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Popkultur

Placebo – Von B-Sides und obsessiver Fanliebe

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Fanliebe ist ja so immer eine Sache. Oft ist es nur ein schmaler Grat zwischen jugendlichem Verknalltsein und pathologischer Obsession – diesem Zwischenraum wohnen dazu noch diverse Graustufen inne. Ich bin mir indessen nicht so sicher wo genau ich meine pubertäre Liebe zu Brian Molko und seiner Band Placebo einordnen sollte. Es war wohl ein Hellgrau zwischen „ich muss jede verdammte Platte, die es auf dem Schwarzmarkt zu kaufen gibt, besitzen“ und einer Light-Version von Stalking (wohlgemerkt noch vor Facebook, Instagram und Twitter), die durch ominöse Seiten und Fan-Blogs diverse Viren auf den stationären Rechner meiner Eltern beförderte. Egal.

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Placebo 2013: Stefan Olsdal, Steve Forrest, Brian Molko (vl.n.r.). Forrest verließ allerdings Anfang des Jahres die Band.

Ich kann noch genau bestimmen, wann diese Obsession begann: in der neunten Stufe kam ein Skaterboy in unsere Klasse – ein willkommener Kontrast zu den Menschen auf meiner fast-Ghetto Schule. Besagter Skaterboy gab mir irgendwann ein Mixtape, auf dem sich neben Songs von Bands wie Incubus, Korn oder SOAD auch drei Placebo-Tracks fanden: Sleeping With Ghosts, Special Needs und I’ll Be Yours. Bäm. Verknallt. In Brian Molkos Stimme, die Musik und die Texte. Bis dato waren mir die Briten nur durch den Eiskalte Engel-Soundtrack bekannt, also galt es aufzuholen. Ich kaufte mir jede andere Platte, nachdem ich Sleeping With Ghosts zu Ende hörte.

Wie gut Placebo einfach in meine pubertäre Trotzphase passten! Nun musste ich den von mir imaginierten Weltschmerz  nicht mehr durch Hermann Hesse oder Truman Capote befriedigen, sondern konnte ihn über einen wütenden, enttäuschten und traurigen Brian Molko entladen. Jede dieser Platten vom selbstbetitelten Debüt bis Sleeping with Ghosts kannte ich schließlich in und auswendig; jeden Text habe ich ausgedruckt und versucht zu verstehen. Mein englischer Wortschatz hat sich in dieser Zeit um einiges erweitert, da Placebo bekanntlich gern Texte schrieben, die über den üblichen Pop-Diskurs hinausgehen („Instant correlation sucks and breeds a pack of lies / I’ll take it by your side / Oversaturation curls the skin and tans the hide“). Ich habe zu dieser Zeit gar mein Wissen über Drogen und zwischenmenschliche Beziehungen aus Placebo-Songtexten gezogen (Man denke da an Lieder wie Nancy Boy, Special K oder Every Me and Every You). Ich brauchte mehr Stoff.

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Das Cover eines Bootlegs der Autorin.

Ich durchforstete das Internet nach Konzertterminen, Bildern, Geschichten von und über Placebo, unautorisierten Biografien oder Zeitschriften mit alten Lead-Artikeln der Band. Für ‚neue‘ Musik bewegte ich mich auf diversen Online-Plattformen um Bootlegs zu ergattern: Videos von alten Konzerten und Interviews, CDs mit Demoversionen, unveröffentlichtem Material oder französischer Versionen der Songs (Anmerkung: Brian Molko wuchs bilingual auf) – alles natürlich in schlechtester Qualität mit billig gedruckten Covern. Weiß der Geier wo all diese Demos und B-Sides herkamen: Bigmouth Strikes Again, Flesh Mechanic, Miss Moneypenny oder Burger Queen Francais waren mir die Liebsten.

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Das Cover der am 31. Juli erschienenen B-Sides-Collection in Optik der ersten Platte.

Als es irgendwann keinen Stoff mehr gab und ich meine Obsession selbst etwas fragwürdig fand, habe ich aufgehört – Cold Turkey. Wobei kalter Entzug nicht ganz stimmt. Die Einflüsse und Idole der Band selbst dienten in der Zwischenzeit als mein Methadon: David Bowie, Pixies, The Cure, PJ Harvey, Joy Division, Sonic Youth.

Das fünfte Album Meds konnte ich wieder als normaler Musikliebhaber hören und die letzten beiden Platten Battle For The Sun oder Loud Like Love finde ich persönlich ja nur so semi-gut. Die Obsession ist also lange vorbei, doch die offizielle Veröffentlichung der B-Sides am 31. Juli, die nur digital verfügbar bzw. im Stream zu hören sind, ließ mich wohl kurz in Erinnerung schwelgen. Falls ich jemals face-to-face auf Brian Molko treffen sollte, werde ich aber dennoch in Ohnmacht fallen.

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