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Popkultur

Review „Patient Number 9“: Ozzy trickst den Tod aus

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Ozzy Osbourne
Foto: Christie Goodwin/Getty Images

Ozzy Osbourne muss seit Jahrzehnten niemandem mehr etwas beweisen. Genau das macht sein neues Album Patient Number 9 so stark: Es ist eine überlange Hard-Rock-Preziose, die sich heute so niemand mehr leisten würde.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr euch Patient Number 9 anhören:

Es ist ein Wunder, dass er noch steht. Und das nicht erst seit gestern: Ozzy Osbourne ist das unkaputtbare Stehaufmännchen des Rock’n’Roll. Parkinson, seine kürzliche Rücken-Operation, dazu Jahrzehnte des ausschweifenden Lebens, geschnupfte Ameisen und ein Leben für die Bühne können ihn nicht aufhalten. Mit 73 Jahren veröffentlicht er sein 13. Studioalbum Patient Number 9 – und pflegt alte Tugenden, die in der Welt der harten Musik mehr und mehr verloren gehen.

Eigentlich viel zu lang

Das Schönste an diesem Album ist nicht die illustre Schar an hochkarätigen Gästen, mit denen er es aufgenommen hat. Das Schönste ist auch nicht die Selbstverständlichkeit, mit der Ozzy über die dunkle Seite der Macht wie auch über seine eigene Sterblichkeit singt. Es ist der Fakt, dass heute im Grunde niemand mehr ein Album wie Patient Number 9 schreibt: Es ist mit 61 Minuten eigentlich viel zu lang, gleich der Opener knackt die Sieben-Minuten-Marke und die Musik ist im besten Sinne archetypisch.

Das bedeutet nicht, dass Ozzy nostalgisch oder altmodisch klingt. Ihm gelingt mit Patient Number 9 einfach ein Hard-Rock-Album, das im Herzen nach den Achtzigern klingt und dennoch die Reife und den Vanitas-Gedanken eines gealterten Helden in sich trägt. Gute zwei Jahre nach Ordinary Man hat sich Ozzy wieder mit Produzent Andrew Watt zusammengetan, um einen härteren, dunkleren Nachfolger zu erschaffen. Die letzte Zusammenarbeit mag noch ein wenig die zwischen einer Ikone und eines Fans gewesen sein; diesmal wissen die beiden viel besser und legen eine knackige Produktion hin, die sich viele kleine Zitate an Ozzys Vergangenheit erlaubt.

Eric Clapton klingt wie bei Cream

In No Escape From Now (mit Tony Iommi) sind das Gesangseffekte, die an Planet Caravan erinnern, in One Of Those Days sorgt ein Eric Clapton an der Gitarre für einen der größten Momente: So sehr nach Cream (und damit nach einem Einfluss von Ozzy) klang der Gitarrist seit Jahrzehnten nicht. Die beiden sind nur zwei von einer ganzen Riege geadelter Musikpräsenz: Ozzys langjähriger Gitarrist Zakk Wylde erledigt das Gros der muskelbepackten Riff-Arbeit, dazu bevölkern Jeff Beck, Josh Homme, Mike McCready von Pearl Jam oder sogar der verstorbene Taylor Hawkins ein Album, das ebenso reflektierend wie genussvoll ist. Ozzy hat Bock. Und er weiß, dass auch seine Zeit endlich ist.

Man mag es Spätwerk nennen, vielleicht ist es ja auch wirklich Ozzys letzter Streich. So oder so muss man Patient Number 9 als Hard-Rock-Fest würdigen, als Triumph eines Künstlers, der sich gegen alle Widrigkeiten noch mal zurückgekämpft hat und sich nicht schämt, das auch zu feiern. Gesanglich klingt er so gut wie seit Jahren nicht, musikalisch bewegt er sich irgendwo zwischen Bark At The Moon und Sabbath-Sludge und lässt sich Raum für persönliche Präferenzen: A Thousand Shades setzt sich mit pompösen Streichern tatsächlich mit Ozzys lebenslanger Beatles-Manie auseinander. Kann man sich auch mal gönnen.

Mit der großen Stadionballade God Only Knows endet ein Album, das sich zwar wie ein Abschied anfühlt, aber dafür eigentlich viel zu agil, zu lebendig klingt. Und einige der stärksten, persönlichsten Songs enthält, die man seit den Achtzigern von Ozzy gehört hat.

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Zeitsprung: Am 3.12.1948 kommt Ozzy Osbourne zur Welt.

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