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„Western Stars“ von Bruce Springsteen: Die Rückkehr des Boss

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Landkarten nutzen ihm nicht viel, erklärt Bruce Springsteen im ersten Stück seines neuen Soloalbums Western Stars, dem Song Hitch Hikin’. Das mag daher kommen, dass der große US-Songschreiber seine Koordinaten seit jeher selbst absteckt, seine Gebiete selbst erschließt.

von Markus Brandstetter

Oft fußen diese Koordinaten auf den großen Versprechungen – jener von der Flucht aus der zu engen Kleinstadt, der Straße als Errettung und Einladung, dem Mädchen, der alles niederreißenden Freundschaft. Dem Promised Land und den Badlands, den Grenz- und Ödländern.


Hier könnt ihr euch Western Stars anhören:


Ob Springsteen dabei autobiographisch vorgeht oder, wie hier, in Charaktere schlüpft, ist prinzipiell sekundär, denn diese Versprechungen stehen so oder so überdimensional im Raum, heute wie damals. Auch, wenn wir es heute längst mit einem anderem Amerika, einer anderen Welt, anderen Straßen, anderen Problemen zu tun haben. Springsteen setzt auf Eskapismus und nimmt uns mit auf eine Reise – in eine einfachere, unschuldigere, übersichtlichere Zeit.

Musikalische Neuerungen

Während der 69-Jährige bisher auf seinen Solo-Alben die Songs meist auf ihr Grundgerüst reduzierte – also auf Gitarre, Stimme und gelegentliche Verzierungen – geht er auf Western Stars einen ganz anderen Weg: Er ließ sich von der Popmusik Südkaliforniens der späten 1960er- und 1970er-Jahre inspirieren. Das zieht sich auf dem Longplayer konsequent durch.

Springsteens Stücke sind in reiche, anachronistische Arrangements zwischen Streicher- und Bläsersätzen eingebunden, eine tragende Rolle spielt auch immer wieder die Pedal Steel. Dafür arbeitete er mit dem Produzenten und Multiinstrumentalisten Ron Aniello und einer Reihe von Gastmusikern zusammen. Mit dabei sind auch Springsteens Ehefrau und E-Street-Band-Kollegin Patti Scialfa und der Musiker und Produzent Jon Brion, der Celestas, Farfisas und Moogs einspielte.

Üppige Klanglandschaften

Es sind üppige Klanglandschaften, durch die Springsteen seine Protagonisten schickt, cineastische Ausritte (Chasin’ Wild Horses) und Sonnenuntergänge (Sundown). Inspiriert wurde er dabei laut eigenen Angaben von Glen Campbell und Burt Bacharach, auch die Erinnerung an Harry Nilsson taucht immer wieder auf. Western Stars, das ist üppiger, melodietrunkener Songwriter-Country-Pop. Die Jetztzeit, die omnipräsente Spaltung und Zerrissenheit, sie müssen draußen bleiben. Rein dürfen die vorbeiziehenden Wunder und geschundenen Herzen, der Wüstenhimmel, die Mustangs, die mit vier Rädern und die mit vier Beinen.

Bestes Album seit langem

Western Stars ist ein durch und durch gelungenes Wagnis. Es ist Springsteens bestes und kohärentestes Album seit langem. Wie und ob Springsteen diese Stücke adäquat live umsetzen wird, ist eine spannende Frage. Für Springsteen-Fans sind zur Zeit sowieso wieder einmal die fetten Jahre angebrochen, denn nächstes Jahr gibt es schon den nächsten Studio-Longplayer, diesmal mit seinen Freunden von der E Street Band.


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(Titelfoto: Brian Ach/Getty Images for Bob Woodruff Foundation)

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