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Popkultur

Review: Der Boss lädt mit „Only The Strong Survive“ zur Soul-Sause ein

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Bruce Springsteen
Foto: Jemal Countess/Getty Images

Auf seinem neuen Album Only The Strong Survive covert Bruce Springsteen alte Soulstücke — und hat dabei großen Spaß an seiner eigenen Stimme.

von Markus Brandstetter

Hier könnt ihr euch Only The Strong Survive anhören:

Wir kennen das mit dem Spaß an der eigenen Stimme durch Coverversion bereits von Bob Dylan. Dieser widmete sich seit den 00er-Jahren mehrfach dem Great American Songbook — und fand dadurch zu einer stimmlichen Form, die man von ihm seit langem nicht mehr gehört hatte. Mehr noch, auf vielen Dylan-Konzerten schien es auf den entsprechenden Abschnitten der Never Ending Tour so, als hätte die Abarbeitung an den Cover-Songs die Dylan-Stimme einer (zumindest mentalen) Verjüngungskur unterzogen. Dylan schien wieder Lust auf Singen zu haben, klang so gut wie lange nicht mehr, mutierte oft regelrecht zum Crooner. Bei Springsteen ist das in mancherlei Hinsicht ähnlich. Auch er widmet sich nun den Stücken seiner Jugend, auch er hat mehr Spaß an seiner eigenen Stimme als zuvor.  Allerdings war Springsteen eigentlich stimmlich (im Gegensatz zu Dylan, bei aller Verehrung) ohnehin immer in Topform. Wie dem auch sei, für Springsteen war Only The Strong Survive eine Art stimmliche Befreiung. Bisher hatte seine Stimme immer die zweite, oft auch dritte Geige gespielt, erzählte der 73-Jährige im Vorfeld. Das war bei der Sammlung von Soulstücken, die nun erscheinen, ganz anders: Die Stimme war und ist der Star, gleich nach den Songs an sich, meint Springsteen.

Die Stücke sind chronologisch bunt durchgemischt, in der Auswahl durchaus auch etwas weniger offensichtlich. Die meisten Songs haben ihren Ursprung in den 1960er-Jahren, einige wenige im Folgejahrzehnt, auch die 1980er-Jahre sind vertreten. Den Anfang macht der Titeltrack, im Original von Jerry Butler gesungen (und mitgeschrieben). Ebenfalls mit dabei sind unter anderem die Commodores (Nightshift), Frank Wilson [Do I Love You (Indeed I Do)], Tyrone Davis (Turn Back The Hands of Time) oder Motown-Stücke wie 7 Rooms Of Gloom.

Bruce lässt die Soul-Muskeln spielen

Bruce macht das, wie man es sich von ihm erwartet — muskulös, opulent, inbrünstig, voller Nostalgie — nur diesmal eben im Soulkleid. Only The Strong Survive ist eine Party, auf der musikalisch ruhig geklotzt werden darf. Wer spärliche Arrangements mag, findet sie hier nicht. Dafür jede Menge Streicher, Chöre, Uh-uhs, Handclaps, das volle Programm. Nostalgisch hin oder her, in erster Linie soll das natürlich erhebend sein, wie bei allem von Springsteen am Ende die Erbauung steht. Musikalisch möchte Springsteen hier nichts neu erfinden, sondern orientiert sich — gemeinsam mit Produzent Ron Aniello am Arrangement der Originale. Darin unterscheidet sich Only The Strong Survive von Springsteens zweiter großer Coverplatte, We Shall Overcome: The Seeger Sessions aus dem Jahr 2005. Ungewohnt ist das nicht, denn dass in der musikalischen Sozialisierung Springsteens viel Soul und R&B steckt, ist auch aus seinem eigenen Werk immer wieder durchaus herauszuhören. Man denke etwa an Tenth Avenue Freeze-Out von seinem Über-Album Born To Run.

„Ich wollte ein Album machen, auf dem ich einfach nur singe. Und mit welcher Musik könnte man besser arbeiten als mit dem großen amerikanischen Songbook der sechziger und siebziger Jahre? Ich habe mich von Levi Stubbs, David Ruffin, Jimmy Ruffin, dem Iceman Jerry Butler, Diana Ross, Dobie Gray und Scott Walker inspirieren lassen, neben vielen anderen“, erzählte Springsteen selbst zur Platte. „ Ich habe versucht, ihnen allen gerecht zu werden – und den fabelhaften Schreibern dieser herrlichen Musik. Mein Ziel ist es, dass das moderne Publikum ihre Schönheit und Freude erlebt, so wie ich es getan habe, als ich sie zum ersten Mal hörte. Ich hoffe, ihr hört es genauso gerne, wie ich es gemacht habe.“

Ein Album für den Boss selbst

Man hört es Only The Strong Survive an: DIese Platte hat Springsteen in allererster Linie für sich selbst gemacht. Er hatte gerade Zeit, er hatte gerade Lust — und er hatte, daran besteht kein Zweifel, viel Spaß an der Sache. Es ist in Springsteens Diskographie kein Meilenstein, kein Album, das man unbedingt besitzen muss. Aber es ist eine Reise in seine eigene Vergangenheit — und ein durchaus kurzweiliges Zeugnis von Springsteens Produktivität auch in seinem achten Lebensjahrzehnt. Only The Strong Survive hat natürlich etwas von einer Messe – diesmal allerdings eben Soul und R&B und nicht Stadion-Rock. Man muss sie auch als Springsteen-Fan nicht zwingend mitfeiern — sie macht aber nicht nur dem Boss selbst Spaß.

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