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Popkultur

Deep Purple im Interview: „Wir hielten ‘Smoke On The Water’ für einen Lückenfüller“

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Deep Purple
Foto: Didi Zill

Mit Machine Head schufen Deep Purple 1972 einen Klassiker der Rockgeschichte. Nun erscheint das Album als Deluxe-Boxset, für das Dweezil Zappa den Longplayer geremixt hat.

Wir sprachen mit Deep-Purple-Bassist Roger Glover über den Entstehungsprozess der Platte, wie es sich anfühlt, einen Klassiker wie Smoke On The Water zu schreiben und wie die Stimmung im Deep-Purple-Camp heute ist.

von Markus Brandstetter

Roger, vor knapp 52 Jahren habt in auf Smoke On The Water Frank Zappa erwähnt. Da ist es passend, dass für die neue Edition von Machine Head, auf der der Song ja enthalten ist, sein Sohn Dweezil verantwortlich zeichnet. Wie kam es dazu?

Dweezil spielte vor einigen Jahren als Gast bei unserem Auftritt auf dem Montreux Festival. Wir spielten damals natürlich ein Zappa-Stück, Peaches En Regalia. Das war das erste Mal, dass wir mit ihm in Kontakt kamen. Als die Idee des Boxsets aufkam, beschlossen wir, das Ganze neu mischen zu lassen. Ich habe während des Prozesses aber gar nicht viel mit ihm gesprochen. Er machte die Mixes, schickte sie mir und ich schickte ihm gelegentlich ein paar Kommentare und Anmerkungen zurück. Ich spielte in diesem Prozess wirklich keine große Rolle. Ich wollte einfach nur sicherstellen, dass bei Dweezil alles rund lief.

Wir haben es hier ja mit einem Klassiker der Rockgeschichte zu tun – wie fühlt es sich an, das Album wieder einmal von vorn bis hinten anzuhören?

Es fasziniert mich immer noch, wenn ich höre, was wir da gemacht haben. Ob ich es mag, mir das Album anzuhören? Nun, ich kenne es ja in- und auswendig. Ich habe damit ja schon ewig gelebt, es gibt für mich wenige Überraschungen beim Hören. Vor einigen Jahren habe ich selbst einen Remix davon gefertigt. Die einzelnen Spuren gesondert zu hören, die Drums, die Gitarre, den Bass, das war damals aber tatsächlich eine echte Offenbarung.

Wenn du an die Zeit zurückdenkst, in der das Album entstand – was kommt dir als erstes in den Sinn?

Das Album zu machen war ein großes Abenteuer. Erst beim Zurückblicken merkt man, was man in diesen zwei Wochen im Grand Hotel geschafft hat. Ich bin immer noch erstaunt, dass wir das durchgezogen haben. Dass wir nicht nur ein Album fertiggestellt haben, sondern ein solches Album. Aber das kommt dir gar nicht in den Sinn, wenn du gerade mittendrin steckst. Zu dem Zeitpunkt ist es für einfach irgendeine Platte. Du weißt nicht, was das Album sein wird, bis es draußen ist und die Leute es hören. Dann wird etwas daraus. Weißt du, ich bin hyperkritisch. Ich denke immer: Der Mix könnte besser sein, die Performance könnte besser sein. Aber das ist mein Problem. Ich kann mich erinnern, was mir Jon Lord einmal gesagt hat. Wir saßen in einem Zug, es war nach unserem ersten Album. Ich meinte: „Das Album hätte besser sein können“. Er meinte: „Nein, das könnte es nicht. Es ist, was es ist. Hätte es besser sein können, wäre es auch besser geworden. Denk nicht drüber nach, lass es fallen, lebe dein Leben weiter.“ Das war Jons Ratschlag an mich. Ein guter Ratschlag, den ich bis heute leider noch nicht beherzigt habe.

Deep Purple hatten damals ja einen gigantischen Lauf.

Wir waren in unseren Zwanzigern, hatten jede Menge Energie. Wir hatten zu dem Zeitpunkt bereits ein paar Hits landen können, es lief alles perfekt. Wir hatten gar keine Zeit zu reflektieren. Ich habe eine Liste mit allen Konzerten, die wir damals gespielt haben. Ich werde schon müde, wenn ich nur lese, wie viel wir spielten. Wir arbeiteten unglaublich viel. Das tun wir zwar heute auch, aber nicht mehr in dem Umfang. Damals war die Band einfach in einer guten Form. Wir wussten, dass wir mit dem Album etwas auf der Spur waren. Aber was tatsächlich daraus werden würde… das ahnten wir nicht mal. Wir dachten, Smoke On The Water sei eben ein Track auf dem Album, eine Art Lückenfüller. Wir brauchten noch einen Song, also hörten wir uns ein Demo des Songs an, das wir einige Zeit davor aufgenommen hatten. „Ja, das tut den Zweck, das können wir schon verwenden. Schreiben wir einen Text dazu.“ Diese kleinen Entscheidungen, die sich später als so wichtig herausstellten, wirkten damals überhaupt nicht wichtig.

Glaubst du, dass das der Schlüssel zum Schreiben eines Klassikers sein könnte: Nicht die Zeit haben, zu viel nachzudenken und einfach zu machen?

Ja. Es ist wie mit dem Zen-Bogenschützen. Der zieht den Bogen – und in dem Moment, in dem er das Ziel sieht, lässt er den Pfeil los. Je länger du nachdenkst und zweifelst, desto eher verfehlst du das Ziel.


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Wie war denn die Chemie der Band, als ihr für Machine Head Studio wart?

Ähnlich wie heute. Sehr locker und unbeschwert. Entspannt, aber intensiv. Es wird gescherzt, gemeckert und gejammert, aber wenn die Sandwiches kommen, sind wir ganz normale Leute, die ihrer Arbeit nachgehen. Die Band war ziemlich gut drauf. Wir spürten einen Druck, aber der hat uns zusammengebracht als Band. Das haben wir nie ausgesprochen, aber so fühlte es sich an.

Smoke On The Water ist einer der bekanntesten Songs aller Zeiten, das Riff wohl eines der unverkennbarsten Motive der Musikgeschichte. Wie war es denn, als ihr den fertigen Song gehört habt – kam da dann die Ahnung ins Spiel, dass ihr etwas Großes geschaffen habt?

Wir hatten null Ahnung. Wir waren immer schlecht darin, Singles auszuwählen. Wir hatten in keiner Weise das Gefühl, einen zukünftigen Klassiker geschrieben zu haben. Es war ja nicht einmal die erste Single. Es war so: „Okay, das Album ist fertig, jetzt erstmal Urlaub. In zwei Tagen dann Tour!“

Du hast eben gesagt, Musiker können ihr Werk in vielerlei Hinsicht selbst nicht gut beurteilen. Du bist aber auch Produzent, hast unzählige Alben produziert.

Es ist sehr schwierig, die Band zu produzieren, in der man selbst spielt. Der Produzent steht normalerweise abseits der Band und hat eine Art Überblick. Den habe ich zwar auch, aber die anderen vertrauen einem nicht so leicht. In den frühen Tagen wollten wir keinen Produzenten, haben einfach nur einen Engineer angestellt, der das machte, was wir ihm sagten. Wir wussten, was wir wollten und wir waren getrieben. Aber später in deiner Karriere, wenn du regelmäßig Alben machst, ist es gut, einen Produzenten zu haben, dem du vertrauen kannst. Den fanden wir in Bob Ezrin. In den 80ern und 90ern habe ich dann aber viel dann selbst produziert, The Battle Rages On und solche Sachen. Das empfand ich als notwendig, weil die Beziehungen in der Band so fragil waren.

Welche Rolle hat ein Produzent für dich idealerweise? Ist er einfach jemand, der die Dinge aus der Vogelperspektive sieht?

Ja, das wäre das Ideal, aber das klappt nicht immer so. Ein Produzent braucht einfach einen gewissen Überblick über das, was du tust. Als Produzent höre ich mir nicht nur meinen Bass gesondert an, wie ich das sonst tue. Ich höre mir die Dinge als Fan an. Ich versuche das zu machen, was für meine Ohren angenehm klingt. Eine gute Produktion spricht mich an, das muss gar nicht erklärbar sein. Das ist eine emotionale, intuitive Sache. Ich sollte darüber mal ausführlich sinnieren!

Dieses Jahr feiert auch dein Soloalbum The Butterfly Ball And The Grasshopper’s Feast seinen 50. Geburtstag. Wie sieht es denn mit einem neuen Roger-Glover-Solowerk aus, wäre das vorstellbar?

Ja, vorstellbar schon. Ich hätte auch jede Menge Songs, aber ich habe keine Band. Ich habe etwa 20 Songs, die nie genutzt worden sind. Ich werde mich dem irgendwann mal widmen. Es darf aber nicht nach Purple klingen. Nur Purple klingen nach Purple, solo habe ich überhaupt nicht das Bedürfnis, rockige Riffs rauszuschleudern.

Wie siehst du deine Rolle bei Deep Purple?

Um das zu beantworten, muss ich zu jener Zeit zurückgehen, als ich die Band kennenlernte. Ich hatte davor noch nie solche Musiker wie Jon Lord, Ritchie Blackmore und Ian Paice getroffen. Sie waren einfach unglaublich gut. Viel besser als ich. Ich begann mit Skiffle, simplem Rock. Ich bin ein einfacher Bassist, kein technischer Zauberer. Als sie mich fragten, ob ich zur Band stoßen möchte, fragte ich mich, ob sie wissen, worauf sie sich einlassen. Ich war niemals so gut wie sie. Aber es passte, es funktionierte einfach. Wenn ich es analysiere, dann sind Gillan und ich quasi als Vertreter der Popwelt dazugestoßen. Wir schrieben recht einfache, geradlinige Songs. Wir trafen diese drei anderen Musiker, die komplizierte Sachen spielen konnten – und es entstand diese magische Mischung aus Naivität und Finesse. Es funktionierte. Mein Job ist es einfach, die Dinge so simpel wie möglich zu halten – und den wirklichen Musikern die Möglichkeit geben, zu fliegen.

Seit kurzem habt ihr mit Simon McBride ein neues Bandmitglied. Wie hat das nach dem Weggang von Steve Morse die Dynamik verändert?

Nun, wenn du ein Rezept für Bananenkuchen hast und dann Pfirsiche statt Bananen nimmst, wird es natürlich anders schmecken. Unser Rezept sind fünf Leute. Als Steve damals zur Band stieß, fragte er mich: „Was willst du von mir?“ Ich antwortete: „Ich möchte, dass du ganz du selbst bist.“ Wenn du in einer Band bist, dann MUSST du ganz du selbst sein. Und so ist es auch mit Simon. Sie beide sind in der unmöglichen Lage, jemanden zu ersetzen, den man so nicht ersetzen kann. Ich war auch in dieser Lage. Aber wenn du die Musik, aber auch dich selbst respektierst, kann dir nichts passieren. Simon hat das gemacht. Steve hat das gemacht. Und auch Joe Satriani hat das damals gemacht.

Warst du eigentlich enttäuscht, als Satriani es ablehnte, fixes Mitglied der Band zu werden?

Nun, Joe genoss es sehr, mit uns zu spielen. Aber er hatte seine eigenen Verpflichtungen und seinen Solo-Vertrag. Er sagte, er könne einfach nicht der Gitarrist der Band sein. Er habe sein ganzes Leben nur für seine eigene musikalische Reise gelebt – und wenn er jetzt zu einer Band stoßen würde, die noch dazu in einer anderen Altersklasse als er ist, würde seine eigene Arbeit irgendwie verschwinden. Ich respektiere das! Im Endeffekt scheiterte es einfach daran, dass er nicht die Zeit hatte. Mit Simon ist es toll. Er bringt ein neues Gefühl in die Band, es fühlt sich alles freier an. Wir fühlen uns sehr wohl mit ihm.

Wie hältst du nach so vielen Jahrzehnten in der Band den Enthusiasmus am Leben?

Wenn man liebt, was man tut, dann passiert das automatisch. Wenn ich in meinem Alter auf die Bühne gehe, ist es mir jedes Mal bewusst, dass es das letzte Mal sein könnte. Ich versuche, alles aufzunehmen und es zu genießen. Ein Bassist zu sein, der zu einer Band stieß, die 50, 60 Jahre lang spielen sollte: Das ist fantastisch, das fasziniert mich bis heute.

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