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Popkultur

50 Jahre „New York Dolls“: Die Band, die die Sex Pistols möglich machte

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New York Dolls HEADER
Foto: Michael Putland/Getty Images

Das Debüt der New York Dolls ist in vielerlei Hinsicht ein Meilenstein. Der größte Verdienst der Platte ist auch 50 Jahre nach Erscheinen ihr Einfluss auf die Sex Pistols. Und somit auf die gesamte Punk-Szene.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr euch das Debüt von den New York Dolls anhören:

Mit Pionieren ist das ja immer so eine Sache. Wer hat’s denn nun eigentlich erfunden? Meist ist es eben kein singulärer Moment, keine einzelne Band, kein einer Song; sondern ein Prozess, eine Bewegung, ein Momentum, das erst mit historischem Abstand sichtbar wird. Fest steht nur: Im New Yorker Underground der frühen Siebziger brodelt es gewaltig. Die Proto-Punk-Szene erwacht, die Glam-Welt blinzelt, rohe Energie und Haarspray mischen sich zu immer aufregenderen Bands.

Die Stones reichen nicht mehr

Neben den Stooges aus Michigan und Velvet Underground aus New York sind schnell die New York Dolls der neueste heiße Scheiß für all jene, für die die Stones nicht genug Street-Credibility besitzen. Wer seinen ersten Gig am Heiligabend 1971 in einem Obdachlosenheim in einem ehemaligen Luxushotel spielt, hat wohl was vor. Und im Falle der New York Dolls war es eben der hehre Plan, die beste, heißeste, wildeste Rock-Truppe Manhattans zu werden.

1972 geht es für die Dolls sogar schon über den Teich (ohne Album wohlgemerkt), wo sie mal für Rod Stewart eröffnen und einige Konzerte auf eigene Faust sterben. Nach einem stirbt der Originaldrummer Billy Murcia an einer Überdosis. Mit 21 Jahren, satte sechs Jahre vor den Club 27. Bald darauf verfestigt sich das klassische Line-Up aus Sänger David Johansen, Gitarrist Johnny Thunders, Bassist  Arthur Kane, Gitarrist und Pianist Sylvain Sylvain und Drummer Jerry Nolan.

Attitüde, Arroganz, Swagger

Von Anfang an ist ihre Attitüde: Fake it until you make it. Die Band weiß um ihre Stärken und Schwächen und tut einfach so, als wären sie jetzt schon Weltstars – Attitüde, Arroganz und Swagger ohne Ende. „Wir mussten uns erst mal berühmt fühlen, bevor wir tatsächlich berühmt werden konnten“, so Sylvain mal. „Wir taten so, als wären wir bereits Rockstars. Arthur nannte seinen Bass sogar ‚Excalibur‘, nach König Arthur. Es war völlig drüber.“

Aber: Es funktioniert. Im April 1973 nehmen sie mit Produzent Todd Rundgren in den Record Plant Studios in New York City endlich ihr Debüt New York Dolls auf. Da sind sie längst kultisch gefeierte Undergroundhelden. Für acht Tage gehen 17.000 US-Dollar drauf (heute weit über 100.000), wobei man sich dann schon denken kann, wofür die Dolls die Kohle ausgeben. Selbst im Studio treten die Musiker nur in ihren abgefahrenen, queeren und glitzernden Fummeln auf, was Produzent Rundgren einmal auch zu einem legendären Wutanfall provoziert haben soll. „Jetzt wischt euch den Glitzer von euren Ärschen und spielt endlich!“, soll er gebrüllt haben.

Ode an New Yorks Schattenseiten

Was herauskommt, ist ein wilder Tribut an New Yorks Nachtleben und Jugendkultur. Die Songs sind Punk ebenso sehr wie Rockabilly, sind teils überaus explizit und teils unschuldig im besten Fifties-Stil. Auf dem Cover sind die Dolls in Drag-Fashion zu sehen, mit Make-Up, Perücken und Kostümen, was im bedenklich homophoben New Yorker Underground durchaus zu Hass und Irritationen führt. Doch die New York Dolls fangen die Aura der New Yorker Halbwelt perfekt ein und legen für viele zeitgenössische Kritiker das Manhattan-Gegenstück zu Raw Power von den Stooges vor.

Anti-Rockmusik

Wo kurz zuvor Pink Floyd mit The Dark Side Of The Moon zeigen, wie viel Rockmusik wirklich kann, zeigen die New York Dolls, mit wie wenig man durchkommen kann – das Fundament für Punk ist geboren. Kein Wunder ist Malcolm McLaren, späteres Manager-Teufelchen auf den Schultern der Sex Pistols, derart angetan von Attitüde, Flair und Provokation der New York Dolls, dass er in England ein Londoner Gegenstück dazu schaffen will. Später ist er sogar kurzzeitig der Manager der Dolls, bringt sogar Sylvaines weiße Les Paul mit zurück nach England, wo er sie Steve Jones überreicht. Jones wird sie fortan spielen.

Die New York Dolls triggern die Sex Pistols

Ohne die New York Dolls, ohne ihren völlig überzogenen, lauten Rock’n’Roll würde es die Sex Pistols nicht geben. „Ich wollte mit den Sex Pistols das erschaffen, was mit den New York Dolls nicht geklappt hat“, so sagte McLaren mal. Hat ganz gut geklappt, kann man wohl sagen. New York Dolls ist keine lupenreine Punk-Platte. Doch sie trieft nur so vor radikaler Attitüde, Aufsässigkeit und knackig-stumpfem Spiel, dass kein Zweifel daran bestehen kann, welches Fundament hier geschaffen wird.

Mindestens ebenso beeinflusst oder mitgerissen von den New York Dolls sind die Ramones, die sich 1974 gründen, Guns N’ Roses oder KISS, die ebenfalls in New York zuhause sind. Schon zwei Jahre nach dem Debüt geht es mit den Dolls steil bergab, Drogen und Spannungen innerhalb der Band sorgen für eine toxische Abwärtsspirale. Ende 1976 ist erst mal Schluss. Doch was bleibt, ist die Initialzündung für ein Genre, der Funke, aus dem die Sex Pistols einen Flächenbrand entfachen.

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