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Popkultur

Vor 40 Jahren spielen Die Ärzte ihr erstes Konzert – in einem besetzten Haus

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Die Ärzte
Foto: United Archives/Getty Images

1982 tobt in Berlin-Kreuzberg der Häuserkampf. In einem besetzten Haus am Heinrichplatz (heute Rio-Reiser-Platz) geben Die Ärzte im September 1982 ihr allererstes Konzert – ein holpriger Start, der fast in einer handfesten Abreibung endet.

von Björn Springorum

Zu Beginn der Achtziger ist Berlin ein Schlachtfeld. In Westberlin sind 150 leerstehende Häuser besetzt, rund um den Heinrichplatz in Kreuzberg tobt der Häuserkampf. Hippies, Freaks, Punks und Utopisten wollen frei von Regeln und Normen leben. Sie liefern sich Straßenschlachten mit der Polizei, errichten Barrikaden, werfen Scheiben ein.

Zur selben zeit schwappt der Punk mit einiger Verspätung über den Ärmelkanal von England nach Westberlin. Mit ihm kommen die Frisuren, die Mode, natürlich auch die Musik. Punk wird zum Fanal der Hausbesetzerszene, Lieder wie Macht kaputt, was euch kaputt macht von Ton Steine Scherben werden in dieser Zeit zu Hymnen. Nicht nur Rio Reiser ist hier mittendrin. 40 Jahre später wird man den Heinrichplatz in Rio-Reiser-Platz umbenennen, damals ist daran noch nicht zu denken.

Punk steckt in Berlin noch in den Kinderschuhen. Er wird aber nicht nur im wilden Herz Kreuzbergs gehört, sondern auch weiter draußen, im beschaulichen Spandau. Dort, in der Diskothek Ballhaus Spandau, lernen sich 1980 Dirk Felsenheimer (Bela B) und Jan Vetter (Farin Urlaub) kennen, der Legende nach knallen ihre Köpfe beim Pogotanzen zusammen. Bela B spielt damals bei der Punk-Band Soilent Grün und steht ohne Gitarristen da. Kai-Uwe Schmidt, dem ursprünglichen Gitarristen der Band, war kurz zuvor sein Instrument bei einem Überfall von Hooligans auf den Club KZ 36 gestohlen worden, er hatte keinen Bock mehr auf diesen Stress und stieg aus.

Farin Urlaub ersetzt ihn, man spielt einige Konzerte, löst sich aber bald darauf auf. Die beiden beschließen an einer Bushaltestelle in Frohnau, unter dem Namen Die Ärzte weiterzumachen, jetzt verstärkt von Urlaubs Kumpel Hans Runge alias Sahnie. Erste Songs entstehen, neben Punk ist der Wave der Achtziger in den frühen Jahren ein großer Referenzpunkt in ihrem Sound. Von Anfang an setzen Die Ärzte auf deutsche Texte und eigenwilligen Humor. Das unterscheidet sie merklich von den anderen Berliner Punk-Bands, oftmals harte Knochen und Prügelknaben aus der Hausbesetzerszene.

So ernst nehmen sich Die Ärzte nie. Und das mit der Musik, das ist ja eh nur so ein lustiger Zeitvertreib: Bela B will eigentlich Polizist werden, so ziemlich die Antithese zum wüsten Punk. Und Farin Urlaub studiert damals noch Archäologie. Ihr erstes Konzert findet im September 1982 dennoch in einem besetzten Haus statt – am Heinrichplatz, im Epizentrum des Häuserkampfs. Die CDU ist relativ neu an der Macht in Berlin, die Situation um den Heinrichplatz brisant, die Polizeipräsenz einschüchternd. Mittendrin: Die Ärzte, schrille Vögel, die selbst nicht so richtig in die Hausbesetzerszene passen wollen.

Viel überliefert ist nicht von ihrem allerersten Auftritt. Wer andere frühe Gigs der Band goutiert, wird aber relativ schnell feststellen, dass Farin Urlaub immer schon eine große Klappe hatte und gern mit dem Publikum auf Konfrontationskurs geht. Als gesichert gilt, dass ihr Auftritt alles andere als gut ankam. Die knallharten Punks denken, die Band würde sich über sie lustig machen. Völlig falsch natürlich, Die Ärzte machen sich höchstens über sich selbst lustig. Kommt jedenfalls nicht gut an, ihnen droht ordentlich Prügel, sie müssen direkt nach ihrem holprigen Auftritt aus dem besetzten Haus fliehen, retten sich in die U-Bahn und düsen schnell zurück in ihre WG nach Charlottenburg.

Kein allzu ruhmreicher Start. Aber irgendwie symptomatisch für diese Band. Sie war immer schon zu seltsam, um nur in ein Genre zu passen. Und immer schon zu schlau, um von allen verstanden zu werden.

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