler“. Stark.
Als das Material fertig ist, halten Management und Plattenfirma es für unzureichend und werfen der Band und Albini vor, ein Album aufgenommen zu haben, das nicht veröffentlicht werden kann. Der Gesang sei nicht zu hören, das Schlagzeug viel zu laut und zu überladen mit Effekten. Zwar sind auch Nirvana selbst der Überzeugung, dass die Scheibe kein kommerzieller Erfolg werden kann, haben mit dieser Vorstellung aber keine großen Schwierigkeiten.
Die konservativen US-amerikanischen Einzelhandelsgiganten Wal-Mart und Kmart finden In Utero inhaltlich zu heiß, weshalb sie eine alternative Version fordern. Der Song Rape Me wird zu Waif Me umbenannt, die Cover-Collage von Kurt Cobain wird retuschiert und zeigt nun Frösche statt Babys und Föten. An den Song All Apologies legt R.E.M.-Produzent Scott Litt Hand an und befreit ihn von strittigen Textzeilen. Die Band stimmt den Änderungen zu, weil Cobain und Bassist Krist Novoselić in ihrer Kindheit nur zwei Möglichkeiten hatten, an neue Musik zu kommen: bei Wal-Mart und Kmart. Dass In Utero gleich auf Platz eins der Billboard-Charts landet und innerhalb der ersten Woche 180.000 Mal über die Ladentheke geht, erwartet niemand. Bis heute verkaufen sich mehr als 15 Millionen Exemplare des Albums.
In Utero zeigt Nirvana von ihrer aggressivsten Seite. Ob Scentless Apprentice, eine Vertonung des Romans Das Parfüm von Patrick Süskind, oder Pennyroyal Tea, eine Anspielung auf das als Abortivum benutzte (also einen Schwangerschaftsabbruch induzierende) Küchenkraut Polei-Minze – Nirvana wühlen in menschlichen Abgründen, dass es wehtut. Die Songs stammen alle von Kurt Cobain; lediglich Scentless Apprentice wird als Gemeinschaftswerk angegeben und maßgeblich von Dave Grohl beeinflusst, der das Riff und einige Drum-Parts für das Stück liefert. Marigold, der erste und einzige Song, den Grohl im Alleingang schreibt, schafft es zwar nicht auf das Album, wird aber als B-Seite für Heart-Shaped Box verwendet. Auch auf dem Foo Fighters-Livealbum Skin And Bones ist er zu hören. Das Cover gestaltet Cobain gemeinsam mit Robert Fisher, der schon das legendäre Nevermind-Artwork realisiert hat (alles dazu hier).
Mit Heart-Shaped Box (1993) und All Apologies/Rape Me (1993) flankieren zwei erfolgreiche Singles das Album. Letzteres zieht den Ärger zahlreicher Feministinnen auf sich, bis Cobain klarstellt, dass es sich um einen Anti-Vergewaltigungssong handelt. Hätte man auch so drauf kommen können. Überhaupt: Rape Me liefert Diskussionsstoff. Schon bei den MTV Music Awards 1992 lehnt der Musiksender die Aufführung des Songs vor einem größeren Publikum ab. Stattdessen soll die Band Smells Like Teen Spirit spielen, ein Stück, das Kurt Cobain selbst nicht mehr hören kann. MTV droht sogar damit, Amy Finnerty zu entlassen, eine enge Freundin des Frontmanns und Mitarbeiterin des Senders. Man einigt sich auf die damals aktuelle Single Lithium, doch Cobain lässt es sich nicht nehmen, den Auftritt mit den ersten Takten von Rape Me zu beginnen. Kurz bevor MTV zur Werbung schaltet, geht er wie besprochen in Lithium über, und die MTV-Verantwortlichen kommen mit einem ordentlichen Schreck davon. Die legendäre Performance endet mit Novoselić, der sich sein Instrument ins Gesicht schlägt (zu sehen hier – aua!), und ironischen Grüßen von Cobain und Grohl an Axl Rose.
Die Message von Nirvana, eingefangen in einem Pressefoto.
Legendär sind auch die Entstehungsgeschichten zu Cobains Songs. So gibt seine Witwe Courtney Love zu Protokoll, dass er Heart-Shaped Box innerhalb von fünf Minuten in einem Kleiderschrank geschrieben habe. Die Inspiration für die Nummer, die ursprünglich Heart-Shaped Coffin heißen soll, liefert eine herzförmige Schachtel, der Sänger von seiner Partnerin erhält. Love behauptet, der Text handele von ihrer Vagina. Für die Geduldigen hält In Utero einen Hidden Track namens Gallons Of Rubbing Alcohol Flow Through The Strip bereit, der etwa 20 Minuten nach All Apologies einsetzt. Sowas gibt’s heute gar nicht mehr. Der verborgene Song ist ein spontaner Jam, der im Januar 1993 in Rio de Janeiro entsteht.
Im Anschluss an die Albumveröffentlichung gehen Nirvana mit dem heutigen Foo Fighters-Mann Pat Smear an der zweiten Gitarre auf die Welttournee, in deren Rahmen auch das Livealbum MTV Unplugged in New York (1994) entsteht. Am 1. März 1994 spielen Nirvana in München ihr letztes Konzert. Die dritte In Utero-Single Pennyroyal Tea (1994) wird kurz nach Auslieferung an den Handel zurückgezogen, weil Kurt Cobain sich am 5. April 1994 das Leben nimmt. Nur wenige hundert Exemplare gelangen in den Verkauf und sind bis heute gefragte Sammlerstücke. In Utero setzt damit ein krachiges, schräges, selbstbewusstes Ausrufezeichen an das tragische Ende von Nirvana.
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Popkultur
Zeitsprung: Am 20.9.1973 verschwindet die Leiche von Byrds-Gitarrist Gram Parsons.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 20.9.1973.
von Christof Leim
Die vielversprechende Karriere von Gram Parsons endet leider typisch für viele der zu wilden Musiker der Siebziger: Der Country Rock-Pionier und zeitweilige Byrds-Gitarrist stirbt im September 1973 mit nur 26 Jahren an einer Überdosis. Sein Leichnam soll nach Louisiana zu seiner Familie überführt werden, doch seine Kumpels haben da ganz andere Pläne – immerhin aus ehrenhaften Gründen…
Hört hier in Sweetheart Of The Rodeo rein, Parsons Album mit The Byrds:
Unter Eingeweihten genießt Gram Parsons einen hervorragenden Ruf: Als Gitarrist hat er seit Ende der Sechziger maßgeblich die Genres Country und Rock zusammengebracht. Einem größeren Publikum wird er wegen seinen kurzer Zeit bei den Byrds bekannt, deren Album Sweetheart Of The Rodeo (1968) er prägte. Nach einem ebenfalls kurzen Intermezzo bei den Flying Burrito Brothers startet er eine Solokarriere und hängt mit vielen hochkarätigen Freunden rum, etwa mit einem gewissen Keith Richards in dessen Villa im französischen Villa Nellcôte. Für sein Soloalbum GP entdeckt Parsons die Sängerin Emmylou Harris.
Gram Parsons auf dem Cover seines Soloalbums „GP“
Oft und gerne verbringt der Musiker seine Zeit im Joshua Tree National Park östlich von Los Angeles. Am 17. September 1973 begibt sich der Gitarrist mit ein paar Freunden wieder dorthin, um sich vor einer anstehenden Tour noch ein wenig zu erholen. Und selbstredend wird ordentlich gefeiert: Gram Parsons trinkt Alkohol in rauen Mengen und wirft Drogen ein, dass es nur so eine Art hat. (Später sagt sogar Keith Richards, dass sein Kumpel es hätte besser wissen müssen, was die Kombination von Opiaten und Schnaps angeht.)
Es kommt, wie es kommen muss: Der erst 26-Jährige erleidet nach einem Schuss Morphin eine Überdosis. Seine geschockten Freunde können ihn nicht wiederbeleben, kurz nach Mitternacht des 19. September wird Gram Parsons für tot erklärt.
Bis hierhin klingt das wie eine typische Live-fast-die-young-Geschichte des Rock’n’Roll, aber dann wird es bizarr: Schon vor seinem Tod hatte Parsons erklärt, dass seine Asche über die Felsformation Cap Rock im geliebten Joshua Tree Park verstreut werden soll. Allerdings plant seine Familie, ihn nach Hause, nach Louisiana zu bringen. Deswegen befindet sich der Sarg mit dem Leichnam am 20. September am Los Angeles Airport.
Von den Überführungsplänen halten Parsons Kumpels Phil Kaufman und Michael Martin nichts. Sie wollen dem Verstorbenen lieber seinen letzten Wunsch erfüllen, zumal zum privaten Familienbegräbnis in New Orleans kein einziger Wegbegleiter aus der Musikwelt eingeladen wurde. Die beiden verfolgen also noble Beweggründe für die folgende Aktion, doch vielleicht, ganz vielleicht schießen sie ein bisschen über das Ziel hinaus.
Kaufman und Martin fahren in einem Leichenwagen am Flughafen vor, erzählen dort einem Mitarbeiter ein Märchen von „geänderten Plänen“ und laden den Sarg ein. Die entsprechenden Papiere unterschreiben sie mit „Jeremy Nobody“. Auf dem Weg ins 150 Meilen entfernte Joshua Tree kaufen sie mehrere Liter Benzin und halten an einer Bar, um auf ihren Freund zu trinken. Am Ziel angekommen, schleppen sie ihre Fracht bis Cap Rock, angeblich sogar im Mondschein (wenn schon, denn schon). Dort öffnen sie den Sarg, in dem der nackte Leichnam von Gram Parsons liegt, schütten das Benzin darüber und werfen ein brennendes Streichholz hinein. Den resultierenden Feuerball kann man über Kilometer sehen.
Das erregt die Aufmerksamkeit der Polizei, die die beiden Kollegen jedoch nicht zu fassen bekommt. Erst zwei Tage später werden sie gestellt. Allerdings gibt es verblüffenderweise kein Gesetz, dass den Diebstahl eines Leichnams verbietet. Kaufman und Martin erhalten eine kurze Bewährungsstrafe und müssen eine Stange Geld zahlen für die Entwendung des Sarges. Von ihrem Freund bleiben nur 16 Kilogramm an verbrannten Überresten zurück, die schlussendlich in New Orleans ihre letzte Ruhe finden.
Kaufman und Martin verteidigen sich damit, nur den letzten Wunsch Parsons ausgeführt zu haben. Das ist ehrenvoll. Und eigentlich bietet diese Episode ein aufsehenerregenderes Ende für die Lebensgeschichte des Musikers als eine einsame Überdosis in einem Hotelzimmer.
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Zeitsprung: Am 10.11.1969 erscheint „Ballad Of Easy Rider“ der Byrds.
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Zeitsprung: Am 18.9.1978 veröffentlichen die Kiss-Musiker am gleichen Tag Soloalben.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 18.9.1978.
von Christof Leim
Wenn schon dicke Hose, dann richtig: Ende der Siebziger läuft es bei Kiss. Die Schminkemonster sind vor allem in den USA zu einem Phänomen geworden, das wirklich jeder kennt. Insbesondere der legendäre Konzertmitschnitt Alive! von 1975 hat die Truppe zu Stars gemacht. In den fünf Jahren nach der ersten Probe der Urbesetzung sind sechs Studioalben und zwei Liveplatten erschienen, dank üppiger Verkäufe, ausverkaufter Hallen und eines lukrativen Merch-Imperiums inklusive Kiss-Comics haben die vier New Yorker Millionen auf dem Konto. Und erst einer von ihnen ist über 30. Allerdings lässt die Stimmung in der Band zu wünschen übrig…
Hört hier in die vier Kiss-Soloalben rein:
Kiss mögen 1978 auf ihrem kommerziellen Höhepunkt angekommen sein, doch Paul Stanley, Gene Simmons, Ace Frehley und Peter Criss streiten sich über die kreative Ausrichtung, Kontrolle und Drogenkonsum, und vermutlich haben sie nach etlichen Jahren ununterbrochenen Arbeitens einfach die Nase voll voneinander. Um die Spannungen zu entschärfen, fassen die Kollegen zusammen mit ihrem Manager Bill Aucoin den Entschluss, dass jeder der Musiker völlig frei und unabhängig von den anderen ein Soloalben veröffentlicht. So lautet zumindest die am häufigsten kommunizierte und durchaus einleuchtende Begründung. Tatsächlich sieht manchen Quellen zufolge der Plattenvertrag von 1976 solche Einzelveröffentlichungen explizit vor.
Gene, Ace, Paul und Peter können so ihre musikalischen Vorlieben ausleben und komponieren, was immer sie wollen. Die Ergebnisse fallen durchaus unterschiedlich aus: Paul Stanleys Solowerk klingt am meisten nach den Kiss der Siebziger, vielleicht sogar noch ein bisschen dramatischer. Gene Simmons lässt die Beatles, Siebziger-Disco-Funk und Disney-Soundtracks durchklingen. Auf seiner Scheibe, der „buntesten“ der vier, spielen Joe Perry von Aerosmith, Donna Summer und seine Freundin Cher mit. Bei den Background-Vocals singt auch eine unbekannte Schauspielerin namens Katey Sagal, die später als Peggy Bundy aus Eine schrecklich nette Familie berühmt werden sollte.
Ace Frehley haut ein kräftiges Hard Rock-Scheibchen raus und kann sogar entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten als Sänger punkten. Mit seinem Cover der Siebziger-Disco-Nummer New York Groove, im Original von der Band Hello, schafft er als einziger einen Single-Hit. Drummer Peter Criss hingegen überrascht mit vergleichsweise entspannten Nummern zwischen Soul und frühem Rock’n’Roll.
Natürlich hauen Kiss für die ganze Aktion mit beiden Händen auf die Sahne: Alle vier Soloalben erscheinen unter großem Getöse am gleichen Tag, dem 18. September 1978. Das hat es bis dahin nicht gegeben, und nachher auch nicht. Jede Platte ziert ein ähnliches Cover, nämlich ein Gemälde des jeweiligen Musikers im vollen Make-up.
Das Label fährt dazu eine megafette Werbekampagne für einen siebenstelligen Dollar-Betrag und stellt von jeder Platte über eine Million Exemplare in die Läden. Das heißt, die Alben erhalten quasi von Tag eins an eine Platinauszeichnung. Ein voller Erfolg? Nicht ganz.
Denn „Platin ausliefern“ und „Platin verkaufen“ sind zwei verschiedene Dinge. Da der Markt ohnehin von Kiss-Produkten überflutet ist, kommen viele der Soloalben nach einer Weile wieder zurück zum Label oder landen preisreduziert auf Wühltischen. Insgesamt sollen sich die vier Scheiben zusammen so gut verkauft haben wie das letzte Studiowerk Love Gun von 1977. Das lief allerdings beachtlich gut, und in Sachen PR und öffentlichkeitswirksamer Kackehauerei liegen Kiss mit der Aktion natürlich weit vorne. Und schlecht sind die Platten tatsächlich nicht…
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