------------

Popkultur

35 Jahre „Danzig“: Die „Mutter“ des Blues Metal

Published on

Glenn Danzig HEADER
Foto: Michel Linssen/Getty Images

1988 hat Glenn Danzig bereits zwei einflussreiche Bands in der Vita und köchelt schon wieder an was Neuem: Nach Misfits und Samhain versucht er semi-solo mit Danzig sein Glück. Und landet gleich mit dem Debüt einen folgenschweren Volltreffer. Mammamia!

von Björn Springorum

Hier könnt euch Danzig anhören:

Wer muss beim Genre „Elvis Metal“ noch an Volbeat denken? Seit Jahren fahren die Dänen mit ihrer Mischung aus Stadion-Metal und Elvis-Gestus gut und erfolgreich, doch erfunden hat es ganz klar jemand anders. Die Rede ist von einem Typen, der trotz einer Größe von 1,63 zu den ganz Großen der Rockmusik gehört. Klar, wir sprechen von Glenn Danzig, Gründer der legendären Misfits, Architekt des modrigen Horror Punk, Schinkengott, der Elvis des Heavy Metal. Also, stimmlich, nicht in Sachen dance moves.

Erst Drogen, dann Comics

Glenn Danzig hat ein Händchen für Trends und Mythenbildung. Mit zehn fängt er mit Drogen und Alkohol an, mit 15 ist er clean. Lieber stürzt er sich dann in die Werke von Edgar Allan Poe oder Charles Baudelaire, wird ein Comic-Ultra, gründet auch einen Verlag für erotische Comics. 1977 gründet er die legendären, die unvergessenen Misfits, 1983 löst er sie auch schon wieder auf. Egal, gründet er mit Samhain eben die nächste Band, die in Undergrundzirkeln schnell verehrt wird. Mitglieder von Minor Threat oder Reagan Youth mischen da mit, Rick Rubin holt sie auf sein Def American Label – auf Anraten von Cliff Burton und James Hetfield, die große Fans und Pusher von Samhain sind.

1987 nimmt Samhain Fahrt auf, was Glenn Danzig zum Anlass nimmt, sich selbst ein wenig besser am Markt zu positionieren: Er benennt die Band in Danzig um. „Ich war jetzt dafür verantwortlich, wo wir musikalisch hinwollten, und wenn ich etwas nicht machen wollte, war es viel einfacher, das zu sagen.“ Mit anderen Worten: Im Grunde ist Danzig sein Soloprojekt, seine Spielwiese. Und auf der tobt er sich jetzt nach allen Regeln der Kunst aus. Die Begeisterung für das Morbide, Düstere, Okkulte seiner Vorgängerbands nimmt er mit in seinen neuen Kosmos, verlagert die Musik aber in eine ungewöhnliche, damals ziemlich einzigartige Ecke: Groovender Midtempo-Metal mit starkem Blues-Einschlag, gesanglich irgendwo zwischen Elvis und Roy Orbison.

James Hetfield singt mit

Ob das gut geht? Und wie: Sein selbstbetiteltes Debüt Danzig ist bis heute Glenn Danzigs erfolgreichste Veröffentlichung, staubt irgendwann sogar Platin ab. Davon weiß er damals noch nichts. Glenn Danzig, zum Zeitpunkt der Aufnahmen Anfang 30, weiß nur, dass er da irgendwas auf der Spur ist. Zwischen September 1987 und April 1988 werkelt er in Rick Rubins berüchtigten Chung King Metal Studios in New York City an neuen Songs – unter anderem mit Drummer Chuck Biscuits, der auch bei Black Flag wütet. Zur selben Zeit tüfteln Public Enemy im selben Studio übrigens gerade an ihrem weichenstellenden Epos It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back. Anekdoten von einem Aufeinandertreffen gibt es leider nicht. Dafür sorgt für Rick Rubin für einen derart trockenen Sound, dass man unweigerlich zum Dosenbier greifen muss, weil der Hals kratzt.

Was nicht viele wissen: Auf den Songs Twist Of Cain und Possession ist James Hetfield als Background-Sänger zu hören – insbesondere im letzteren ist das mehr als deutlich zu hören. Er darf aus vertraglichen Gründen allerdings nicht in den Credits erwähnt werden. Wäre zwar sicherlich ein Boost für die Band gewesen, doch wie sich herausstellt, hat sie den gar nicht nötig: Was am 30. August 1988 erscheint, ist ein rohes, ein besonderes, ein in dieser Form einzigartiges Heavy-Metal-Album. Ein wenig rotziger Punk, etwas epische Metal-Aura, bleierne Doom-Schwere, Blues-Grooves und diese Stimme machen Danzig vom Fleck weg zum Kuriosum, das für Begeisterung und über Nacht zum Legendenstatus führt. Viel trägt dazu die bluesige und außergewöhnliche Gitarrenarbeit von John Christ bei. Und den Rest erledigt das arschcoole Cover, locker eines der besten aller Zeiten.

„Mother“ bleibt der größte Hit

Danzig sind so anders, so cool, dass sie mit The Hunter sogar eine Nummer von Booker T. & The M.G.‘s verwursten. Doch der coolste Song, die Überhymne, die erfolgreichste Nummer seiner Karriere bleibt natürlich Mother. Zum großen Hit wird die Nummer zwar erst über Umwege durch das offizielle Video von 1993; in seinem innig empfundenen, angenehm naiven Stampfen ist die Nummer aber natürlich auch 1988 schon großes Kino. „Ich erinnere mich, dass ich Rick Rubin mitten in der Nacht anrief und ihm sagte, dass ich einen unglaublichen Song geschrieben habe – wahrscheinlich den besten Song, den ich je geschrieben hatte.“, erinnert sich Danzig mal. „Es war der Song, den ich immer schreiben wollte. Als wir ihn zum ersten Mal spielten, drehten die Leute durch.“

Thematisch ist Mother eine Kampfansage an das Bestreben von Al und Tipper Gore, die Jugend durch ihre Parental Advisory-Sticker vor dem schädlichen Einfluss der Musik zu bewahren. Glenn Danzigs Kommentar dazu: „Al Gore wollte den Leuten vorschreiben, was sie hören dürfen und was nicht… es lief im Grunde darauf hinaus, dass er niemanden mehr Musik aufnehmen lassen wollte, die er nicht für richtig hielt. Es sollte eine Organisation geben, die einem sagt, was man aufnehmen darf und was nicht. Und wenn man es nicht aufnehmen konnte, durfte man es natürlich auch nicht veröffentlichen.Das war wirklich faschistisch.“ Guter Typ damals noch. Und trotz mehreren peinlichen Entgleisungen in den letzten Jahren zumindest musikalisch ein echter Hero: Wer kann denn sonst von sich sagen, auch mal Song für Roy Orbison und Johnny Cash geschrieben zu haben?

Du willst nichts mehr in der Rockwelt verpassen? Melde dich hier für unseren Newsletter an und werde regelmäßig von uns über die wichtigsten Neuigkeiten, die spannendsten Geschichten sowie die besten Veröffentlichungen und Aktionen informiert!

Glenn Danzig: „Punk wäre in der heutigen Kultur niemals möglich gewesen!“

Don't Miss