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Popkultur

„Street Fighting Man“: Der Song, mit dem sich die Stones auf die Seite der Protestierenden schlugen

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Rolling Stones
Foto: Mark and Colleen Hayward/Redferns/Getty Images

In den von Um- und Aufbrüchen geprägten Sechzigerjahren zählten die Rolling Stones nicht gerade zu den politischsten Bands. Es gab zwar durchaus Lippenbekenntnisse von ihnen, vereinzelte Äußerungen zu den brennenden Fragen jener Tage – zur Bürgerrechtsbewegung in den USA beispielsweise, auch zur Einwanderungsdebatte daheim in England –, doch auf ihren Alben, in ihren Songs drehte sich bei den Stones weiterhin alles um Themen wie die Liebe oder das individuelle Seelenheil.

von Robert Ham

Bob Dylan brachte die Sache ziemlich gut auf den Punkt, als er einst zu ihnen sagte: „Satisfaction hätte ich auch schreiben können, aber ihr hättet niemals Blowin’ In The Wind schreiben können.“

Doch es gab einen krassen Einschnitt gegen Ende des Jahrzehnts: 1968 hatte Mick Jagger in London an einer großen Demo gegen den Vietnamkrieg teilgenommen, und danach konnten er und seine Bandkollegen dabei zusehen, wie sich die Protestwelle ausbreitete, denn auch in den USA und Frankreich fanden vergleichbare Demonstrationen statt. Hier war es Keith Richards, der die passenden Worte fand: „Unsere Generation platzt gerade aus allen Nähten.“

Kämpfen in den Straßen

Die Energie dieser Bewegung inspirierte nun auch den kreativen Prozess der Stones, die in jenen Tagen einige ihrer größten Songs schreiben sollten: Im Text des programmatischen Titels Street Fighting Man, den die Band fürs Album Beggars Banquet (1968) aufnahm, kanalisiert Jagger den Spirit jener Tage, wenn er „a palace revolution“, eine Palastrevolution fordert und danach auf einen Hit von Martha & The Vandellas anspielt, den er später zusammen mit David Bowie covern sollte, wenn es heißt „Summer’s here and the time is right for fighting in the street…“ (Bei Martha wurde bekanntermaßen noch getanzt.)


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Angeblich war es gar nicht so einfach, die kämpferische Aufbruchsstimmung, diesen Spirit und den Sound ihres Street Fighting Man zu treffen. Im Studio spielten sich Jagger und Richards die Bälle zu, machten Notizen und schrieben spontan daran weiter, bis sie den Originalplan verwarfen und die Einzelteile des Stücks komplett neu arrangierten. So entstanden auch die berühmten, wenngleich vernichtenden Zeilen: „But what can a poor boy do/except to sing for a rock’n’roll band?“ Tja, welche Option hätte dieser „poor boy“ sonst noch?

Sitar & Kofferschlagzeug

Die Komposition basierte auf einer Idee, die längst nicht mehr neu war, als die Band schließlich die Olympic Sound Studios betrat, um die einzelnen Spuren von Street Fighting Man einzuspielen. Richards hatte nämlich schon im Jahr davor versucht, einen Gitarrensound zu kreieren, der ihm vorschwebte: So ein „trockener, knackiger Sound“, wie er es hinterher beschrieb. Er traf diesen Sound schließlich, indem er eine Akustikgitarre über ein nahes Mikrofon in einen der ersten Kassettenrekorder einspeiste.

Der eigentümliche Sound des Stücks basiert auf noch einer weiteren Besonderheit: Charlie Watts setzte für die Aufnahme auf ein altes, recht mickriges Übungs-Schlagzeugset, das sich auf Koffergröße zusammenpacken ließ. Streng genommen eher ein Spielzeug, verpassten sie der Bassdrum im Studio hinterher richtig Nachdruck, während der sonst blecherne Klang des Sets den perfekten Rahmen bildete, um Jaggers Gesang und Richards’ Bassline noch mehr Raum zu geben. Dazu garnierten sie den Song mit ein paar psychedelischen Einsprengseln – dem Sound einer Sitar etwa (eingespielt von Brian Jones) oder auch einer Shehnai, einem traditionellen Rohrblattinstrument aus Indien, die Dave Mason (Traffic) beisteuerte.

Song mit Konfliktpotential

In den Staaten ließen die Reaktionen auf Street Fighting Man, wo der Song im August 1968 als Single erschien, nicht lange auf sich warten – allerdings waren es keine Jubelschreie: Einige Radiosender im Raum Chicago weigerten sich, das Stück zu spielen, weil sie befürchteten, damit noch zusätzliches Öl ins Feuer zu gießen, den Konflikt zwischen Protestierenden und Polizei noch weiter anzuheizen. Immerhin waren die beiden Lager erst kurz davor beim DNC, der Nationalversammlung der US-Demokraten, aneinandergeraten. Obwohl auch in den Charts dementsprechend wenig passierte, entwickelte sich Street Fighting Man in den Jahrzehnten danach zu einem absoluten Trademark-Song der Band, der auch regelmäßig auf ihren Konzerten zu hören ist.

Was nun die Glimmer Twins angeht, äußerten sie sich später sehr unterschiedlich zu dem Song: „Ich weiß nicht mal, ob er für die aktuelle Situation irgendeine Resonanz hat“, formulierte es Jagger gegenüber Jann Wenner vom US-Rolling Stone im Jahr 1995. „Eigentlich mag ich ihn gar nicht so sehr. Damals jedoch hielt ihn für eine sehr gute Sache.“ Richards hingegen äußerte sich sehr viel enthusiastischer über Street Fighting Man, als Marc Meyers vom Wall Street Journal ihn darauf ansprach: „Das war der Punkt, an dem die Vision Wirklichkeit wurde“, so Richards. „Als die Aufnahme von Street Fighting Man im Kasten war und wir uns noch einmal das Master anhörten, musste ich einfach nur grinsen. Das ist die Art von Aufnahme, die man einfach lieben muss.“

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