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Popkultur

Two Is A Crowd: Sting im Interview zum neuen Album „Duets“

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Sting & Zucchero
Sting (r.) & Duett-Partner Zucchero (Foto: Daniele Barraco)

Ein Interviewdialog ist auch eine Form des Duetts: Sting im Gespräch über sein neues Album Duets, seine bedingungslose Neugier, den Zufall, die Magie des gemeinsamen Musizierens und einsame Gartenspaziergänge.


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Sting - Duets
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Wie kam es eigentlich zu der Idee, ein paar der größten Duett-Aufnahmen deiner Karriere auf einem Album zu vereinen?

Nun, ich hatte gerade erst einen Song mit Melody Gardot aufgenommen, ein Stück namens Little Something. Wir beide hatten so viel Spaß bei der Arbeit, obwohl wir uns nicht mal dafür getroffen haben: Sie war in den Staaten, und ich habe meinen Teil in Italien eingesungen, wenn ich mich recht entsinne. Jedenfalls sind wir einander zum ersten Mal begegnet, als wir dann das Video dazu machten, und ich fand, dass diese Art des Zusammenkommens etwas echt Spannendes hatte – wenn die Verbindung allein durch die Musik entsteht. Singen ist etwas sehr Intimes, aber man kann dabei auch Distanz wahren, was ja in der aktuellen Situation sehr vorteilhaft ist, wo wir schließlich alle mit diesen Masken herumlaufen, damit sich die Sache nicht weiter verbreitet. Nur brauchen wir eben andererseits auch dieses Verbindende, und ich glaube, dass die Musik eine der besten Möglichkeiten bietet, um darüber eine Verbindung herzustellen.

Also schaute ich meine Aufnahmen aus den letzten zwei, drei Jahrzehnten durch und fand dabei sogar ein paar Duette, die ich eingesungen und ehrlich gesagt schon wieder vollkommen vergessen hatte. Sagen wir so: Ich hatte zumindest vergessen, wie sie eigentlich klangen. Also hörte ich mir diese Liste der Songs noch mal ganz genau an: Ich sang da beispielsweise zusammen mit Charles Aznavour, und erst kürzlich hatte ich mir das Mikrofon mit Mylène Farmer geteilt für Stolen Car, was uns einen richtig großen Hit bescheren sollte. Ja, und dann hatte ich auch noch mit Maître GIMS, mit Eric Clapton, Herbie Hancock und Mary J. Blige gesungen… Ich war echt verblüfft, wie viele grandiose Duett-Aufnahmen da zu finden waren, und so fragte ich mich: „Wäre das nicht eine gute Idee, gerade in dieser Zeit des Distanz-Wahrens und der Trennungen, ein Album zu veröffentlichen, das von derartigen Verbindungen handelt?“ Und so also entstand Duets – eher zufällig. Trotzdem bin ich wahnsinnig glücklich mit dem Resultat. Mich hat dieses Album einfach überrascht, und ich hoffe, dass es andere auch überraschen wird.

Für die Zuhörer*innen funktioniert Duets wie eine Zeitreise durch deine Karriere. Welche Erinnerungen, was für Gefühle sind da hochgekommen, als du diese Songs zum ersten Mal wieder hervorgeholt hast?

Ich hatte, wie gesagt, viele dieser Songs mehr oder weniger vergessen, und deshalb war ich auch richtig aufgeregt und aus dem Häuschen, als sie mir dann zum ersten Mal vorgespielt wurden. Natürlich kamen da unglaublich viele Erinnerungen hoch. Zum Beispiel, wie mir Charles Aznavour in den Neunzigern einen Besuch in England abgestattet hat. Wir nahmen zusammen einen Song auf, wobei ich sogar auf Französisch sang, und ich hatte wirklich keine Erinnerung an dieses Stück, bis ich es dann zu hören bekam. Andererseits weiß ich noch genau, was für ein wunderbar charmanter Mann er war, was für eine Ikone! Und dass dieser Charles Aznavour zu mir nach Hause kommt, um gemeinsam mit mir zu Abend zu essen und einen Song aufzunehmen, das war echt eine Riesenehre. Er ist ja auch erst vor zwei Jahren gestorben. Das ist beispielsweise eine wunderschöne Erinnerung, dass ich mit ihm zusammenarbeiten durfte, und es ist einfach der Wahnsinn, dass es davon eine so tolle Aufnahme gibt.

Doch auch all die anderen Duette sind wundervoll – immerhin sind da Musiker*innen dabei wie ein Herbie Hancock, mit dem ich ein paar Stücke aufgenommen habe. Wir haben letztlich den Song My Funny Valentine ausgewählt, weil der einfach zu meinen absoluten Lieblingstiteln gehört. Es handelt sich dabei zwar um einen Standard, aber das Arrangement ist dermaßen ungewöhnlich, dermaßen frei, dass es mich jedes Mal umhaut. Ja, und dann gibt es so viele andere Tracks… Mary J. Blige zum Beispiel, die meinen Song Whenever I Say Your Name singt. Das war eine wahnsinnig spannende Zeit, als wir diesen Song zusammen aufgenommen haben, weil sie einfach so eine Ausnahmesängerin ist. Sie gibt dem Song etwas, das ich diesem Stück alleine nie hätte geben können. Was ehrlich gesagt auf all diese Aufnahmen zutrifft: Meine Partnerinnen und Partner bringen etwas mit, was dann wiederum mich inspiriert, mich anspornt, weil das Level meiner Performance da einfach mithalten muss. Ich bin dadurch plötzlich nicht mehr allein in meinem angestammten Reich, sondern teile etwas mit anderen und hoffe, daraus etwas zu lernen. Ich glaube, ich habe aus jedem dieser Songs etwas mitgenommen als Künstler und als Mensch. Das bedeutet mir sehr viel, weil da auch Demut mitschwingt.

Es gibt Künstler*innen, die Angst haben vor derartigen Schulterschlüssen. Du hingegen zeigst mit diesem Album, dass du dich auf so gut wie jedes Genre einlassen und mit Künstler*innen aus allen Ecken der Welt und über Sprachgrenzen hinweg zusammenarbeiten kannst. Gibt es eine Lektion, die wir wiederum daraus lernen können?

Nun ja, weißt du, mein wichtigster Antrieb ist meine Neugier. Sie ist der Grund, weshalb ich Musiker bin. Ich singe meine Songs, weil ich neugierig bin und wissen will, wie die Leute wohl darauf reagieren werden. Diese Neugier ist immer da als Antriebskraft, und es geht mir also gar nicht darum, möglichst viel Geld zu verdienen oder möglichst viele Platten zu verkaufen, denn ich bin neugierig: auf den künstlerischen Prozess. Weil es da keine Garantie gibt, wie die Sache ausgehen wird. Ich mag dieses Risiko. Ich mag diesen Entdeckergeist, der da mitschwingt, dass man sich dabei auf ein Abenteuer einlässt. Das hier ist das Abenteuer meines Lebens, und die Kraft, von der ich mich leiten lasse, ist meine Neugier.

Wo es ja nun schon so viele Duett-Aufnahmen gibt: Gibt es denn noch Künstlerinnen oder Künstler, mit denen du gerne zusammenarbeiten würdest?

Oh, natürlich gibt es die, aber ich habe das Gefühl, dass sich solche Dinge immer eher zufällig ergeben. Man trifft sich irgendwie, die Chemie stimmt, und dann spricht man irgendwann über einen Song, den man ja eigentlich mal zusammen aufnehmen könnte. Es hat sich bisher immer alles so organisch ergeben, tut es immer noch, und ich will da auch gar nicht reinpfuschen. Es gibt also niemanden, an dem ich momentan konkret dran wäre. Stattdessen hoffe ich einfach, dass es auch in Zukunft Leute geben wird, die Lust darauf haben, sich mit mir das Mikrofon zu teilen. Übrigens gibt es auch noch ein paar Duett-Aufnahmen, die gar nicht auf dem Album gelandet sind, obwohl sie wahnsinnig gut sind. Erst später ist mir eingefallen, dass ich ja mal mit Pavarotti gesungen habe. Vor vielen Jahren habe ich ein Kirchenlied auf Latein mit ihm gesungen. Vielleicht wird es ja sogar ein Duets-2-Album geben, Material dafür habe ich schon reichlich. Aber was nun dieses Album angeht, bin ich einfach extrem stolz darauf. Und ich glaube daran, dass sich auch in Zukunft solche Aufnahmen ergeben werden. Ich hoffe es.

2020 war ein schwieriges Jahr für uns alle. Wie hast du die Lockdown-Phasen verbracht?

Wie du schon ganz richtig sagst: 2020 war schwierig für jeden Menschen auf diesem Planeten, für jeden Mann, jede Frau, jedes Kind. Ich bin da keine Ausnahme, schließlich hatte ich ursprünglich das geplant, was ich normalerweise mache: eine Tour durch Europa stand an, dazu eine Residency in Las Vegas, und mein Theaterstück The Last Ship sollte stattfinden. Bis dann all diese Pläne zerschlagen wurden. Na ja, wir saßen da ja alle im selben Boot. Im März letzten Jahres bin ich daher zurück nach England gegangen und habe dort zwei Monate verbracht. Ich habe da ein schönes Haus, umgeben von Feldern, ich kann  Spaziergänge machen. Ich war also nicht eingesperrt in einer kleinen Wohnung. Für viele Menschen war das jedoch die Realität, und ich kann mir vorstellen, wie hart das gewesen sein muss, wenn man auf engstem Raum mit weinenden Kleinkindern im Lockdown ist. Da wird es dann wirklich schwierig. Verglichen damit hatte ich eine lockere Zeit. Später war ich dann in Italien, wo ich auch ein Zuhause habe, und jetzt bin ich gerade in Frankreich. Ich hatte echt Glück, dass ich immer einen Garten hatte, in dem ich mich bewegen konnte.

Ich habe viel nachgedacht, habe neue Musik geschrieben, habe darüber nachgedacht, was ich sagen will, was ich sagen muss. Und ganz oft kam ich dann zu dem Schluss, dass ich vielleicht besser gar nichts dazu sagen sollte. Ich glaube, die Welt ist momentan an einem Punkt, an dem so viel Lärm um alles gemacht wird, dass ich dem nicht auch noch etwas hinzufügen will. Es war also eine nachdenkliche Phase, und ich glaube, dass wir alle die Gelegenheit hatten zum Nachdenken: Über unser Verhältnis zum Planeten, unser Verhältnis zur Umwelt, unser Verhältnis zueinander und zu unserem Land. Denn ich bin überzeugt, dass wir es hier mit einer elementaren Herausforderung zu tun haben, schließlich sind wir soziale Wesen, die plötzlich dazu aufgefordert werden, nicht mehr sozial zu sein. Das ist schwierig, aber es ist auch eine Chance, um die Dinge anders zu gestalten. Um sich anderen Herausforderungen zu stellen, was sich auf lange Sicht sogar als Segen erweisen kann.

Das soll jetzt nicht so klingen, als sei das alles ein Spaziergang, aber wenn wir diese Möglichkeit ungenutzt verstreichen lassen, bahnen wir womöglich den Weg für Schlimmeres. Es wird auch nicht die einzige Pandemie bleiben, vielleicht folgen schon bald weitere. Wir haben den Klimawandel, wir haben existentielle Fragen, die wir zusammen als Weltgemeinschaft angehen müssen, bei denen Entscheidungen auf Länderebene nicht mehr ausreichend sind. Ich mache mir große Sorgen um die politische Landschaft, denn da wird vieles enger und kleiner gedacht, obwohl man den Fokus vergrößern müsste. Wir sitzen im Schlamassel, aber wir haben auch eine Chance, nur scheint das Zeitfenster für diese Chance ziemlich klein zu sein. Um Veränderungen auf den Weg zu bringen, brauchen wir den politischen Willen dazu, und deshalb sind unsere Wahlstimmen so wichtig wie nie.

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