Popkultur
Die besten Songs von The Killers – und die Orte, an denen man sie hören muss
Schon mit ihrem Debütalbum Hot Fuss wurden The Killers zur Sensation: Sie beherrschten den Balanceakt zwischen Post-Punk und Synthie-Pop dermaßen gut, dass ihnen Fans und Kritiker*innen sofort zu Füßen lagen. Seither haben sie in jeder Hinsicht nachgelegt, sodass ihre Diskografie inzwischen Songs in jeder Größenordnung bereithält…
von Erica Campbell
In Las Vegas fiel der Startschuss
Die beste Britpop-Band der Vereinigten Staaten stammt aus der Wüste: The Killers fanden im Jahr 2001 in Las Vegas zusammen. Schon mit ihrem Debütalbum Hot Fuss wurden sie schlagartig weltberühmt: Sie beherrschten den Balanceakt zwischen Post-Punk und Synthie-Pop dermaßen gut, dass Fans und Kritiker*innen begeistert waren. Obwohl (vielleicht auch gerade weil) ihr Sound in so kurzer Zeit so viele Anhänger*innen rund um den Globus gefunden hatte, schlug die Band schon wenig später einen Haken, konzentrierte sich musikalisch plötzlich eher auf US-Vorbilder und ihre Heimatgefilde: So entstand der Americana-Sound des legendären zweiten Albums Sam’s Town. Und heute, rund anderthalb Jahrzehnte später, geht ein halbes Dutzend Studioalben auf ihr Konto, dazu ein Greatest-Hits-Album und eine B-Seiten-Compilation – deren Songs ehrlich gesagt auch als A-Seitenmaterial durchgehen könnten.
Vinyl-Deal der Woche:
Wie also lautet ihr Erfolgsrezept? Sind es womöglich die Texte von Brandon Flowers? Wer sonst kommt bitteschön ungestraft mit einer Zeile wie „I pull up to the front of your driveway, with magic soaking my spine“ davon?! Vielleicht ist es auch der Kontrast zwischen den oftmals dreckigen, unschönen, immer in den USA verwurzelten Anekdoten und dem Glamourösen, dem schillernden Glanz ihrer Arrangements – was sie so gut beherrschen, dass sich selbst Kolleg*innen mit festen Engagements in Sin City zum Teil noch eine Scheibe davon abschneiden könnten.
Um der Sache ein für alle Mal auf den Grund zu gehen, haben wir die besten Songs von The Killers zusammengetragen – und sie auch gleich den Örtlichkeiten zugeteilt, in denen man sie idealerweise hören sollte…
Ansagen für die Absturz-Bar
Glamorous Indie Rock and Roll, Mr. Brightside, Smile Like You Mean It, Jenny Was A Friend of Mine
Ihre ersten Erfahrungen haben The Killers in kleinen Cafés und Absturz-Bars in Las Vegas gemacht – weshalb ihre frühesten Songs genau diese Szene und diese Szenerie zelebrieren: Es sind vertonte Anekdoten, Geschichten über Liebschaften im Neonlicht, das so nur in dieser Durchgangs-Partymetropole scheint, wo zu jeder Tag- und Nachtzeit unzählige Träumer*innen, Bordsteinschwalben und all jene zusammenkommen, die sich versündigen wollen.
Einen Traum hatten allerdings auch The Killers – siehe der Songtext von Glamorous Indie Rock and Roll: Flowers kontert lässig, nachdem er und seine Jungs innerhalb der Vegas-Szene von Nu-Metal-Acts belächelt worden waren. Oder auch Mr. Brightside, also jener Song von The Killers, dessen Songtext man schon vor seiner Geburt auswendig konnte. Mal ehrlich: Es gibt wohl kaum einen Song, der gleichermaßen grandios im Wembley Stadion oder auch auf der sonst viel zu langweiligen Hochzeit deines Cousins funktioniert. In die Absturzkneipen-Sektion gehört er trotzdem, weil Mr. Brightside von einer Geschichte aus dem Crown and Anchor Pub inspiriert ist, wo Flowers seine damalige Freundin mit einem anderen Typen erwischte.
Auch Jenny Was a Friend of Mine klingt nirgends besser als in einer Absturzkneipe – weil dort der Bass von Mark Stroemer genau das tut, was er tun soll, und weil ein derartiges Ambiente einfach zu perfekt zum Sound und dem Spirit der jungen Killers passt. Damals wurde der Song mit Duran Duran oder The Smiths verglichen, weil sie selbst noch so ein unbeschriebenes Blatt waren. Und was Smile Like You Mean It angeht, gehört der aus etlichen Gründen in diesen Teil des Texts. Der wichtigste ist die Tatsache, dass sie dieses Stück in der legendären fiktiven Kneipe The Bait Shop in der US-Serie The O.C. spielen sollten.
Schlaflieder für angestammte Konzerthallen
For Reasons Unknown, A Dustland Fairytale, My God, Bling (Confessions of a King
Die Schlaflieder für überschaubarere und angestammte Konzerthallen sind quasi das Pendant zum Leicht-Fortgeschritten-Level. Die Basics sind bekannt, und jetzt muss es darum gehen, die Highlights jenseits der Radiosingles ausfindig zu machen. For Reasons Unknown ist so ein Stück: Als Single eher stiefmütterlich behandelt, fehlen hier nämlich ausnahmsweise die Synthesizer, dafür gibt’s mehr Gitarrendruck – wofür sich Bassist Stroemer sogar an Dave Keunings Seite noch eine Klampfe umschnallt. Daher ist es auch der einzige Song der Band, bei dem Flowers den Bass übernimmt.
A Dustland Fairytale zählt in ihren Liveshows zu den introspektiven, eher ruhigeren Ausnahmen: Ein klares Highlight von Day & Age (2008), geht’s hier um Flowers’ Eltern – hier charakterisiert als „Cinderella“ und ein aalglatter, quasi verchromter „American prince“ –, was in kleinen, schummrigen Konzerthallen am besten kommt, weil dann auch wirklich niemand aus dem Freundeskreis die Tränen sieht, die einem unweigerlich in Wangen herabkullern.
Keine Single und trotzdem ein Live-Höhepunkt ist jedes Mal Bling (Confessions of a King): Für die Bridge (ab dem „Higher and higher..“) ist so ein nicht zu riesiges Publikum die perfekte Größe – denn eine kollektive Einlage als Backgroundchor ist jedes Mal Pflichtprogramm. Schließlich wäre noch My God in dieser Kategorie zu nennen: Noch so ein Song von The Killers, der auf den ersten Blick auch aus einer Kirchenliedersammlung stammen könnte. Die Kombination aus Flowers’ ernsten Zeilen, Ronnie Vannucis Schlagzeug und dann auch noch dem Gastauftritt von Weyes Blood ist einfach zu gut – und nirgendwo besser als im angestammten Konzert-Spot gleich um die Ecke.
Bedeutende Festivalballaden
Human, Spaceman, Somebody Told Me, All These Things That I’ve Done, The Way It Was
Festivalbühnen verlangen zwangsläufig nach einer darauf zugeschnittenen Setlist: B-Seiten passen da eher selten, Unbekanntes will eigentlich auch keiner hören. Stattdessen muss alles vor allem groß und eingängig sein, so groß wie das Publikum vor der Bühne, das im Idealfall mitsingen soll – auch wenn es eigentlich für einen ganz anderen Superstar angereist ist. Wie dafür gemacht ist Spaceman, schließlich reicht in diesem Fall schon ein zünftiges „oh oh oh oh oh oh oh oh oh“ und man ist voll dabei.
Human funktioniert ebenfalls bestens auf Festivals; es sei denn man hat das Pech, in der Menge ausgerechnet neben der Grammatikpolizei gelandet zu sein, die einem die mitgesungene Zeile „are we human or are we dancer?“ natürlich nicht kommentarlos durchgehen lassen kann.
Abgesehen von den legendär-verwirrenden Zeilen aus Somebody Told Me, zählt auch All These Things That I’ve Done zu den ganz klaren Festivalkandidaten: So eine kollektiv herausgebrüllte „I’ve got soul/but I’m not a soldier“-Passage vereint unter dem Regen der Konfettikanone selbst ehemalige Zivis und angehende Zyniker*innen.
Und selbst wer sich so oder so keine Texte merken kann, kommt bei Mr. Flowers auf seine Kosten: Bei The Way It Was veranstaltet der Sänger traditionell seine kleine Mitsing-Session. Keine Angst: Er bereitet alle ganz entspannt vor, sodass sogar diejenigen im Refrain mitkommen, die vorher ein paar Mal zu oft bei den Drinks angestanden haben.
Stadiongroße XL-Hymnen
The Man, My Own Soul’s Warning, Read My Mind, Runaways
Als sie ihr fünftes Album Wonderful Wonderful vorlegten, hatten The Killers endgültig den Glamourfaktor ihrer Heimatstadt angenommen und verinnerlicht: Für die erste Single The Man setzten sie denn auch gleich auf Background-Harmoniegesänge und blitzende Discokugeln.
Dabei gab es durchaus Vorboten für diese Stadiontendenz: Runaways explodiert nach dem sanften Klavierintro förmlich und nimmt so locker auch die letzte Ecke einer Arena ein, wenn es dann zehntausendfach heißt „We can’t wait till tomorrow!“
In einem randvollen Stadion – oder auch richtig schön eingequetscht auf der Rückbank eines Autos mit offenen Fenstern und aufgerissenem Lautstärkeregler – funktioniert auch Read My Mind bestens, wobei das Stadion doch ganz klar erste Wahl sein sollte. Im Wagen könnte der Song einfach nicht genug Platz haben, um sich zu entfalten…
Mit ihrem aktuellen Imploding the Mirage-Album haben The Killers ein für alle Mal klargestellt, dass sie am ehesten im Stadion zu Hause sind. Die Eröffnungshymne My Own Soul’s Warning darf hier als Beispiel gelten: Überdimensional, ultrawuchtig, prahlerisch, und wenn Flowers dann schreit „I just wanted to get back to where you are!“, während sich Drums und Gitarren überschlagen, kann man sich den Song unmöglich in einem anderen Rahmen vorstellen: Er kann einfach nur zwischen tosenden Stadionrängen existieren.
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Popkultur
Zeitsprung: Am 9.6.1982 trotzen Mötley Crüe einer Bombendrohung. Oder doch nicht?
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 9.6.1982.
von Christof Leim
1982 machen sich Mötley Crüe auf in den amerikanischen Norden zur Crüesing Through Canada Tour ’82. Seit dem Vorjahr steht ihr erstes Album Too Fast For Love in den Läden, jetzt soll die Musik unter die Leute. Allerdings scheint in Edmonton jemand etwa dagegen zu haben – und droht, die vier Krachmacher in die Luft zu sprengen…
Hört hier in das Mötley-Crüe-Debüt Too Fast For Love rein:
Bei der Polizei von Edmonton geht die die telefonische Drohung ein, das Leben der Musiker sei in Gefahr, wenn sie am 9. Juni 1982 auf die Bühne gehen. An diesem Tag sollen Mötley Crüe ihre dritte Show in einem Club namens Scandals spielen. Doch Bassist und Bandchef Nikki Sixx lässt sich davon nicht beeindrucken und sagt in einem Nachrichtenbeitrag der CBC News: „Uns ist das egal. Wir sind hier, um allen eine gute Show zu bieten. Wer daran keinen Spaß hat, muss sich das nicht anschauen.“
Glücklicherweise verläuft das Konzert ohne Zwischenfall, Mötley Crüe spielen sogar noch zwei weitere Gigs in der Stadt in einem anderen Laden namens Riviera Rock Room. Der Mut der Band hat sich also ausgezahlt und bringt nicht nur 1000 Punkte an „street credibility“, sondern auch Presseberichte in Kanada und zu Hause in Kalifornien.
Mötley Crüe früher. Ganz früh.
Was eine verdammt coole Band also, was? Wirklich? Natürlich nicht. Wie sich später herausstellt, wurde die Bombendrohung vom Management der Truppe lanciert, um Aufmerksamkeit zu generieren. Eine PR-Aktion, nichts weiter, und sie funktioniert hervorragend. Die Show ist eben alles. Dem Tod kommt Nikki Sixx erst fünf Jahre später so richtig nahe, aber das ist eine andere Geschichte (die hier steht).
Immer Chaos
Über zu wenig Action während ihrer Kanadareise können sich Mötley Crüe allerdings nicht beschweren. Das ging schon los am Flughafen von Edmonton, wie Sänger Vince Neil in seiner Autobiografie Tattoos & Tequila schreibt: Bei der Einreise werden die Musiker nämlich erstmal verhaftet. Warum sie in ihrem Bühnenoutfit – Leder, Schminke, High Heels, Haare bis zur Decke – durch die Zollkontrolle laufen, kann drei Dekaden später wohl niemand mehr so richtig erklären. Die kanadischen Behörden stellen sich solche Fragen gar nicht erst und konfiszieren kurzerhand sämtliche Nietengürtel und Lederarmbänder, und Vince darf nicht mal seine Reiselektüre behalten (Playboy, Hustler, wegen der Interviews). Ansonsten gibt es Kloppereien mit Hockeyspielern, die ja in Kanada an jeder Ecke rumstehen, wie man weiß, aber dummerweise besser ausgerüstet sind. Außerdem fliegen ganz klassisch Fernseher aus Hotelfenstern. Man hat ja einen Ruf zu verlieren beziehungsweise aufzubauen. Wir würden uns nicht wundern, wenn das alles ebenso PR-Aktionen gewesen wären. Ein Einschätzung, die Vince Neil übrigens teilt. Immerhin hat sich diesmal niemand selbst angezündet oder als Doppelgänger von Nikki Sixx ausgegeben. Aber so läuft das wohl im Showgeschäft, was?
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Zeitsprung: Am 17.2.1988 zündet sich ein Mötley-Crüe-Fan selber an. Aua!
Popkultur
„Come On“: Die erste Single der Rolling Stones wird 60 Jahre alt!
Schon mit ihrem ersten veröffentlichten Song Come On landeten die Rolling Stones einen Hit. Auch wenn er aus der Feder einer anderen Rocklegende stammt: Chuck Berry. Später konnten Mick Jagger und Co. die Nummer noch nicht einmal mehr leiden. Am 7. Juni 1963 erschien die Single in Großbritannien.
von Timon Menge
Hier könnt ihr euch Come On von den Rolling Stones anhören:
Schon als sich Mick Jagger und Keith Richards Ende 1961 auf der Zugfahrt von Dartford nach London kennenlernen, kann man erahnen, welche Musik die beiden einmal spielen werden. So trägt Jagger ein paar Blues-Platten von Muddy Waters und Chuck Berry mit sich herum. Richards überlegt, ob er den schlaksigen jungen Mann überfallen und die Platten klauen soll — entscheidet sich dann aber doch für ein Gespräch über die Musik. Wenig später gründen die beiden eine gemeinsame Band. Sie soll sich zu einer der größten in der Rockgeschichte entwickeln: The Rolling Stones — ein Name, der von Muddy Waters inspiriert ist. Der erste Song, den die Gruppe aufnimmt: Come On von Chuck Berry.
Come On: Die erste Single der Rolling Stones
Das Original nimmt Berry im Jahr 1961 in den Chicagoer Chess Studios auf. Gerade einmal 1:53 Minuten dauert der Song. Doch die kurze Zeit reicht der Gitarrenlegende, um einen gekonnten Rumba hinzulegen und einen weiteren Beitrag zur Konstruktion des Rock’n’Roll zu leisten. Inhaltlich geht es in dem Stück Blues-typisch um einen Kerl, bei dem wirklich alles schiefläuft: Seine Freundin hat ihn verlassen, der Wagen springt nicht an und arbeitslos ist er auch noch. Es sind Themen, mit denen sich offenbar auch die jungen Rolling Stones identifizieren können. Im Mai 1963 fahren sie mit einem Bus in ein Aufnahmestudio der Plattenfirma Decca und covern Come On.
„Der Song war seicht, aber auch sehr poppig“, erinnert sich Gitarrist Richards in According To The Rolling Stones. „Wir nahmen Come On zusammen mit mehreren Bo-Diddley-Songs auf. Die Nummer wurde wahrscheinlich ausgesucht, weil sie chartorientierter war.“ Vermutlich hätten einige Mitarbeiter von Decca Records die Entscheidung getroffen. „Uns war das egal“, ergänzt Richards. „Wir wollten einfach eine Single veröffentlichen.“ Tatsächlich gelingt mit Come On ein größerer Erfolg als erwartet. Nach dem Release am 7. Juni 1963 steigt der Song auf Platz 21 der britischen Single-Charts ein — und ebnet den Weg für ein jahrzehntelanges Rockmärchen.
Ein unliebsamer Startschuss für eine große Erfolgsgeschichte
Live findet der Song nach der Veröffentlichung kaum statt. Das liegt daran, dass Come On nicht gerade zu den Lieblingsstücken der Stones gehört. Gitarrist Ronnie Wood findet die Nummer zwar super, wie er in einem Interview verrät: „Meiner Meinung nach ein brillanter Song. Ich mag auch das Original von Chuck Berry.“ Mick Jagger) äußert laut Bill Wymans Rolling Stones Story allerdings: „Ich glaube nicht, dass Come On sehr gut war — es war scheiße. Weiß Gott, wie der Song in die Charts kam; es war ein Hype. Wir mochten das Stück so wenig, dass wir es bei keinem Gig spielten.“ Genau das sorgt kurze Zeit später noch für Ärger.
Was das britische Magazin NME über Come On und die B-Seite I Want To Be Loved von Willie Dixon zu sagen hatte
Als Stones-Manager Andrew Oldham mitbekommt, dass seine Schützlinge Come On auf der Bühne boykottieren, flippt er aus. „Er drehte durch, weil wir Come On nicht spielten“, erinnert sich Bassist Bill Wyman. „Er befahl uns, den Song bei jeder Show zu bringen.“ Das machen die Stones dann auch — allerdings nicht lange. Von der fertigen Single erhalten die Musiker damals übrigens nur vier Stück; weitere Exemplare müssen sie aus eigener Tasche bezahlen. Unvorstellbar, dass eine der größten Rockbands des Planeten einmal so stiefmütterlich behandelt wurde. Heute sind die Stones schon lange Legenden. Angefangen hat der Erfolg mit ihrer ersten Single Come On am 7. Juni 1963.
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Popkultur
Zum Pride Month: Die queeren Wurzeln des Rock
Rock ohne die LGBTQ+-Community? Undenkbar. Ob die frühen Anfänge im Blues, die Erfindung des Rock’n’Roll, Glam Rock oder Heavy Metal: Die Geschichte der Rockmusik erstrahlt in bunten Regenbogenfarben. Wir haben die queeren Wurzeln des Rock für euch unter die Lupe genommen. Erster Halt: die 1910er-Jahre!
von Timon Menge
Man mag es bisweilen vergessen haben oder verdrängen, aber es gab in der Geschichte der Menschheit lange Zeiten, in denen die Mitglieder der LGBTQ+-Community ihre Identität für sich behalten mussten, weil ihnen sonst juristische Verfolgung oder gar der Tod drohte. Noch schlimmer: In Teilen der Welt ist es bis heute so, zum Beispiel in Jamaika oder Uganda. Zusätzlich herrschen vielerorts mehr oder minder unterschwellige Ressentiments gegenüber der LGBTQ+-Gemeinschaft. Dafür muss man sich nur einmal eine Kommentarspalte zu einem Artikel mit dem entsprechenden Thema anschauen. Eine der Lösungen ist, der Community zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen, ob von innen oder von außen. Ein traditionell gutes Mittel dafür ist die Kultur — im Speziellen die Musik.
Ma Rainey und Bessie Smith: Die „Bisexual Queens Of The Blues“
Zu den vielleicht ersten öffentlichen Ikonen der LGBTQ+-Community gehören die beiden bisexuellen Blues-Sängerinnen Ma Rainey und Bessie Smith. Sie lernen sich 1912 während einer Minstrel Show kennen, einer Art Wanderzirkus, der weiße US-Bürger*innen unterhält, indem auf der Bühne Schwarze Stereotype präsentiert werden. Meistens kommt dabei das sogenannte Blackfacing zum Einsatz, bei dem sich weiße Darsteller*innen ihre Gesichter dunkel anmalen und Schwarze als naive Sklaven zeigen, die ihre Besitzer*innen trotz aller Misshandlungen lieben. Es gibt allerdings auch Schaustellergruppen wie die Rabbit Foot Minstrels, zu denen Rainey und Smith gehören, und die ausschließlich aus Schwarzen Mitwirkenden bestehen.
Für Rainey und Smith ist die Wander-Show ein Karriere-Katalysator. Heute gelten beide zurecht als Blues-Legenden und werden sogar als „Bisexual Queens Of The Blues“ betitelt. Das liegt zum Beispiel daran, dass sie quasi den Soundtrack zu einem großen US-amerikanischen Umbruch liefern. So strömen in den 1910er- und den 1920er-Jahren viele US-Bürger*innen vom Land in die wachsenden Großstädte, wo bisher grundlegende Gesetze des Zusammenlebens neu verhandelt werden. Kultur, soziale Fragen, Politik, Kriminalität, Sexualität: Alles verändert sich und Künstler*innen wie Ma Rainey und Bessie Smith bilden die Veränderungen in ihren Songs ab. So lautet ein Auszug aus dem Text von Prove It On Me Blues von Ma Rainey:
They say I do it, ain’t nobody caught me
Sure got to prove it on me;
Went out last night with a crowd of my friends,
They must’ve been women, ’cause I don’t like no men.
Sister Rosetta Tharpe: Die „Godmother Of Rock And Roll“
Während der Transformation des Blues zum Rock spielt vor allem eine Schwarze, queere Musikerin eine entscheidende Rolle: Sister Rosetta Tharpe, eine der frühen Frauen des Rock’n’Roll. Schon mit vier fängt sie an, Gitarre zu spielen. Später kombiniert sie die Gospelmusik ihrer Kindheit mit ihrer verzerrten Gitarre sowie ihrem ausdrucksstarken Gesang und legt damit einen wichtigen Grundstein für die Entstehung des Rock’n’Roll. In ihren Texten singt sie über Themen wie Sexualität und Liebe und lebt offen in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung. Das dürfte sie nicht nur einmal in Schwierigkeiten gebracht haben — dennoch feiert sie als Musikerin große Erfolge. Heute, also noch 50 Jahre nach ihrem Tod, gilt die „Godmother Of Rock And Roll“ als Ikone der LGBTQ+-Community.
Little Richard: Der „Architect Of Rock And Roll“, der seine Meinung änderte
Auch Little Richard, der übrigens von Sister Rosetta Tharpe entdeckt wird, gehört zu den frühesten Sprachrohren der LGBTQ+-Community. Als Schwarzer homosexueller Mann aus dem Süden der Vereinigten Staaten ist ihm vermutlich fast jedes Vorurteil schon einmal begegnet. Dennoch steht der „Architect Of Rock And Roll“ für seine Sexualität ein und lebt sie mehr oder minder offen aus. So lautet der Text seines größten Hits Tutti Frutti ursprünglich:
Tutti Frutti, good booty
If it don’t fit, don’t force it
You can grease it, make it easy
Für die Änderung der Lyrics in „Tutti Frutti, aw rooty“ sorgt Produzent Robert Blackwell, der sich wegen des eindeutigen Originaltextes Sorgen macht. Ab Anfang der Achtziger vollzieht Little Richard leider eine 180-Grad-Wende, spricht sich in der TV-Show Late Night With David Letterman öffentlich gegen das Schwulsein aus und bezeichnet Homosexualität noch 2017 als „unnatürlich“. Sie widerspreche „Gottes Willen“.
Musicals und der Broadway
Einen besonderen Stellenwert in der Musikhistorie der LGBTQ+-Community nehmen auch Musicals und der Broadway ein. So leben Komponisten wie Marc Blitzstein schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts offen schwul und prägen die Bühnenwelt maßgeblich. Die lesbische US-Theaterproduzentin Cheryl Crawford gründet unter anderem die Schauspielschule Actors Studio, an der zum Beispiel Marlon Brando, James Dean, Marilyn Monroe, Al Pacino, Robert De Niro, Dustin Hoffman und Jack Nicholson ausgebildet werden. Einen der größten Meilensteine im LGBTQ+-Theater markiert die Rocky Horror Show, die am 19. Juni 1973 am Londoner West End Premiere feiert, und bei der es sich um eine der berühmtesten Travestie-Shows der Welt handeln dürfte.
Disco und der Christopher Street Day
Genau wie in der Welt der Musicals findet die LGBTQ+-Community auch in der Disco einen Heimathafen. Ihren Ursprung haben die Tanzlokale im Zweiten Weltkrieg, als es jungen Menschen durch die Nazis untersagt war, Swing- und Jazzmusik aus den Vereinigten Staaten zu hören. In den späten Sechzigern schwappt der Trend über den großen Teich, wo vor allem Afroamerikaner*innen, die Schwulenszene und Latinos in die Diskotheken strömen. In der Bar Stonewall Inn in der Christopher Street in New York City kommt es am 29. Juni 1969 zu den sogenannten Stonewall-Unruhen, bei denen die Bar um 1:20 Uhr nachts von Polizeibeamten gestürmt wird. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und dem LGBTQ+-Publikum der Bar schockieren. In Gedenken an die Ereignisse feiern wir heute deshalb jedes Jahr den Christopher Street Day. Ihren Höhepunkt erreicht die Disco-Ära ab Mitte der Siebziger mit Künstler*innen wie Grace Jones und dem Film Saturday Night Fever.
Glam Rock und Heavy Metal: Die LGBTQ+-Community in der Radaumusik
Nachdem Ma Rainey, Bessie Smith, Sister Rosetta Tharpe und Little Richard die Grundsteine dafür gelegt hatten, bleibt die LGBTQ+-Community auch weiterhin ein wichtiger Einfluss auf die Rockwelt. Da wären zum Beispiel Marc Bolan und David Bowie, die mit der Erfindung des Glam Rock Rollenmuster aufbrechen und androgyne Alter Egos erfinden. The Kinks thematisieren in ihrem Song Lola das Thema Transsexualität. Charismatische Künstler wie Freddie Mercury und Elton John sind weit oben auf der Spitze des Rockolymp zu finden und prägen das Genre nicht nur durch ihr grenzenloses Können, sondern auch durch ihre kreativen Kostüme. Und der homosexuelle Judas-Priest-Sänger Rob Halford erschafft die Metal-Mode, indem er sich am Dresscode der Sadomaso-Szene orientiert. Die Einflüsse der LGBTQ+-Community sind überall — und wir verdanken ihr einen großen Teil dessen, was wir heute unter Rockmusik verstehen.
Die Achtziger und Neunziger: LGBTQ+ im Mainstream sorgt für Homophobie
In den Achtzigern und Neunzigern explodiert der Einfluss der LGBTQ+-Community auf die Pop- und Rockmusik. Ob Culture Club, Wham!, die Pet Shop Boys, Cher, Blur, Cyndi Lauper, Madonna, Prince oder Frankie Goes To Hollywood: Zum ersten Mal ist die Szene in der Mitte des Mainstreams angekommen. Leider ruft das auch jede Menge Gegenwind auf den Plan. So führt die britische Premierministerin Margaret Thatcher in den Achtziger-Jahren einen offenen Krieg gegen die LGBTQ+-Gemeinde. Das HI-Virus und AIDS werden öffentlich als „Schwulenpest“ verschrien. Nach gefühlten Schritten in die richtige Richtung erleidet der Kampf für die Akzeptanz der LGBTQ+-Community große Rückschläge. Doch die Bewegung gibt keine Ruhe und sorgt Stück für Stück dafür, dass sie akzeptiert wird. Erschreckend: Erst seit 1994 ist es in Deutschland nicht mehr illegal, homosexuell zu sein.
Mit Musik zu mehr Aufmerksamkeit und Toleranz
Heute sind wir zum Glück so weit, dass es selbst in den konservativsten Musikrichtungen eine LGBTQ+-Community gibt, was Country-Künstler*innen wie Orville Peck und Sarah Shook & The Disarmers unter Beweis stellen. Doch es ist auch offenkundig, dass es noch viel Arbeit zu tun gibt, bis die Sexualität von Musikerinnen und Musikern einfach keine Rolle mehr spielt. Die Lösungen dafür sind Sichtbarkeit, Aufklärung und Toleranz. Dafür war und ist die Musik eins der besten Hilfsmittel. Das Beste, was wir tun können, ist, die LGBTQ+-Community ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken, bis auch der oder die Letzte verstanden hat, dass Gender, Liebe und Sexualität mindestens so bunt sind wie die Pride-Flagge.
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