Popkultur
Zeitsprung: Am 3.12.1948 kommt Ozzy Osbourne zur Welt.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 3.12.1948.
von Christof Leim
Prince Of Darkness, Rock’n’Roll-Legende, Familienvater: Ozzy Osbourne feiert am 3. Dezember Geburtstag und kann auf ein ziemlich wildes Leben zurückblicken. Geschichten über unseren liebsten „Madman“ gibt es Dutzende, wagen wir also zum Ehrentag einen Schnelldurchlauf seines wilden Lebens. Bitte anschnallen. Long live Ozzy!
Hört hier in die besten Ozzy-Solosongs rein:
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Ja, Ozzy hat es richtig, richtig krachen lassen. Die Geschichten seiner Ausschweifungen sind so legendär, dass man sich durchaus wundern darf, dass der Mann ein hohes Alter erreicht hat. Aber neben Sex und Drugs darf man keinesfalls den Rock’n’Roll vergessen. Als Sänger von Black Sabbath hat Ozzy den Heavy Metal miterfunden, wofür wir ihm selbstredend ewig dankbar sein werden. Er hat den planetenerschütternden Riffs von Tony Iommi seine eigenständige Stimme hinzugefügt und in den Siebzigern einige der wichtigsten Platten des Genres erschaffen. Später legte er dann eine überaus erfolgreiche Solokarriere hin, wurde Familienvater und Reality-TV-Berühmtheit. Selbst wenn die Rockerrente schon mehrmals auf dem Plan stand, muss man den Mann vermutlich eines Tages schreiend von der Bühne zerren. Gott sei Dank.
Die Anfänge
Unser liebster Ozzy kommt am 3. Dezember 1948 als John Michael Osbourne in der Industriestadt Birmingham zur Welt. Er hat drei ältere Schwestern und zwei jüngere Brüder, viel Geld gibt es in der Familie nicht. Schon als Kind bekommt er seinen Spitznamen, bis heute nennen ihn höchstens engste Familienmitglieder noch John. Das scheint ihm zu gefallen, denn sein erstes von vielen Tattoos sticht er sich als Teenager selbst mit einer Nähnadel und Farbe aus Bleistiftminen. Die Buchstaben O-Z-Z-Y auf seinen Fingern sieht man heute noch.
Als er mit 14 die Beatles hört, macht ihn das sofort zum Fan. Insbesondere She Loves You weckt in ihm den Wunsch, Musiker zu werden. Ansonsten sind die Aussichten im industriellen Birmingham der Sechziger auch ziemlich grimmig. Kurz gesagt: Fabrik, Verbrechen oder Rock’n’Roll. Als 15-Jähriger verlässt er die Schule, in der er mit einer Lese- und Rechtschreibstörung zu kämpfen hatte, und endet in einer Reihe wenig zukunftsträchtiger Jobs, darunter Bauarbeiter, Werkzeugmacher und Klempner. Böse Zungen dürften behaupten, dass ihn die Zwischenspiele als Schlachter und Autohupentester (!) besser auf eine Laufbahn im Heavy Metal vorbereiten. Ein “Laufbahnwechsel” in Richtung Einbruch und Diebstahl endet mit mit einem sechswöchigen Aufenthalt im Knast.
Die Urväter des Heavy Metal: Black Sabbath mit Ozzy Osbourne (rechts)
Die Siebziger
Ohnehin geht es um die Musik. 1968 melden sich ein Gitarrist namens Tony Iommi und sein Drummer Bill Ward auf einen Flyer, auf dem zu lesen steht: „Ozzy Zig needs gig. Has own PA.“ Beim ersten Treffen stellen die drei Kollegen fest, dass sie sich sich bereits aus der Schule kennen und nicht leiden können. Musik machen sie trotzdem. Es stößt noch Bassist Geezer Butler dazu, und Black Sabbath sind geboren. Der Rest ist, mal wieder, Geschichte.
Mit den infektiös eingängigen Popsongs der Beatles hat die Wirklichkeit der vier Jungspunde allerdings nichts zu tun, ebensowenig mit dem „Summer Of Love“ in San Francisco. Weil in Birmingham definitiv niemand Blumen im Haar trägt, klingen Black Sabbath dunkler, böser und eindringlicher als die meisten anderen. In den folgenden Jahren schickt sich das Quartett an, die Grundlagen des Heavy Metal zu legen. Es gibt kaum jemanden in der Welt der Krachmusik, der nicht von ihnen beeinflusst wurde: Ob Hard Rock, Heavy, Stoner, Thrash, Black, Death, Doom Metal – überall steckt die DNA der „Sabb Four“ drin. (Himmel, sogar Cindy & Bert haben Paranoid gecovert.) Und nicht wenige Leute behaupten, dass Tony Iommi eigentlich schon alle guten Riffs geschrieben hat. Ozzy sollte man dabei musikalisch nicht unterschätzen: Zwar spielt er kein ein Instrument und hat auch kaum Texte verfasst, aber von ihm stammen die Melodien. Ozzy gab den Sabbath-Songs die Seele, er war die Stimme, mit der sich Millionen Außenseiter, Freaks und Ausflipper identifizieren konnten.
Das erste Album Black Sabbath erscheint am 13. Februar 1970, natürlich an einem Freitag. Der Titelsong definiert tonal ein ganzes Genre, hier gibt’s vor allem den Tritonus, das Teufelsintervall. Paranoid kommt ein halbes Jahr später, das Album und der gleichnamige Song werden zu Hits, Ozzy zum Popstar. Das kostet er aus: Drogen, Mädels, Vollalarm, und immer einen Drink am langen Arm. Nach eigenen Aussagen kommt er 1971 in Denver dank Mountain-Gitarrist Leslie West zum ersten Mal mit Kokain in Berührung. „Die Welt wurde etwas unscharf ab diesem Zeitpunkt“, sagt er selbst.
Gleichzeitig gründet er eine Familie: 1971 findet die Hochzeit mit Thelma statt, bald darauf kommen Jessica und Louis zur Welt, zudem adoptiert Ozzy Thelmas Sohn Elliot. Leider geht das nicht gut, denn als erfolgreicher Musiker ist der junge Vater viel zu oft unterwegs, als Partytier viel zu oft blau.
Spätestens bei Vol. 4 (1972) nehmen die Drogen dann überhand. Keiner der vier Black Sabbath-Musiker ist ein Heiliger, aber der Sänger treibt es immer noch ein bisschen wilder. 1978 steigt er mal für drei Monate aus, kehrt aber zurück, doch es läuft längst nicht mehr alles rund in Riffhausen: Statt neuer Songs gibt es Streit, was schließlich dazu führt, dass Ozzy am 27. April 1979 endgültig rausfliegt. Frustriert verbarrikadiert er sich im Le Parc Hotel in Los Angeles und versumpft vollkommen. „Ich habe 96.000 Pfund Abfindung bekommen“, erzählt er später, „also habe ich drei Monate lang gekokst und gesoffen. Ich war mir sicher, dass ich demnächst zurück in Birmingham und arbeitslos sein werde. Das sollte meine letzte Party sein.“ Ozzy ist da 30 Jahre alt.
Allerdings gibt es bereits einen Plattenvertrag als Solokünstler mit dem ehemaligen Sabbath-Manager Don Arden, der seine Tochter Sharon nach Kalifornien schickt, um nach dem Rechten zu sehen. Die beiden kennen sich schon länger, bei einem der ersten Zusammentreffen in einem Büro trägt Ozzy angeblich eine Pyjamahose, kein Shirt und einen Wasserhahn an einer Kette um den Hals. In seiner düsteren Phase erweist sich Sharon als Rettung und sorgt dafür, dass Ozzy seine Karriere wieder in Angriff nimmt. Mehr noch: Die beiden verlieben sich, am 4. Juli 1982 heiraten sie auf Maui. (Ozzy erzählt später, er habe den US-amerikanischen Unabhängigkeitstag gewählt, damit er das Hochzeitsdatum nicht vergisst.) Trotz harter Zeiten sind die beiden heute noch verheiratet und haben drei Kinder namens Aimee, Kelly und Jack.
Die Achtziger
Sharon sorgt dafür, dass der Musiker eine neue Band zusammenstellt und zum Anbruch der Achtziger durchstartet. Dabei beweist unser Mann nicht zum letzten Mal ein geradezu goldenes Händchen für Gitarristen und verpflichtet den außerirdisch talentierten Kalifornier Randy Rhoads von der Band Quiet Riot. Die beiden folgenden Alben Blizzard Of Ozz (1980) und Diary Of A Madman (1981) gehören zur Standardausstattung im Heavy Metal und etablieren Ozzy als Solokünstler.
Aber Ozzy übertreibt es weiter: Im März 1981 soll er bei einem Plattenfirmen-Meeting als große Geste lebende Tauben fliegen lassen. Doch dem Künstler wird langweilig, und die Flasche Brandy auf dem Hinweg hilft nicht. Denn Ozzy zieht die Vögel aus der Tasche und beißt ihnen die Köpfe ab (richtig gelesen). Man darf sich fragen, ob das als „große Geste“ durchgeht, der Zusammenarbeit mit CBS Records tut es jedenfalls gar nicht gut.
Im Januar 1982 wirft ein Fan bei einem Konzert eine Fledermaus auf die Bühne. Der Sänger hält sie für Plastik und beißt ihr ebenfalls den Kopf ab. Er weiß ja jetzt, wie sowas geht. Allerdings beißt das Tier zurück, so dass schmerzhafte Spritzen gegen Tollwut nötig werden. Ozzys Ruf als „Madman“ festigt sich zusehends. Am 18. Februar 1982 pinkelt „Doppel-O“ dann sternhagelvoll gegen das Alamo-Denkmal, was in Texas einem Kapitalverbrechen gleicht. Nach seiner Verhaftung darf er die Stadt San Antonio für ein Jahrzehnt nicht mehr betreten.
Dass er zwei Jahre später auf einer Tour ausgerechnet mit Mötley Crüe einen Wettstreit darüber startet, wer krasser drauf ist, und diesen mit großem Vorsprung gewinnt, dürfte uns nicht mehr überraschen. Der siegreiche Schachzug: Als das Koks ausgeht, zieht Ozzy eine Ameisenstraße in die Nase (Ja, Ameisen. Lebend.). So schreiben es Mötley Crüe in ihrer Bandbio The Dirt, Ozzy selbst weiß das nicht mehr so genau. Wir möchten es nicht ausschließen.
Noch vorher ereignet sich eine Tragödie: Als Randy Rhoads am 19. März 1982 bei einem ebenso dämlichen wie vermeidbaren Flugzeugabsturz ums Leben kommt, trifft das den Sänger hart. Das heißt: Noch mehr Saufen, noch mehr Drogen, noch mehr Chaos. Es dauert, bis unser Mann wieder halbwegs in die Spur kommt, verwunderlicherweise reißt der Reigen an tollen Alben aber nicht ab. Nächste Höhepunkte: Bark At The Moon (1983) und The Ultimate Sin (1986) mit Flitzefinger Jake E. Lee, der dadurch zum international gefeierten Gitarrenstar wird. Ozzy verkauft mittlerweile deutlich mehr Platten als seine alten Kollegen von Black Sabbath, vielleicht auch, weil er sich der MTV-Ära angepasst hat. Das heißt: Unfassbar bunte Klamotten und raumgreifende Föhnfrisuren. Auch die Produktinen klingen ein bisschen nach Plastik, bieten aber tollen Achtziger-Metal.
1987 gelingt noch einen Glücksgriff: Ozzy verpflichtet einen unbekannten Zwanzigjährigen namens Jeffrey Wielandt als neuen Mitmusiker. Heute kennen wir den Mann unter dem Namen Zakk Wylde als einen der besten Rockgitarristen der Welt. Er bleibt seinem Mentor trotz Solokarriere bis heute treu ergeben. (Die ganze Geschichte zu Zakks Einstieg steht hier.) Die erste gemeinsame Show spielen die beiden übrigens im Sommer 1987 in einem der härtesten Gefängnisse Englands. Ozzy nennt den krassen Tag seine „letzte gute Erinnerung an die Achtziger“. Der Wechsel zwischen Besinnung und Entzug auf der einen, Drogen und Wahnsinn auf der anderen Seite gehört weiter zum Tagesgeschäft, wie man 1988 im Film The Decline of Western Civilization Part II: The Metal Years ((LINK)) sehen kann. Darin diktiert er der Regisseurin Penelope Spheeris „Nüchtern sein ist Scheiße!“ ins Mikro. Später stellt sich allerdings heraus, dass die Szenen in der Küche gestellt sind und die Sache mit dem Orangensaft zum Teil sogar gefälscht wurde.
Was nicht heißen soll, dass Ozzy alles im Griff hat, und lustig ist das schon lange nicht mehr. Als er von der Tour zu No Rest For The Wicked zurückgekehrt, die mit der monumentalen Anti-Drogen(!)-Veranstaltung Moscow Music Peace Festival endet, will er am 2. September 1989 im Suff seine Frau Sharon umbringen. Die berichtet: „Irgendwann hat sich Ozzy in Unterhose zu mir aufs Sofa gesetzt und erklärt: ‚Wir haben uns entschieden. Es tut uns leid, aber du musst sterben. Es gibt keine andere Möglichkeit.‘ Ich habe ihm natürlich gesagt, er solle die Fresse halten und sich verpissen – aber er ist auf mich gesprungen und hat die Hände um meinen Hals gelegt.“ Ozzy landet daraufhin im Knast und ohne Umschweife in einer längeren Entziehungskur – nicht die erste, nicht die letzte. Seine Frau trennt sich von ihm, doch die beiden finden wieder zusammen.
Die Neunziger
So geht es nicht weiter. Als Ozzy 1991 No More Tears rausbringt, wirkt er wie runderneuert: Sportlich fit, mit wallendem Langhaar und Lennon-Brille. Vor allem aber zieht er musikalisch alle Register und verkauft Millionen der hier ausdrücklich empfohlenen Platte, für die sein Kumpel Lemmy Kilmister von Motörhead einige Texte beigesteuert hatte. Mit der zugehörigen No More Tours-Tour will er sich zur Ruhe setzen, bei einer Show in Costa Mesa bittet er sogar für ein paar Songs seine alten Black Sabbath-Kollegen auf die Bühne. Doch mit dem Ruhestand wird es nichts, 1995 folgt die Retirement Sucks-Tour.
In den Neunzigern geht es allgemein für die klassische Rockmusik drunter und drüber, auch um Ozzy wird es ruhig, was neue Alben anbelangt. Dafür startet ab 1996 die Festivalreihe Ozzfest durch, die seine Frau Sharon und Sohn Jack ins Leben gerufen haben, und die den gesundheitlich angeschlagenen Familienvater einem neuen Publikum näher bringt. 1997 kommt es sogar zu einer Reunion von Black Sabbath (minus Bill Ward).
Die 2000er
Große Wellen über die Musik hinaus schlägt Ozzy Osbourne ab März 2002 mit der Reality-TV-Serie The Osbournes, die das häusliche Leben seiner Familie zeigt. Innerhalb von drei Jahren erlangt Ozzy so eine traurige Berühmtheit, denn er wirkt wie ein taumelnder Tattergreis mit Tattoos und Sprachstörungen. Später stellt sich raus, dass Ozzy während der meisten Drehtage völlig „drauf“ war.
Musikalisch lässt er es langsam angehen, es erscheinen nur Cover- und Livealben. Das Touren kann er trotzdem nicht sein lassen. In den Schlagzeilen taucht er weiter auf: 2003 kommt Ozzy bei einem Unfall mit einem Quad-Bike fast ums Leben, 2004 wird er zum Botschafter für Alien-Besucher gewählt und erhält seine eigene Eiscreme. 2009 schließlich erscheint die Autobiografie I Am Ozzy. Dass es noch genügend Material für ein zweites Buch geben soll, glauben wir gerne.
Weil selbst ein „Madman“ mal älter wird, bekommt der Sänger seine Suchtprobleme immer mehr in den Griff. Die Familie spielt eine größere Rolle, vielleicht haben sich seine grundsätzlichen Unsicherheiten auch gelegt, jedenfalls erweist sich der ehemalige „Prince Of Darkness“ in Interviews als lustiger, latent verwirrter Mensch mit großem Herzen. Wie er seinen Lebensstil mehrere Dekaden durchhalten konnte, wundert ihn selbst wohl am meisten.
Von Black Sabbath erscheint 2013 sogar ein neues Album namens 13, im Jahr 2016 startet die Band eine letzte Welttour und löst sich nach einem Abschiedskonzert am 4. Februar 2017 in Birmingham auf. Im Februar 2018 schließlich kündigt Ozzy seinerseits eine finale Rundreise an und spielt 2018 in Deutschland. Dass er so etwas schon mal vorhatte, scheint ihm bewusst zu sein, denn der Trek heißt nicht ganz unironisch: No More Tours 2…
Es wird der Tag kommen, an dem sich Ozzy Osbourne tatsächlich zur Ruhe setzt. Im Rock’n’Roll wird dann etwas fehlen. Wir sagen bis dahin schon mal: Happy Birthday, Ozzy!
Headerbild Credit: Promo/Neil Preston
Zeitsprung: Am 2.9.1989 will Ozzy im Suff seine Frau Sharon umbringen.

Popkultur
Zeitsprung: Am 7.6.1993 ändert Prince seinen Namen in ein unaussprechliches Symbol.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 7.6.1993.
von Christof Leim
An seinem 35. Geburtstag ändert Prince seinen Namen in ein unaussprechliches Symbol. Damit will er gegen seine Plattenfirma protestieren, von der er sich künstlerisch eingeschränkt fühlt. Der Rest der Welt wundert sich…
Hört hier in die besten Prince-Songs rein:
Seinen ersten Plattenvertrag unterschreibt Prince Rogers Nelson 1977. Darin einigt sich der 18-Jährige mit Warner Bros. Records darauf, die völlige kreative Freiheit zu behalten und sämtliche Alben selbst zu produzieren. Das funktioniert für alle Beteiligten gut, macht Prince zum Star und bringt Warner Millionenseller wie Purple Rain (1984) und Sign O’ The Times (1987). Deshalb stört es auch niemanden, wenn der Mann zwischendurch zum Beispiel ein fertiges Album in die Tonne kloppt und schnell mal eben ein neues aufnimmt (siehe Lovesexy, 1988). 1992 wird der Deal sogar verlängert.
Grundlegende Meinungsverschiedenheit
Dem unglaublich produktiven Künstler liegt Anfang der Neunziger viel daran, seine unzähligen unveröffentlichten Songs – angeblich über 500 – so schnell wie möglich unter die Leute zu bringen. Verständlich, denn dafür hat er das Zeug ja geschrieben. Die Plattenfirma lehnt das jedoch ab, denn sie legt (nicht weniger verständlich) Wert darauf, nur das beste Material in die Läden zu stellen und vor allem den Markt nicht zu überschwemmen. Prince macht keinen Hehl daraus, dass ihm das so gar nicht gefällt und malt sich für öffentliche Auftritte das Wort „Slave“ (dt.: Sklave) ins Gesicht. Nur nützt ihm das nichts, denn Warner Bros. besitzen die Rechte an Princes Künstlernamen und kreativem Output, wie es für Plattenverträge völlig üblich ist. Kurz gesagt: Warner wollen nicht einfach Hunderte an Liedern raushauen, Prince will nicht nur eine Marke sein, mit der die Firma Geld verdient.
Also lässt sich unser Mann etwas einfallen: Er verkündet am 7. Juni 1993, seinem 35. Geburtstag, dass er von nun an nicht mehr den Namen Prince nutze, sondern ein Symbol, das aussieht wie ein Mashup aus den astrologischen Zeichen für Mann und Frau. „Es ist ein unaussprechliches Symbol, dessen Bedeutung nicht erklärt wurde“, heißt es in einer kryptischen Erklärung des Künstlers. „Es geht darum, in neuen Wegen zu denken.“ Prince lässt sich das Ding als „Love Symbol #2“ schützen, packt es auf das Cover seines 1992er-Albums und nutzt es fortan als Bezeichnung für sich selbst.
Ändert aber nix…
Das ist natürlich alles ein bisschen unpraktisch. Zum einen kann man das „Symbol“ nicht schreiben, weshalb Warner Floppy Disks mit einer Grafikdatei an die Medien verschickt. Außerdem weiß niemand, wie man dass denn nun jetzt aussprechen soll. MTV lösen das Problem angeblich, indem sie in ihren Sendungen immer ein metallisches „Klonk!“ einspielen, wenn das „Symbol“ genannt werden müsste. Doch es hilft alles nichts, ein Name muss her. Irgendwann einigt man sich auf „The Artist formerly known as Prince“ oder „TAFKAP“. Das ist offensichtlich ziemlich bescheuert, und für die Fans bleibt ihr Held ohnehin Prince. Vor allem aber: Der Vertrag mit Warner gilt natürlich trotzdem weiter, und juristisch, also „in echt“, heißt der Mann weiterhin Prince Rogers Nelson. Und beides weiß er auch.
Added to my collection: 3.5″ floppy given to press when Prince changed his name. Contains a font w/ one symbol in it. pic.twitter.com/mNL0eOHDGI
— Anil Dash (@anildash) 23. Juni 2014
Viele in der Musikindustrie halten die Aktion für verrückt, die Fans wundern sich, aber immerhin bringt „TAFKAP“ seinen Standpunkt deutlich zum Ausdruck. Die folgenden Alben und Singles gelten allerdings nicht als Höhepunkte seines Schaffens, die Verkaufszahlen gehen deutlich zurück.
Erst im Jahr 2000, als der Vertrag mit Warner ausläuft, nutzt Prince wieder seinen alten Namen. Statt sich erneut an eine Firma zu binden und die herkömmlichen Wege für Vertrieb und Vermarktung zu wählen, agiert er als sein eigener Herr, setzt auf das Internet und baut eigene Strukturen auf. In einem Interview mit Larry King erklärt sich Prince beziehungsweise „TAFKAP“ beziehungsweise „Klonk!“.
2014 jedoch setzt sich der Künstler wieder mit Warner an einen Tisch, weil sein Erfolgsalbum Purple Rain zum 30. Jubiläum neu aufgelegt wird. Das Einlenken lohnt sich, denn Prince gewinnt die Rechte an all seinen alten Platten zurück. Leider stirbt der Ausnahmemusiker am 21. April 2016 mit nur 57 Jahren.
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Zeitsprung: Am 10.5.1988 veröffentlicht Prince das kurzfristig aufgenommene „Lovesexy“.
Popkultur
Von Woodstock bis zum Fyre Festival: Die größten, besten und schlimmsten Festivals aller Zeiten
Die Sonne knallt, die ersten Mega-Festivals sind schon über die Bühne gegangen. Zum Start der Freiluftsaison stellen wir Open-Air-Festivals vor, die in die Geschichtsbücher eingegangen sind – positiv wie negativ.
von Björn Springorum
Sommer, Sonne, Bier in der Hand und eine Band unter freiem Himmel sehen: Seit über 50 Jahren sind Musikgfestivals ein integraler Bestandteil des Sommers und ein Übergangsritus für unzählige Generationen. Manche Festivals sind bis heute unvergessen, manche würde man lieber sofort wieder vergessen – Bühne frei für unsere Top 10 der denkwürdigsten Festivals aller Zeiten.
Der Pionier: Monterey Pop Festival (1967)
Bei der Mutter aller Festivals denken alle immer gleich an Woodstock, und das aufgrund der Symbolkraft auch nicht zu Unrecht. Der eigentliche Pionier der Gegenkulturfestivals findet aber im Juni 1967 statt – also rund zwei Jahre vor Woodstock. In Nordkalifornien wird Musikgeschichte geschrieben, als Jimi Hendrix sein US-Debüt gibt (nur echt mit brennender Gitarre), als The mamas And The Papas, Eric Burdon And The Animals, The Who, The Byrds oder Big Brother And The Holding Company das Zeitalter von Aquarius herufbeschwören. Sogar der offizielle Werbesong San Francisco (Be Sure To Wear Flowers In Your Hair) von Scott McKenzie wird zur Legende.
Der Mythos: Woodstock (1969)
Vieles ging schief bei Woodstock. Die Organisatoren waren nicht auf die Massen vorbereitet, statt der geschätzten 50.000 kamen 400.000 überwiegend junge Menschen. Es regnete, alles versank im Schlamm, der Zaum ums Gelände wurde nicht rechtzeitig fertig, die PA war schwach und das Essen ging aus. Alles egal: Woodstock ist dennoch die Urmutter aller Festivals, der Aufschrei des jungen Amerikas gegen den Vietnamkrieg. Fast schon nebensächlich, wer da auf der Bühne spielte (unter anderem Jimi Hendrix, Santana, Jefferson Airplane, The Who, Sly & The Family Stone, Crosby, Stills, Nash & Young, Mountain, The Grateful Dead, Creedence Clearwater Revival und Janis Joplin). Als Jimi Hendrix die Nationalhymne verzerrt besessen spielte, waren nur noch 40.000 Menschen da. Der Hippietraum war bald darauf vorbei, auch Woodstock konnte ihn nicht retten. Der Mythos, der wird aber für immer derselbe bleiben.
Der Riese: Isle Of Wight Festival (1970)
Ein Jahr nach Woodstock ist der Vietnamkrieg immer noch nicht zu Ende. Also kommen auf der Isle Of Wight bei bestem englischen Sommerwetter (nasskalt, windig, grau) 600.000 Besucher zusammen – die bis dato größte Menschenansammlung in Europa. Jimi Hendrix und Joan Baez verbreiten auch in Europa ihre Botschaft des Friedens, außerdem spielen Miles Davis, The Doors, The Who, Lighthouse, Ten Years After, Emerson, Lake & Palmer, Joni Mitchell, The Moody Blues, Leonard Cohen oder Jethro Tull. Ausgerechnet nach dem Event 1970 ist erst mal Schluss mit dem Isle of Wight Festival – bis 2002.
Der Anarchist: Love-And-Peace-Festival
Die Ostseeinsel Fehmarn geht im September 1970 in die Geschichtsbücher ein: Hier spielt Jimi Hendrix sein letztes Konzert vor seinem Tod am 18. September. Der Auftritt ist allerdings lustlos, unmotiviert, überhaupt läuft auf dem Festival nichts wirklich rund: Das Wetter ist schlecht, die Organisation mangelhaft, zudem zwingen 180 Rocker der Bloody Devils die Veranstalter dazu, als Security eingesetzt zu werden. Ganz miese Idee. Procol Harum und Ten Years After sagten ab, die Besucher bauten sich aus den Türen der Latrinen Windschutz. Am Ende spielen Ton Steine Scherben (damals noch als Rote Steine). Während sich die veranstalter mit der Tageskasse aus dem Staub machten, spielte die Band Macht kaputt, was euch kaputt macht – und die Besucher nahmen das sehr ernst. Man kann also sagen, dass das desaströse Festival nicht gerade seinem Namen gerecht wurde.
Der Millionenflop: US Festival (1983)
Schon das erste US Festival 1982 von Apple-Gründer Steve Wozniak wird trotz Fleetwood Mac, The Grateful Dead, The Police oder Tom Petty zum Mega-Flop, der den Veranstalter zwölf Millionen US-Dollar kostet. Hält Wozniak nicht ab, es im nächsten Jahr gleich noch mal zu versuchen. Diesmal kamen Stevie Nicks, David Bowie oder Van Halen (die allein 1,5 Millionen US-Dollar kosteten), doch selbst die 670.000 Besucher können einen weiteren katastrophalen Flop nicht verhindern. Am Ende bricht Chaos aus, es wird randaliert, zwei Menschen sterben. Zu einer dritten Auflage kommt es nicht.
Der Hipster: Coachella (1999)
Die erste Ausgabe von Coachella ist 1999 ein massiver Flop: Die Veranstalter hofften auf 70.000 Besucher, bekamen gerade mal die Hälfte und verloren eine knappe Million US-Dollar. Am Line-Up mit unter anderem Beck, Tool, Rage Against The Machine, The Chemical Brothers und Morrissey kann es zumindest nicht gelegen haben, so oder so sah alles danach aus, dass das erste Coachella gleich auch das letzte Coachella bleiben würde. Nach zwei Jahren Pause war Coachella wieder da – und wurde dann sehr schnell das beliebteste Festival der USA. Nur Rage Against The Machine treten hier mittlerweile wahrscheinlich nicht mehr auf.
Der Gewalttätige: Woodstock 1999 (1999)
30 Jahre nach Woodstock wird das zweite Sequel des Hippe-Jahrhundertereignisses zur Katastrophe: Über 200.000 Leute kommen in den Bundesstaat New York, doch statt love, peace and music wird das Festival zum Kriegsgebiet: Essen und Getränke sind extrem teuer, die sanitären Anlagen in schlechtem Zustand, es kommt zu zahlreichen Vergewaltigen, sexueller Nötigung, Diebstahl, Plündereien, Brandstiftung und brutaler Gewalt. Der Name Woodstock wurde 1999 für immer beschmutzt
Der Kriminelle: Fyre Festival (2017)
Auch dank der Netflix-Doku ging das Fyre Festival als größter Betrug in die Festivalgeschichte ein. Gepusht von Influencern als paradiesisches Glamour-Event auf den Bahamas, fanden die Festivalbesucher Notzelte und verpackte Sandwiches statt Strandvillen und Gourmetküche vor. Das Festival wurde angesagt, Veranstalter Billy McFarland musste für sechs Jahre ins Gefängnis und wurde zu 26 Millionen US-Dollar Schadenersatz verklagt. Im April 2023 verkündete er dann tatsächlich, dass es Fyre Festival II geben soll. Das kann ja was werden.
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Zeitsprung: Am 28.5.1983 bringt das 2. US Festival tolle Bands und verheerende Kosten.
Popkultur
45 Jahre „The Cars“: Wie eine Bostoner Band die Zukunft der Rockmusik erfand
Das selbstbetitelte The-Cars-Debüt klingt ein bisschen so wie David Bowie und Queen auf einem Roadtrip durch die USA. Auch 45 Jahre nach der Veröffentlichung hat das visionäre The Cars nichts von seinem melodischen Zauber verloren.
von Björn Springorum
Die späten Siebziger sind für die klassische Rockmusik keine einfache Zeit. Links wird sie von räudigem, schnoddrigen Punk überholt, rechts scheren schon die Synthesizer aus, um Wave und Synth-Pop in Position zu bringen. Mittendrin: The Cars aus Boston, die mit ihrem wegweisenden Debüt The Cars den Verlauf der Musik ändern sollen.
Aller Anfang ist schwer
Die Bandgründer Ric Ocasek und Benjamin Orr sind damals alles andere als Greenhorns. Beide über 30, beide schon in diversen Bands in Ohio oder Michigan gewesen. Auf die synthetische Zukunft der Rockmusik haben sie aber erst mal keinen Bock: Sie spielen in der Folk-Band Milkwood, die nach Crosby, Stills And Nash duftet und 1972das Album How’s The Weather hervorbringt. Die Musikwelt interessiert sich damals dafür nicht – und das eigentlich zu Unrecht, wie man hier hören kann:
Mit Folk wird es anscheinend nichts, also versuchen sie es erst mit der Band Richard And The Rabbits und dann mit dem Akustikduo Ocasek And Orr. Man kann also auch sagen, dass sie einfach so lang alle Genres abgrasen, bis mal irgendwas auf offene Ohren stößt. Nächste Station: Cap’n Swing, ebenfalls eine weitgehend vergessene Band, in der aber immerhin auch der spätere The-Cars-Gitarrist Elliot Easton spielt. Irgendwann hat Ocasek genug vom ganzen Misserfolg und den ganzen vergeblichen Anstrengungen. Kostet ja auch Zeit und Kraft. Also holt er sich den Keyboarder Greg Hawkes in die Band und entwickelt ein neues Konzept.
Mit Rockabilly und Punk in die Zukunft
Unter den Namen The Cars gründet sich 1976 eine Band, die aus dem Rockabilly der Fünfziger, dem Minimalismus des Punk und den ungeahnten Möglichkeiten der neuen Synthesizer einen neuen Sound macht. The Cars klingen in ihren frühen Tagen stark nach David Bowie oder Queen, aber eben hinter dem Steuer eines US-amerikanischen Cabrios auf einem Roadtrip durch die Harmonien des Great American Songbook. Hier entsteht Musik, die so klingt wie die Vergangenheit und die Zukunft der Rockmusik.-
Und irgendwie funktioniert alles plötzlich ganz schnell. Am Silvesterabend 1976 spielen sie ihre erste Show auf einer Air Force Base, bei einer ausgedehnten Frühjahrstour 1977 durch New England entwickeln sie im Pink-Floyd-Stil die Songs ihres Debüts. Und die erzeugen schnell einen ordentlichen Buzz um diese neue Band: Ein Demotape wird von Bostoner Radiosendern praktisch im Loop gespielt, schnell ist auch das Interesse großer Plattenfirmen da. Hier war etwas Neues im Busch, da will niemand zu spät auf den Zug aufspringen. Aus Businesssicht sind The Cars damals schon recht clever: Sie entscheiden sich für einen Deal mit Elektra Records (damals auch die Heimat der übermächtigen Eagles), weil das Label im Vergleich zum Mitbewerber Arista Records keine New-Wave-Acts unter Vertrag hat. Man würde, so schlussfolgert die Band, folglich mehr herausstechen.
Aufgenommen wird in London
Und der Plan geht so was von auf: Nach den Aufnahmen in London mit Queen-Hitmaker Roy Thomas Baker erscheint am 6. Juni 1978 The Cars und kann bis auf Rang 18 der erbittert umkämpften US-Charts klettern. Alle Singles charten ebenfalls, aus Radios im ganzen Land dröhnen sehr bald Good Times Roll oder Just What I Needed. Aber warum eigentlich? Warum verkauft sich The Cars über sechs Millionen Mal und bekommt sechsfach Platin? Weil die Rockmusik im Wandel ist. Und The Cars als einer der Zukunftsboten auf den Plan treten.
Das Album erscheint in einer Übergangsphase, in einer Zäsur. Zwar haben AC/DC gerade erst Powerage veröffentlicht, aber zur selben Zeit kommen eben auch Kraftwerk mit ihrem Maschinenmanifest Die Mensch-Maschine und die Rolling Stones mit dem wavigen Some Girls um die Ecke. Es passiert was in der Rockmusik, das klassische Line-Up aus Gitarre, Bass, Drums wird zunehmend weniger nachgefragt. Da passen The Cars mit ihrem eklektischen Sound perfekt.
Jeder Song sitzt
Die Harmonien des Pop, die Melodien des Radio-Rock, die Extravaganz des New Wave und der Simplizismus des Punk erschaffen einen originellen, frischen, eingängigen Sound, der der Band endlich die erhoffte Aufmerksamkeit bringt. Auch nicht unwichtig: Die Songs sind allesamt grandios geschrieben und arrangiert. Und funktionieren bis heute. „Wir scherzten früher, dass wir unser erstes Album eigentlich The Cars Greatest Hits nennen sollen, so meinte Gitarrist Elliot Easton mal.
Das Spannende ist aber auch, wie brückenbauend The Cars damals sind: Die übliche Kluft zwischen Rockern und Poppern wird von ihnen mühelos überbrückt. Für Rocker ist The Cars gerade noch hart und gitarrenlastig genug, für New-Waver sind die Songs in Sachen rockiger Härte gerade noch erträglich.
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