Popkultur
Ville Valo im Interview: „Ich komme aus der Neil-Young-Schule!“
Anlässlich der Veröffentlichung seines Soloalbums Neon Noir trafen wir Ville Valo in Berlin zum Gespräch. Dabei verriet der ehemalige HIM-Sänger, wie sich das Ende der Band für ihn anfühlte, wie es alleine im Studio war und warum es wichtig ist, neue Dinge zu auszuprobieren.
von Markus Brandstetter
Am 31. Dezember 2017 betraten die finnischen Love-Metaller von HIM ein letztes Mal gemeinsam die Bühne — und traten auf dem von ihnen ins Leben gerufenen Helldone Festival in Helsinki auf. „Genau dort wollten wir unsere Geschichte zu einem Ende bringen“, erzählt Ville Valo beim Interviewtermin zu seinem neuen Soloalbum Neon Noir. Untätig war Valo seitdem keineswegs: Mit der Band Agents veröffentlichte er 2019 die Platte Ville Valo & Agents, auf dem sich die Musiker bislang unveröffentlichten Stücken des 1987 verstorbenen Musikers Rauli Aarre Tapani Somerjoki annahmen. Im Januar 2022 kommt nun sein erstes richtiges Solo-Album auf den Markt. Einige Stücke von Neon Noir kennt man bereits von der 2020 erschienenen EP Gothica Fennica Vol. 1. Auf seinem neuen Werk klingt Valo noch facettenreicher als in der Vergangenheit, dass es sich aber fundamental von seiner berühmten Ex-Band unterscheiden würde, war auch nicht zu erwarten — schließlich war der 46-Jährige der Hauptsongwriter der Gruppe. Neon Noir ist ein Solo-Album mit Betonung auf dem Solo-Faktor: Valo spielte alles selbst ein, nahm sich selbst auf, produzierte — und schuf auch das Artwork. Das alles hat ihm großen Spaß gemacht, wie er im Interview betont.
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Ville, die Auflösung von HIM ist jetzt fünf Jahre her. Wie fühlte sich das Ende der Band für dich an?
Ich hatte mir das Gefühl nach dem letzten Konzert anders vorgestellt. Ich dachte, dass ich am nächsten Morgen aufwachen und mich so fühlen würde, als wären mir Gliedmaßen abhanden gekommen. Schließlich bin ich mit diesen Jungs und mit unserer Musik aufgewachsen. Das Einzige, was ich danach aber tatsächlich fühlte, war Erleichterung. Den anderen ging es genauso.
Wie ist heute dein Verhältnis zu den anderen ehemaligen Bandmitgliedern?
Ich bin immer noch in regelmäßigem Kontakt mit ihnen. Wir telefonieren und vergewissern uns, dass es allen gut geht. Ich bin immer noch eng mit [Bassist, Anm.] Midge befreundet, er ist einer meiner besten Freunde. Er fing an, Altenpflege zu studieren. Ich bin mir nicht sicher, wie das Studium genau heißt. Er widmete sich also einem medizinischen Beruf, offensichtlich brauchte er etwas ganz Konträres zu der Band. Wir alle brauchten dringend Abwechslung. Ich fand diese mit Agents und der doch ziemlich schlagerhaften Platte [Ville Valo & Agents, Anm.].
Weil du eben von Agents gesprochen hast, mit denen du ja bereits seit vielen Jahren zusammenarbeitest: Wie wichtig war die Arbeit an dem Album mit Somerjoki-Stücken für dich zu dieser Zeit?
Somerjoki war besonders für meine Eltern eine ganz große Sache — und auch die Musik, mit der ich als Kind aufgewachsen bin. Als ein paar Tapes mit unvollendeten Songideen von ihm gefunden wurden, haben wir beschlossen, diese zum Leben zu erwecken und dazu noch einige seiner Klassiker aufzunehmen. Das war meine Art, mich bei meinen Eltern zu bedanken. Auch in puncto Publikum war das ein großer Unterschied zu dem, was ich sonst so mache. Die Musik ist sehr retro, hübsch und auch ruhig. Keine krachenden Gitarren, keine BHs, die aus der ersten Reihe auf die Bühne fliegen!
War das für dich ein wichtiger Durchlauferhitzer, um anschließend solo durchzustarten?
Ich denke, es ist in erster Linie einfach wichtig, sich selbst immer wieder herauszufordern. Dinge zu machen, mit denen man sich vielleicht nicht besonders wohl fühlt. Ich brauchte das — und ich wusste, dass ich das tun muss. Es hat sich einfach natürlich angefühlt. Der beste Weg, sich in dieser verrückten Welt der Musik und speziell der Musikindustrie zurechtzufinden, ist, auf sein Bauchgefühl zu vertrauen. Denn es gibt so viele Leute, die einem sagen, was man ihrer Meinung nach tun sollte. Und das kann sehr schnell sehr kompliziert werden. Ich komme da aus der Neil-Young-Schule. Ich mache, was ich will — und vergraule damit andere!
Wann wusstest du, dass es Zeit wird, mit einem Solo-Album rauszukommen?
Das fing so zeitgleich mit dem Agents-Ding an. Wir haben 2018 das Album fertig gebracht, sind 2019 dann auf Tour gegangen. Im Sommer 2019 war die Tour vorbei und ich begann im Herbst desselben Jahres mit den ersten Songs. Die Idee war zunächst, einfach ein paar Demos aufzunehmen und zu schauen, ob sie was taugen. Ich dachte zunächst schon daran, später auch Musiker oder sogar eine fixe Band dazu zu holen — aber nachdem es Demos waren, machte ich einfach alles. Ich lernte vieles im Aufnahmeprozess, etwa, wie man Schlagzeug aufnimmt und das Instrument gut klingen lässt. Ich weiß nicht, wieviele Hüte ich mir aufsetzte. Ich war Musiker, Songwriter, Produzent und Recording Engineer. Es war eine coole Art und Weise, mir selbst zu zeigen, dass ich fähig bin, etwas aus dem Nichts zu erschaffen und tatsächlich etwas zu haben, das im Radio gespielt werden kann. Das ist ein ziemlich tolles Gefühl. Ich könnte jetzt Andrew Eldritch zitieren und sagen, es ist eine Sache der Vision. Ich denke, es ist eine wichtige Lektion, die man lernen muss, und ein wichtiger Schritt. Es war lehrreich für mich, mir selbst zu beweisen, dass ich es kann.
Hattest du gar keine Hilfe von außen?
Tim Palmer, der mein Co-Produzent war, hat mir geholfen, den Wald vor lauter Bäumen nicht aus den Augen zu verlieren. Wenn man alleine arbeitet, ist es schwer zu erkennen, wenn etwas fertig ist. Ich habe im Laufe des Prozesses gelernt, dass man auf sein Bauchgefühl vertrauen sollte. Es kann aber schon vorkommen, dass man das große Ganze gar nicht sieht, wenn man gerade so fokussiert auf einen Abschnitt ist wie ein Rennpferd. Es ist gut, dass es jemanden gibt, der sagen kann: „Hey, hast du gemerkt, dass der Click-Track die ganze Zeit an war?“.
Wie ging es weiter?
Die EP war 2020 fertig und kurz bevor Covid kam, haben wir sie über Distrokid hochgeladen. Das war auch witzig, weil ich das alles noch nie gemacht hatte. Haben wir das richtige Format fürs Cover? Sind die Songtitel alle richtig geschrieben? Diese DIY-Arbeitsweise war eine tolle Erfahrung. Wir veröffentlichten es nicht nur für die Leute, sondern auch für die Plattenfirmen. Sie können sich die Musik anhören, sehen, was sie denken und bei Interesse auf uns zukommen. Der andere Weg wäre gewesen, dass ich herumgereist wäre und vor Plattenfirmenleuten prahlen hätte müssen. Das ist etwas, das ich gar nicht mag. So auf die Art: „Also, ja, das Album wird großartig werden! Nein, ich habe keine Songs, aber es wird toll werden!“ Die EP war für mich in vielen Hinsicht ein Eisbrecher. Dann kam Covid und hat alle Türen erstmal geschlossen.
Du hast auch die Drums alleine eingespielt und aufgenommen?
Ja, das habe ich. Editing ist heutzutage ziemlich einfach, das hat es enorm erleichtert. Ich habe mir meine Konsole und mein Pro-Tools-Zeug aufgebaut und bin vom Computer zum Drumkit hin- und hergewechselt. Ich spiele Schlagzeug, seit ich elf bin, ich habe damals Stunden genommen. Ich bin kein großartiger Drummer, aber ich habe ein ganz gutes Gefühl und habe früher auch in Bands Schlagzeug gespielt. E-Bass hingegen war ja mein erstes Instrument, das war auch kein Problem. Gitarre und Keyboards sind die Instrumente, an denen ich nicht besonders gut bin. Aber es waren ja meine eigenen Stücke, ich konnte sie spielen, wie ich wollte. Ich hatte auch einen starken Willen und wollte das unbedingt hinbekommen. Es ist schließlich ein Solo-Album — und als Finne habe ich das Wort „Soloalbum“ vielleicht zu wörtlich genommen! Aber das war interessant. Ich habe auch an dem Cover gearbeitet, mit gelegentlicher Hilfe eines Grafikers bei technischen Dingen. Beim Mix hatte ich Hilfe, das ist ein Aspekt, der mich einfach nicht so interessiert, da braucht es einfach eine andere Perspektive.
Also ein ganz anderer Prozess als mit HIM.
Ja, es war ganz anders. Es klingt aber dennoch auch wie eine Fortsetzung dessen, was in der Vergangenheit passiert ist. Ich mag es, muss ich sagen. Ich denke, es gibt genug Neues und genug Altes darauf. Es ist entspannter als früher, was nicht heißt, dass es nicht aggressiv ist. Aber es hat diese Zärtlichkeit, die, wie ich denke, mit dem Alter kommt. Es hat eine Ruhe, die ich mag.
Hast du den technischen Aspekt der Arbeit genossen?
Ich bin ziemlich geeky. Also ja, definitiv! Ich habe großes Interesse für modulare Synthesizer und all das Zeug. Ich finde Klänge einfach spannend. Wie sie erzeugt werden und woher sie kommen. Die Psychoakustik dahinter.
Also war es eine gute Erfahrung, das ganze ohne Band zu machen.
Ja, das Coole an diesem Album war gerade, dass keine Band beteiligt war. Es gab keine Bandplanung, wir mussten keine zehn Songs zusammenstellen, bevor wir ins Studio gehen konnten. Das bedeutete, dass ich tatsächlich in der Lage war, einen Song von Grund auf neu zu beginnen. Ich konnte auch viele Dinge rückwärts machen und habe dann oft neu angefangen. Deshalb hat es lange gedauert. Ich veränderte Melodien, tauschte ganze Refrains aus, merkte, wie es nicht funktioniert. Das ist ein Luxus, den man als Musiker normalerweise im Studio nicht hat. Und es war nur ich da, dem ich die Schuld geben konnte, wenn etwas scheiße klang. Ich konnte jede Menge schräger Entscheidungen treffen, ungewöhnliche Tunings verwenden, Sachen ausprobieren. Ich kümmerte mich nicht darum, wie man es normalerweise macht. Ich traf keine intellektuellen Entscheidungen — sondern hatte einfach Spaß. Normalerweise hat eine Albumproduktion immer viel logisches Denken. Diesmal: null. Und genau darum geht es: Musik zu machen macht mich glücklich und wuselig und aufgeregt!
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25 Jahre „Greatest Lovesongs Vol. 666“: HIM zwischen Sex und Tod

Popkultur
Zeitsprung: Am 23.9.1930 wird der Hohepriester des Soul geboren: Ray Charles.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 23.9.1930.
von Jana Böhm und Christof Leim
Am 23. September 1930 erblickt Raymond Charles Robinson das Licht der Welt, bis es für ihn im Alter von sieben Jahren durch eine Glaukom-Erkrankung für immer erlischt. Seine Mutter hält ihn zur Unabhängigkeit an, denn als blinder Schwarzer Mensch ist man im Amerika der Dreißiger Jahre verloren. Ray verinnerlicht die Worte seiner Mutter. Der Multiinstrumentalist wird zum Hohepriester des Soul und sein musikalischer Einfluss prägend für Blues, Country und Soul-Musik. Blicken wir auf sein beeindruckendes Leben zurück.
Hört euch hier Ray Charles’ Greatest Hits an:
Als Raymond Charles Robinson im September 1930 in Albany, Georgia auf die Welt kommt, ist der Staat von der Rassentrennung zerfurcht. Die Schwarze Bevölkerung hat wenig Rechte und lebt in meist sehr ärmlichen Verhältnissen. Ray und seine Mutter Aretha ziehen bald nach Greenville in Florida, dort wächst er dann zusammen mit seinem jüngeren Bruder George auf.
Das Schicksal schlägt zu
Mit Rays fünftem Lebensjahr legt sich ein Schatten über sein Leben, der bald zu tiefster Dunkelheit wird. Durch ein angeborenes Glaukom, auch Grüner Star genannt, beginnt er, sein Augenlicht zu verlieren. Im selben Jahr muss Ray hilflos mit ansehen, wie sein jüngerer Bruder George ertrinkt. Trotz der Armut und herben Schicksalsschlägen drängt seine Mutter ihn zur Selbstständigkeit, denn ihr ist sehr wohl bewusst, dass man schwarz, blind und hilflos in diesem Land kaum eine Chance hat. „Lass dich durch nichts und niemandem zu einem Krüppel machen“, impft sie ihm immer wieder ein. Mit sieben Jahren ist Ray Charles vollständig erblindet.
Die Musik gibt dem jungen Ray Charles Halt. Beim Singen von Gospels in der Kirche fühlt er sich sicher. An einem alten Klavier im Red Wing Café eröffnet ihm der Besitzer, der alte Wylie Pitman, eine neue Welt. Ray lernt schnell, selbst zu spielen. „Klavierspielen kann man lernen, aber nicht das Gefühl dafür. Das ist da oder nicht. Ich glaube, dass ich damit geboren wurde“, erzählt er Jahrzehnte später. Eine umfassende musikalische Ausbildung wird ihm an der St.-Augustine-Schule für Gehörlose und Blinde zuteil. Ray lernt, Musik zu lesen und Frederic Chopin, Ludwig van Beethoven und Johann Strauss zu spielen. Er besucht die Schule bis zum Tod seiner Mutter. Ihr Tod bringt Ray seelisch ins Wanken.
Der eigene Stil
Als er fünfzehn Jahre alt ist, verlässt der Junge die Schule. Er will professioneller Musiker werden. Zuerst macht er sich im nahegelegenen Jacksonville einen Namen, dann in Orlando, Florida. Ray gilt als ein vielseitiger Arrangeur, Pianist und Saxofonist, der neben Blues, Jazz, Boogie-Woogie und Swing auch Hillbilly drauf hat. Charles imitiert den sanften Gesang von Größen wie Nat King Cole und Charles Brown. Einen eigenen Gesangsstil entwickelt er erst über ein Jahrzehnt später.
1947 zieht Ray Charles nach Seattle, er verspricht sich bessere Karrierechancen an der Westküste. In der neuen Heimat beginnt Raymond Charles Robinson an seiner Show Business-Persönlichkeit zu feilen. Um nicht mit dem Boxer „Sugar“ Ray Robinson verwechselt zu werden, nennt er sich fortan nur Ray Charles und beginnt, stets eine schwarze Sonnenbrille zu tragen, die zu seinem Markenzeichen wird. Außerdem und viel wichtiger: Als Mitglied des Maxin Trios nimmt er seine erste Schallplatte auf. Die Single Confession Blues erreicht 1949 Platz zwei der Rhythm & Blues-Hitparade. Im selben Jahr ändert die Band ihren Namen in Ray Charles Trio und mausert sich ein Jahr später zum Ray Charles Orchestra.
Der Durchbruch
1952 erhält der aufstrebende Musiker einen Vertrag bei Atlantic Records, dem bis dato größten Rhythm & Blues-Label. Mit seiner Band findet er nun auch seinen eigenen Stil. Er wird zum Prediger der Lebenslust, auf die Melodie eines alten Gospelsongs schreibt er I’ve Got A Woman – ein Lied über die Liebe. Das kommt bei vielen schwarzen Gläubigen nicht besonders gut an, man wirft ihm sogar Gotteslästerung vor. Doch Ray Charles hat damit Erfolg, sogar die Weißen finden seine Musik gut, und das ist damals eine Seltenheit.
Ray Charles Welthit „What’d I Say“
Mit What’d I Say landet er einen Welthit, Klassiker wie Hit The Road, Jack und I Can’t Stop Loving folgen. Ab 1955 beginnt Charles im Stile der Gospelgruppen mit weiblichen Backgroundstimmen zu experimentieren und ergänzt seine Truppe um einen Frauenchor: die Raeletts. Der eigene Stil ist gefunden: eine schroffe Stimme, ein ausdrucksstarkes Piano, hervorragende musikalische Begleitung und Frauengesang im Hintergrund.
Prediger der Lebenslust
Das Ekstatische seiner Auftritte spiegelt sich in Rays Privatleben wieder: Den vielen Frauen kann er einfach nicht widerstehen. Zwar ist Ray verheiratet und hat drei Kinder, doch mit all den Geliebten setzt er mindestens neun uneheliche Kinder in die Welt. Man kann sagen, Ray Charles genießt das Leben in vollen Zügen und ist auch Alkohol und Marihuana nicht abgeneigt. In den Fünfzigern gerät er jedoch an härteren Stoff. Heroin wird ihm zum Verhängnis und führt in den kommenden zwanzig Jahren auch mehrfach zu Verhaftungen. Ab 1970 lebt er clean.
Ray Charles wird als erster Kulturschaffender in die Georgia Music Hall Of Fame (1979) aufgenommen. Außerdem ehren ihn die Blues Hall Of Fame und die Rock And Roll Hall Of Fame geehrt. Seine musikalischen Einflüsse sind stilprägend für die Entwicklung von Rhythm And Blues, Blues, Country und Soul.
1980 setzt der Weltstar seinem Ruhm noch einen drauf: Mit seiner Rolle im legendären Film Blues Brothers erreicht er im Jahre 1980 eine neue und junge Generation von Fans. 2004 stirbt Ray Charles in Beverly Hills. Niemand Geringeres als Frank Sinatra erweist ihm die letzte Ehre.
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Zeitsprung: Am 26.3.1944 wird Soul-Legende Diana Ross geboren.
Popkultur
„Tage wie diese“ von den Toten Hosen: Als sich Angela Merkel bei Campino entschuldigte
Im Jahr 2011 passiert den Toten Hosen etwas, wovor sich jeder Musiker fürchtet: Sie möchten ein neues Album schreiben — und ihnen fällt absolut nichts ein. Doch aus der Kreativlosigkeit der Düsseldorfer entsteht unter anderem ihr größter Hit: Tage wie diese. Das ist die Geschichte der Nummer. Eine Telefonat mit Angela Merkel ist auch dabei.
von Timon Menge
Hier könnt ihr euch Scheiss Wessis von den Toten Hosen anhören:
Im Demostadium heißt der Song noch Kreise drehen. Am Text kann man es ablesen: „Wir lassen uns treiben, tauchen unter, schwimmen mit dem Strom / Drehen unsere Kreise, kommen nicht mehr runter, sind schwerelos“. Hosen-Gitarrist Kuddel nimmt das Stück im Jahr 2010 zuhause auf und lässt sich dafür von Black Betty inspirieren, einem Worksong des 20. Jahrhunderts — allerdings in der Version der Siebziger-Rockband Ram Jam. Begeistert ruft er Sänger Campino an, der Kreise drehen ebenfalls mag. Doch gleich am nächsten Tag klingelt Kuddel noch einmal durch. Sein Sohn Tim findet das Lied nicht gut. Auch bei Tochter Chelsea springt der Funke nicht über. Enttäuscht legen die Hosen das Stück beiseite. Doch im Sommer 2011 geht Campino mit einer alten Freundin schwimmen — und ihr kommen die zündenden Ideen.
Campino und Birgit Minichmayr: eine alte Freundschaft ebnet den Weg zum größten Hit
Bereits im Jahr 2006 hatten Campino und Birgit Minichmayr gemeinsam auf der Bühne des Berliner Admiralspalastes gestanden. Der Anlass: Rainer Maria Brandauers Inszenierung von Bertold Brechts Dreigroschenoper, in der Campino den Mackie Messer gegeben hatte und Minichmayr dessen Partnerin Polly. Seitdem sind die beiden in gutem Kontakt geblieben und nun, da die Hosen mit dem Songwriting für das Album zu ihrem 30. Jubiläum im Morast feststecken, ruft Campino seine Kollegin Minichmayr zur Hilfe. Er bittet sie darum, sich das neue Material einmal anzuhören. Zügig treffen sich die beiden in Österreich. Campino bringt eine CD mit den neuen Ideen mit. Kreise drehen möchte er Minichmayr eigentlich gar nicht vorspielen, doch als sie den Song hört, lobt sie ihn. Das sei das bisher beste Stück und man müsse nur noch ein wenig am Text schrauben. So passiert es dann auch.
Als Campino und Minichmayr fertig sind, heißt das Stück Tage wie diese. Minichmayr hat das Potenzial des Songs erkannt, den die Hosen beinahe aussortiert hätten. Nach der Veröffentlichung wird das Stück schnell zum Selbstläufer. Platz eins in den Single-Charts, drei Wochen lang die Pole Position in den Airplay-Charts, „Hit des Jahres“ bei der Echo-Verleihung 2012, Deutscher Musikautorenpreis 2013: Tage wie diese schlägt unerwartet heftig ein. Es soll der bekannteste Song der Toten Hosen werden. Was diesmal anders ist? Vielleicht zum allerersten Mal sei es egal, ob das Lied von den Hosen komme oder nicht, mutmaßt Campino in einem Interview. Bisher hätten viele Fans die Songs der Band gemocht, weil sie Anhänger der Hosen seien. An Tage wie diese fänden auch Nicht-Hosen-Fans Gefallen — obwohl der Song von den Hosen komme. Es sei ein großes Glück, nach 30 Jahren Bandgeschichte noch solch einen Hit zu landen, findet er. Er wisse nicht, ob die Hosen in jungen Jahren mit so viel Erfolg zurechtgekommen wären.
Tage wie diese: ein Song begeistert Deutschland
Die Beliebtheit des Songs bekommen die Hosen gleich in mehrfacher Hinsicht zu spüren. Zum einen klingelt die Kasse; zum anderen kommt es zu mehreren Coverversionen. Eine der neuesten (von 2023) stammt von der US-amerikanischen Sängerin Anastacia.
Schon vor Jahren hatte Campino den Text des Songs ins Englische übersetzt. Best Days heißt die US-Variante und sie ist auf Anastacias Album „Our Songs“ zu finden. Auch Schlager-Megastar Helen Fischer singt Tage wie diese im Rahmen ihrer Sommertour 2013. Eine Veröffentlichung ihrer Version auf CD unterbinden Campino und Co. allerdings. Eigentlich hatten sie ja auch der CDU verboten, den Song zu nutzen …
Beste Feinde: Die Toten Hosen und die CDU
Nach 40 Jahren Bandgeschichte haben sich die Toten Hosen einen Ruf erspielt. Als Krachmacher der Nation kennt man sie vor allem als Punk-Vertreter und Störenfriede, die sich auf und abseits der Bühne gerne gesellschaftskritisch äußern. Ein einziges Campino-Interview reicht, um zu wissen: CDU-Fan ist er nicht. Dennoch singt die Union am 22. September 2013 in ihrer Berliner Zentrale ausgerechnet den Hosen-Song Tage wie diese, um ihren Erfolg bei der jüngsten Bundestagswahl zu feiern. Kanzlerin Angela Merkel weiß zu jener Zeit noch nicht einmal, dass es sich um ein Lied der Toten Hosen handelt.
Es ist schon ein skurriles Bild: CDU-Fraktionschef Volker Kauder gibt mit einem Mikro in der Hand Tage wie diese von den Toten Hosen zum Besten; Angela Merkel, Ursula von der Leyen und Armin Laschet wippen (mehr oder weniger) im Takt mit. Viele Deutsche dürften sich über diesen Auftritt im September 2013 gewundert haben, steht die CDU doch nicht unbedingt für die Werte, die Campino und Co. üblicherweise propagieren. Entsprechend verärgert ist die Band über die eigenwillige Nutzung ihres Songs. „Uns persönlich kam die Darbietung eher wie ein Autounfall vor“, schreiben die Düsseldorfer nach der CDU-Performance in einem Statement auf ihrer Facebook-Seite. „Nicht schön, aber man schaut trotzdem hin.“ Darüber hinaus sei das grausam vorgetragene Lied aber immer noch die beste Leistung, die die CDU in letzter Zeit hervorgebracht habe. Deutliche Worte.
Anruf von Angela — Als die Kanzlerin Sorry sagte
Die Verärgerung der Toten Hosen entgeht Angela Merkel nicht — weshalb sie ein paar Tage später zum Telefonhörer greift, um sich zu entschuldigen. „Lieber Herr Campino, ich rufe an, weil wir ja am Wahlabend so auf ihrem Lied herumgetrampelt sind“, sagt sie zu dem Sänger. Sie fände Tage wie diese sehr schön, doch Campino müsse sich keine Sorgen machen, dass der Song nun die nächste CDU-Hymne werde. Außerdem hätten die Hosen die Nutzung des Liedes zwar für Wahlkampfveranstaltung untersagt, doch Siegesfeiern seien ja kein Wahlkampf. Am Ende bleibt sie eben doch Politikerin.
Diese Geschichte ist eine von vielen aus dem Buch Die Toten Hosen – über 40 Jahre Punkrock: Von Pionieren des Punks zur Kultband von Timon Menge. Die Anekdotensammlung erscheint am 24. Oktober 2023 im Riva Verlag.
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Helau, Buenos Aires: Die erste Show der Toten Hosen in Argentinien
Popkultur
Rock-Hits, Leinwandauftritte und eine eigene Pizza: 6 Rock’n’Roll-Momente aus dem Leben von Joan Jett
Rockröhre, Schauspielerin, Tierschützerin: Joan Jett funktioniert nicht nur am Mikro, sondern auch an der der Gitarre, vor der Kamera und als Pizza, zumindest quasi. Heute haben wir sechs Rock’n’Roll-Momente und -Abschnitte aus ihrem Leben zusammengestellt, die nicht nur für ihre Vielseitigkeit und ihr großes Können stehen, sondern auch für ihr gesellschaftliches Engagement. Die erste Geschichte handelt von ihrer Namensänderung. Für die hat Jett nämlich einen Grund, wie er rock’n’rolliger gar nicht sein könnte.
von Timon Menge
Hier könnt ihr euch einige der größten Hits von Joan Jett anhören:
1. Sie änderte ihren Namen in Joan Jett, weil das mehr nach Rockstar klingt.
Joan Marie Larkin. Zugegeben, so richtig nach Rock’n’Roll klingt das nicht. Das denkt sich auch Joan Jett, als sie die Scheidung ihrer Eltern dazu nutzt, ihren Geburtsnamen abzulegen, und stattdessen den Mädchennamen ihrer Mutter anzunehmen. Zumindest ist das die Geschichte, die sie zunächst allen erzählt. Später räumt sie ein, dass es sich bei Jett um einen erfundenen Namen handelt, der in keiner Verbindung zu ihrer Mutter steht. So oder so: Mit der Vermutung, dass sie als Joan Jett bessere Karten im Rockstar-Business hat, liegt die junge Musikerin richtig. Es ist der Name, unter dem sie die Welt erobern soll.
2. Mit The Runaways landete sie den ersten Hit einer großen weiblichen Rockband: Cherry Bomb.
Gemeinsam mit Sängerin Cherie Currie, Leadgitarristin Lita Ford und Schlagzeugerin Sandy West gehört Joan Jett Mitte der Siebziger zu The Runaways, der ersten großen weiblichen Rockband der Welt. Schon mit ihrer ersten Single Cherry Bomb landen die Damen ihren größten Hit. Leider kippt nur ein Jahr nach der ersten Veröffentlichung die Stimmung innerhalb der Band. Mehrfach geraten Currie und Ford aneinander, bis Currie schließlich aussteigt und eine erfolgreiche Solokarriere startet. 1979 sind The Runaways endgültig Geschichte und auch Joan Jett geht ihren eigenen Weg — mit noch größerem Erfolg.
3. Mit ihrer Coverversion von I Love Rock ‘n Roll schuf sie einen Klassiker für die Ewigkeit.
„I … LOVE … ROCK ‘N ROLL!“ Wer diese Zeile noch nie lauthals mitgesungen hat, hat Rockmusik nie geliebt. Mit der Nummer landen Joan Jett und ihre Band The Blackhearts den mit Abstand größten Hit ihrer Karriere — obwohl es sich um eine Fremdkomposition handelt. So stammt der Song aus der Feder von Alan Merrill und Jake Hooker von Arrows, die das Stück bereits 1975 veröffentlichen. Joan Jett And The Blackhearts legen ihre Coverversion im Dezember 1981 nach — und machen I Love Rock ‘n Roll zu einem Song für die Ewigkeit.
4. Mit ihrem Rock’n’Roll mischte sie auch die Filmindustrie auf.
Nach ihren großen Erfolgen als Musikerin rockt Joan Jett auch Hollywood. Ihr Schauspieldebüt gibt sie 1987 in Light Of Day mit Michael J. Fox, der in dem Streifen seine erste ernstere Rolle spielt. Später ist sie in der Highlander-Serie (1992) zu sehen, ebenso wie in einer Folge der Sitcom Ellen (1997), in der Chuck-Norris-Serie Walker, Texas Ranger sowie in der Broadway-Adaption der Rocky Horror Picture Show. Zum Soundtrack des NASCAR-Films Tage des Donners mit Tom Cruise steuert sie den Song Long Live The Night bei.
5. 2010 erschien ein Biopic über ihre erste große Band The Runaways.
Auch 2010 flimmert Joan Jett noch einmal über die Leinwand, allerdings nicht persönlich, sondern verkörpert durch Schauspielerin Kristen Stewart. In dem Biopic The Runaways erzählt Regisseurin und Drehbuchautorin Floria Sigismondi die Geschichte der gleichnamigen Rockband mit Joan Jett und landet damit einen großen Erfolg unter Kritiker*innen. An der Kinokasse funktioniert der Streifen leider so gar nicht. Nach Produktionskosten von zehn Millionen US-Dollar spielt The Runaways gerade einmal 4,6 Millionen US-Dollar ein. Trotzdem: Toller Film!
6. Im Jahr 2022 bekam Joan Jett ihre eigene Pizza.
Neben ihrer Karriere als Musikerin unterstützt Joan Jett immer wieder Tierschutzorganisationen, wie zum Beispiel PETA. Am Valentinstag 2022 sorgt die PETA-Kooperation sogar dafür, dass Jett ihre eigene Pizza bekommt. So bietet die Kette Pizzanista an jenem Tag eine herzförmige Pizza mit schwarzem Rand an, angelehnt an den Namen von Jetts Band The Blackhearts. „Joan Jett hat gesagt: Wenn es etwas gibt, dass sie mehr liebt als Rock’n’Roll, dann sind es Tiere“, erklärt PETA-Vizepräsidentin Lisa Lange. „Also ist diese ausgefallene vegane Pizza die perfekte Hommage.“ Coole Aktion!
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