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„Die Schwarze Community wird im Stich gelassen!“: #TheShowMustBePaused und die Folgen für die Musikindustrie

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Black Lives Matter
Foto: Getty Images

Brianna Agyemang und Jamila Thomas sind dabei, die Musikindustrie umzukrempeln. Ihr #TheShowMustBePaused greift die rassistischen Strukturen und Diskriminierungen in der Branche an. Jetzt sprechen die beiden über Phase 2 des Projekts – und welche Veränderungen bereits in Gange sind.

von Michael Döringer

Stellung beziehen, Verantwortung zeigen

Am Dienstag, den 2. Juni 2020, trug das Internet Schwarz. Die Aktion Blackout Tuesday füllte Plattformen wie Instagram mit schwarzen Quadraten und Hashtags wie #BlackLivesMatter – begann jedoch mit anderer Intention, bevor sie sich zu dieser allgemeinen Antirassismus-Kampagne verselbständigte: Zwei New Yorkerinnen, die in der Musikindustrie arbeiten, fassten einen Plan: Es kann nicht einfach so weitergehen wie bisher. Wir brauchen alle einen Tag Pause, um zu reflektieren und zu verarbeiten, was passiert ist, was es bedeutet – und wie es weitergehen kann. Unter dem Hashtag #TheShowMustBePaused hielten Brianna Agyemang und Jamila Thomas die Musikwelt dazu an, das Daily Business ruhen zu lassen, Stellung zu beziehen und Verantwortung zu zeigen. Mit vollem Erfolg, denn die Kampagne fand ein enormes Echo.

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All together now!

Agyemang und Thomas organisierten ein virtuelles Gipfeltreffen, das 1500 Teilnehmer*innen anzog. Drei Diskussionsrunden fanden statt, bei denen von hochrangigen Industrie-Executives über Anwält*innen und Künstler*innen bis zu Praktikant*innen alle gemeinsam über Möglichkeiten sprachen, wie man speziell in der Musikwelt alltäglichen und systemimmanenten Rassismus bekämpfen kann. Agyemang und Thomas sind keine Top-Managerinnen auf oberstem Level, denn auch in der Musikindustrie sind nach wie vor fast alle höheren Führungspositionen von weißen Männern besetzt. Umso grandioser, dass ihr mutiger Aufruf zu Handlung und Haltung eine so universelle Wirkung hatte. Und die beiden nutzen ihren Einfluss weiter.

Die Freundinnen sind dabei, ihre Organisation zu festigen und starten nun Phase 2 der Aktion, um „die Musikindustrie in die Verantwortung zu nehmen sowie ihre Praktiken hinsichtlich Repräsentation, sozialer Verantwortung und gleicher Bezahlung transparent zu machen, zum Wohle aller Schwarzen Künstler*innen, Geschäftspartner*innen und Mitarbeiter*innen.“ So heißt es in einem aktuellen Mission Statement, das am 11. Juni veröffentlicht wurde.

Den Spirit aufrecht erhalten

Das US-Magazin Billboard widmet Agyemang und Thomas aktuell eine Coverstory. Im Interview erklären die beiden die Hintergründe ihrer Idee, wie sie das alles organisieren konnten und wie es nun weitergehen soll. Worum es nicht nur bei ihrem virtuellen Gipfeltreffen ging, sondern was auch den Kern des Problems darstellt, beschreibt Thomas so:

„Künstler*innen der Urban-Sparte füllen den Großteil der Charts, wir feiern diese Genres [R&B/Hip-Hop] bei Branchen-Events und den Grammys. Doch wenn diese Community angegriffen wird, wird sie im Stich gelassen. Natürlich gibt es Postings oder Spenden, aber nie wirklich eine vereinte Front. Wir brauchen Fortschritt in den Arbeitsverhältnissen und auch in der Öffentlichkeit. Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt dafür, denn unser Land befindet sich tatsächlich in einer Phase des Wandels und Übergangs. Musik muss dabei eine Führungsrolle übernehmen, weil sie so einflussreich ist. Unsere Zusammenarbeit soll ein Anfang sein. Dass all diese einzelnen Persönlichkeiten bei unserem Call zusammengekommen sind und den Blackout Tuesday unterstützt haben, war ein Novum. Wenn wir diesen Spirit aufrechterhalten können, wird es eine Veränderung geben.“

Auch die nächsten Schritte haben die beiden schon detailiert vorbereitet. Phase 2 von #TheShowMustBePaused wird folgendermaßen aussehen:

„Wir gründen verschiedene Ausschüsse und teilen die Organisation in zwei Bereiche auf. Der eine befasst sich mit sozialer Gerechtigkeit und systemischem Rassismus, egal ob in der Vorstandsetage oder auf der Straße. Der andere Bereich wird versuchen, unsere Organisation innerhalb der Musikfirmen zu etablieren und neu zu strukturieren, um Schwarzen Menschen mehr berufliche Möglichkeiten und Chancen zu geben.“

Ein mächtiges Wort

Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich diese Veränderungen nicht nur intern, sondern auch für alle sichtbar manifestieren. Vor kurzem beschloss bereits die Universal-Tocher Republic Records, ab sofort auf die Musikkategorisierung „Urban“ zu verzichten. Genau in solchen vermeintlichen Details ist ein Umdenken nötig – vielen ist gar nicht bewusst, welche Konnotationen und Konsequenzen sich auch durch Sprache ergeben. Auch Agyemang und Thomas sind beeindruckt von der Entscheidung, halten sie für „einen großen Schritt nach vorne“. Als Insiderinnen sind sie natürlich skeptisch, wie das konkret umgesetzt wird – soll es nun „Hip-Hop und R&B“ heißen? Oder einfach nur „Black Music“? Agyemang sagt: „Mich würde interessieren, was das für Auswirkungen auf die Firma selbst hat, und wie man dort in Zukunft mit dieser Definition umgeht. Es ist nur ein einzelnes Wort, aber ein enorm mächtiges in der Musikindustrie.“

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