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Popkultur

40. Hochzeitstag: Billy Idol feiert „White Wedding“

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Billy Idol
Foto: Richard E. Aaron/Redferns/Getty Images

Von wegen Liebeslied: Dieser Song ist eher eine Anklage mit emporgereckter Faust: Vor 40 Jahren lädt Billy Idol zur fatalen White Wedding. Dass es gar nicht seine eigene ist und eventuell mit Crack oder Inzest zu tun hat, ist nur der Anfang…

von Björn Springorum

Hier könnt ihr Billy Idol hören:

In den späten Siebzigern hat sich die Londoner Punk-Band Generation X einen ganz stabilen Ruf als notorische Chaostruppe erspielt. Bei ihren Konzerten geht es ordentlich zur Sache, Bierflaschen fliegen und bei einem Auftritt 1978 bekommt der Sänger von einem Hell’s-Angels-Mitglied aus dem Publikum dermaßen einen auf die Mütze, dass er „nach hinten flog wie ein Tischtennisball“, wie Augenzeugen beschreiben.

Der Name dieses Sängers ist Billy Idol. So nennt sich William Broad schon damals, in Punk-Kreisen geht es ja nicht ohne Pseudonym. Ohne Band aber anscheinend schon: Nach einigen moderat erfolgreichen Singles in Großbritannien versucht man sehr temporär unter dem verkürzten Namen Gen X und deutlich gotischer Theatralik einen Neuanfang. Ihr Manager Bill Aucoin (der zuvor für KISS arbeitete) hat aber schon 1980 nur eins im Sinn: Billy Idol als Solokünstler aufzubauen.

Punk trifft Glam

Im Februar 1981 ist Schluss bei Gen X. Sozusagen als Abschiedsgeschenk nimmt Billy Idol den Song Dancing With Myself mit, den er einfach noch mal veröffentlicht und damit seine Solokarriere startet. Die kommt bemerkenswert schnell ins Rollen: Idol zieht noch im selben Jahr nach New York City und trifft mit seinem raubeinigen Rebellen-Punk-Gebahren in der florierenden New Yorker Szene voll ins Schwarze. Gemeinsam mit Steve Stevens, einem auffällig gekleideten Gitarristen mit Hang zum Glam Rock, arbeitet Idol an seinem ersten Album.

Die Aufnahmen finden in den Westlake Studios in Los Angeles statt, eine Stadt, die Idol begeistert, prägt und überrollt. Der Glam und der Punk liegen auf dem Sunset Strip ebenso nah beisammen wie in seiner Musik. Im Sommer 1982 erscheint das Album und verkauft sich gut. Als zweite Single wird White Wedding ausgekoppelt. Bis heute ist es nach Rebel Yell sein berühmtester Song. Interessanterweise sind andere Nummern erfolgreicher; ikonischer aber eben nicht.

Mit dem Motorrad durchs Kirchenfenster

Das liegt auch am Video: MTV ist neu, leckt sich die Finger nach krassen neuen Filmchen für ihre explodierende Zuschauerzahl. Billy Idol lässt sich nicht lange lumpen und beschert seiner rebellischen Hymne ein spektakuläres Gothic-Video: Er lässt ein Motorrad durch ein Kirchenfenster knallen, er steckt seiner damaligen Freundin Perri Lister einen Ring aus Stacheldraht an den Finger. Lister, ganz der toughe Achtziger-Vamp mit Blutdurst, besteht darauf, dass der Stacheldraht und ihr Blut echt sind, damit es realistischer aussieht. Zu krass für MTV: Anfangs schnitt der Sender diese Szene immer raus.

Auch kontrovers, wenn wahrscheinlich auch unabsichtlich: der Hitlergruß der Hochzeitsgesellschaft. Laut Regisseur David Mallet nur ein Versehen. Er wollte lediglich, dass die Menschen nach der Braut greifen, und übersah, wie die Szene letztlich wirken würde. Na ja, wer weiß. Aber das ist nun mal der Rock’n’Roll: Ein wenig Verwegenheit und Provokation haben in den Achtzigern bekanntlich nie geschadet.

Schwangerschaft, Crack, Inzest

Ausufernd interpretiert wurde auch der Text zu White Wedding, insbesondere diese Passage hier:

Hey little sister, what have you done
Hey little sister, who’s the only one
Hey little sister, who’s your superman
Hey little sister, who’s the one you want

Denn während sister im England der Achtziger durchaus synonym mit girlfriend verwendet wird, soll die übereilte Hochzeit der eigenen Schwester eine Inspiration für Billy Idol gewesen sein: Angeblich wurde seine Schwester schwanger ohne verheiratet gewesen zu sein, weswegen eine Shotgun-Wedding durchgezogen wurde, bevor irgendjemand merken konnte, dass sie schon vor der Eheschließung schwanger war. Es leben die Achtziger!

Die Thesen gehen allerdings aufs Wildeste und Abstruseste auseinander: Von Inzest über eine Crack-Süchtige, die einen Rückfall erleidet, bis hin zu einer „weißen“ Hochzeit, bei der die Braut noch Jungfrau ist. Eigentlich erstaunlich, dass es da immer noch so viele verschiedene Interpretationen gibt: Billy Idol selbst hat die Sache doch eigentlich längst aufgeklärt: Ja, es geht um seine Schwester. Nein, sie war keine Jungfrau mehr. Ja, es geht außerdem um seinen hedonistischen Lebensstil als Rockstar, der bei allem Lustgewinn manchmal auch ziemlich einsam sein kann. Bisschen viel vielleicht für eine Radiosingle, oder? Kein Wunder ist der 12-Inch-Mix über acht Minuten lang…

All der Mythos schadet Billy Idols Karriere nicht: 1983 legt er mit Rebel Yell nach. Und wird endgültig zum Superstar mit Schnute.

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Zeitsprung: Am 10.11.1983 startet Billy Idol mit „Rebel Yell“ durch.

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