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Popkultur

Die 15 berühmtesten Alter Egos der Musikgeschichte

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Seit Hunderten von Jahren erfinden Musiker Künstlernamen und sogar neue Identitäten als Teil ihres öffentlichen Auftritts. Für einige war es nur für ein einziges Album. Als z. B. die Beatles ihr Pilzkopf/Boyband Image ablegen und als ernsthafte Künstler wahrgenommen werden wollten, riefen sie Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band ins Leben. Andere kreierten ihren eigenen Mythos – wie ein gewisser Bob Zimmermann, der seinen angeblich unmodernen Nachnamen gegen den viel hipper klingenden Bob Dylan und eine passende Troubadour-Vergangenheit eintauschte.

Wieder andere ergaben sich dem Druck der Musikbranche. Als man Simon & Garfunkel sagte, dass ihre Namen zu “folkloristisch klangen”, gingen sie als “Tom And Jerry” ins Studio. Und manche waren von Anfang an zum Scheitern verurteilt, wie z. B. Chris Gaines, die Rockstar-Inkarnation von Garth Brooks.

Egal ob Country, Rock, Jazz oder Hip-Hop – diese Kunstfiguren stehen für einen ganz bestimmten Moment in der Entwicklung eines Künstlers. Wir haben hier eine kleine Auswahl der bekanntesten Alter Egos von den 1950ern bis heute zusammengestellt.


1. George Clinton: Starchild/ Dr Funkenstein/ Mr Wiggles


George Clinton hat mehr als nur ein Alter Ego erschaffen: Mit der von ihm begründeten Mythologie des P-Funk kreierte er ein ganzes Universum, das dem Afrofuturismus Tür und Tor öffnete. Seine zwei zukunftsweisenden Bands Funkadelic und Parliament gehörten beide zu Clintons Kosmologie, die auch galaktisch aussehende Tänzer, Kostüme und ein echtes Raumschiff auf der Bühne beinhaltete. Clinton war sein Leben lang von Science Fiction begeistert und das zeigte sich in Figuren wie Starchild (inspiriert von 2001: A Space Odyssey) und Doctor Funkenstein (der Clintons Faszination für die Klontechnologie entsprang). Weitere Inkarnationen waren z. B. Mr Wiggles, ein rappender Unterwasser-DJ, Sir Nose D’Voidoffunk, Lollipop Man und viele mehr.


2. David Bowie: Ziggy Stardust/ Aladdin Sane/ Thin White Duke


Ein anderer Künstler, der sich von den Sternen inspirieren ließ, war David Bowie. Seiner bisexuellen Alien-Glamrock-Figur Ziggy Stardust setzte er 1972 mit dem Konzeptalbum The Rise And Fall of Ziggy Stardust And The Spiders From Mars ein Denkmal. Da er aber nicht bis in alle Ewigkeit mit Ziggy assoziiert werden wollte, beendete er dessen Existenz und wurde zu Aladdin Sane, einer härteren und bösartigeren Figur, zu der ihn die düstere Dekadenz Amerikas inspiriert hatte. Nur wenig später stellte Bowie seine dritte Identität vor: Der Thin White Duke war ein verrückter Aristokrat, der Ähnlichkeit mit Bowies Rolle als menschenähnliches Alien Thomas Jerome Newton im Film The Man Who Fell To Earth hatte. Mit dem Duke und dessen gelegentlich recht kontroversen Äußerungen brachte sich Bowie gelegentlich in brenzliche Situationen, verwies aber immer darauf, dass er nicht dafür verantwortlich war, was der Duke sagte.


3. XTC: The Dukes Of Stratosphear

Das Alter Ego dieser lange sträflich vernachlässigten, britischen Band war mehr aus einem Scherz entstanden als aus einer künstlerischen Vision heraus. Nachdem der Auftrag als Produzent des Mary Margaret O’Hara Abums Miss America ins Wasser gefallen war, entschieden sich XTC-Frontmann Andy Partridge und Produzent John Leckie, die gezahlte Entschädigung von Virgin in ein paar psychedelische Tracks zu investieren, die zwar aus der Feder von Partridge und Colin Moulding stammten, für XTC aber zu experimentell waren. So entstand eine geheimnisvolle neue Band namens The Dukes Of Stratosphear und ihre zwei Alben 25 O’Clock und Psonic Psunspot verkauften sich sogar besser als die unter dem Namen XTC veröffentlichten Platten. Jedes Bandmitglied erhielt ein Alias und trug ein psychedelisches Outfit. Damit war der Zirkus komplett. Viele glaubten wirklich, dass es sich um eine echte Band handelte. Die Krönung war, dass ihr Debütalbum am 1. April 1985 erschien. Für XTC waren die Dukes “die Band, in der wir als Teenager alle spielen wollten.”


4. Hank Williams: Luke The Drifter

Für viele Künstler dienten diese Tarnnamen als Spielfeld für besonders eigenwillige und vielleicht befremdliche Aktionen. Der legendäre Countrymusiker Hank Williams allerdings kreierte sein moralisierendes Alter Ego Luke The Drifter, um gute Taten zu vollbringen und weise Ratschläge zu erteilen. Seit seinem Aufstieg erwartete das Publikum, dass alle seine Platten einen typischen, einheitlichen “Hank Williams Sound” aufwiesen. Deshalb rief Williams Luke The Drifter ins Leben, der über ernstere Themen wie gesellschaftliche Probleme singen konnte, ohne Konsequenzen zu fürchten. Viele dieser “Talking Blues”-Songs enthielten nachdenkliche Geschichten und Erzählungen. Von Hank Williams’ insgesamt 150 Songs erschienen nur 14 unter dem Pseudonym Luke The Drifter und keiner davon schaffte es zu seinen Lebzeiten in die Charts.


5. David Johansen: Buster Poindexter

Es erinnerte beinahe an eine Rückbildung, als der Mann, der teilweise für den Heavy Metal-Look und Punkrock-Sound verantwortlich ist, den Schritt vom Frontmann in Frauenkleidern bei den New York Dolls zu einem modernen Catskills Loungesänger machte. Nach dem Ende der Dolls, trennte sich David Johansen auch von seinen Netzstrumpfhosen und Makeup, legte stattdessen einen Smoking an, föhnte sich die Haare und wurde zu einem leicht affektierten Loungesänger namens Buster Poindexter. Diese Neuerfindung war erstaunlich erfolgreich, was zum Teil sicherlich an seinem Cover von Hot Hot Hot lag; und an den vier nachfolgenden Platten. Nach einer Weile hatte Johansen aber genug von Buster und begann 2004 wieder Musik unter seinem eigenen Namen und mit den wieder vereinten New York Dolls zu machen.


6. Julian “Cannonball” Adderley: Buckshot La Funke

Lange bevor Prince wegen eines Disputs mit Warner Bros seinen Namen in ein unaussprechliches Symbol änderte, gingen bereits viele Jazzkünstler unter Pseudonymen ins Studio, um vertragliche Verpflichtungen zu umgehen. Viele Musiker legten sich einen Decknamen zu, um mit anderen Künstlern zusammen arbeiten zu können. Aber anders als in anderen Fällen änderten sie nicht ihren Sound. Der Altsaxophonist Julian “Cannonball” Adderley war bei Mercury Records unter Vertrag, als er unter dem Pseudonym Buckshot La Funke für ein Blue Note Projekt ins Studio ging (ein Name, der wiederum als Inspiration für ein weiteres Alter Ego-Projekt diente: Branford Marsalis Hip-Hop Jazz Gruppe Buckshot LeFonque). Und Adderley war kein Einzelfall. So trat Charlie Parker z. B. als Charlie Chan auf, der Trompeter Fats Navarro als Slim Romero, Eric Dolphy als George Lane, Antonio Carlos Jobim als Tony Brzail, usw.


7. Paul McCartney: Percy Thrillington

Nach der Veröffentlichung von Ram 1971 produzierte Paul McCartney eine Bigband Instrumental Version des gesamten Albums und brachte diese 1977 unter dem geheimnisvollen Namen Percy Thrillington heraus. Paul McCartney und seine Frau Linda erfanden diese Figur und gingen sogar noch weiter: In britischen Zeitungen platzierten sie Anzeigen zu Thrillingtons Aktivitäten und erfanden eine detaillierte Hintergrundgeschichte für den Begleittext des Albums. Paul McCartney sprach nie über die Identität von Percy Thrillington. Erst bei einer Pressekonferenz im Jahr 1989 erzählte er die Wahrheit. Auch später benutzte McCartney immer wieder Pseudonyme für seine experimentelleren Nebenprojekte wie z. B. seine Electronica-Produktionen unter dem Namen The Firemen – eine Kollaboration mit dem Produzenten Youth.


8. Prince: Camille

Princes unveröffentlichte Alben sind fast genauso berühmt wie die, die er herausgebracht hat. Der einzige Trost ist, dass  es ein Teil des archivierten Materials doch noch auf einige der offiziellen Alben geschafft hat. So war es z. B. bei Camille, dem 1986 erschienenen, selbstbetitelten Debüt einer geschlechtsunspezifischen Kunstfigur. Prince hatte bekanntermaßen nie ein Problem damit, seine Falsettstimme einzusetzen (oder seine Alter Egos wie Jamie Starr, Tora Tora und Alexander Nevermind). Für Camille allerdings nahm er den Gesang extra mit einer langsameren Geschwindigkeit auf und passte ihn dann der höheren Tonlage an, um eine weiblich klingende Stimme zu bekommen. Die meisten Tracks von Camille erschienen 1987 auf Sign O’ The Times, darunter z. B. ‘Strange Relationship’, ‘If I Was Your Girlfriend’ und dessen B-Seite ‘Shockadelica’. Die Figur Camille war auch der Motor hinter einer weiteren auf Eis gelegten Veröffentlichung, The Black Album, auf dem zwei weitere Alter Egos des Künstler auftauchen: Bob George und Spooky Electric.


9. Eminem: Slim Shady

Im Hip-Hop gibt es eine ganze Menge Alter Egos, so kann Kool Keith insgesamt 58 davon vorweisen, die er über die Jahrzehnte kreiert hat. Und Eminem startete erst so richtig durch, als 1997 auf der The Slim Shady EP und 1999 auf der The Slim Shady LP sein bösartiges Alter Ego Slim Shady die Bühne betrat. In einem Interview sagte er: “Jeder hat zwei Seiten. Slim Shady ist einfach eine wütende Seite von mir, mit der ich Dampf ablassen kann.” So schreibt Marshall Mathers über das Vatersein, Eminem predigt über die Schattenseiten des Ruhms und Slim ist die sadistische, bösartig witzige Seite mit der schnellen Zunge, die ihn berühmt und den Medien das Leben schwer gemacht hat.


10. Leon Russell: Hank Wilson

Im Laufe seiner jahrzehntelangen Karriere arbeitete Leon Russell mit allen großen Namen der Musikwelt und wechselte auf seinen Hitalben mühelos zwischen Rock’n’Roll, Blues und Gospel. Country faszinierte ihn zwar auch schon immer, aber es dauerte bis 1973, dass er unter dem Pseudonym Hank Wilson eine Sammlung von Bluegrass- und Country Standards mit dem Titel Hank Wilson’s Back! herausbrachte.


Schaut euch hier ein Leon Russel Video mit dem Song Jambalaya an und lest weiter:


Heute ist das Album wenig bekannt, aber einer der Tracks, ‘Roll In My Sweet Baby’s Arms’, schaffte es sogar in die Billboard 100. Später nahm Russell unter seinem eigenen Namen ein Country-Duettalbum mit Willie Nelson auf und kehrte dann 1984 als Hank Wilson mit dem Album Hank Wilson, Vol. II zurück. Eine dritte Collection mit Country Covern, Hank Wilson, Vol. 3: Legend In My Time, folgte 1999.


11.  Nicki Minaj: Roman Zolanski

Hip-Hop tendiert grundsätzlich dazu, sich sehr ernstzunehmen. In dieser Szene ist Nicki Minaj ein wahres Chamäleon und kreiert diverse Kunstfiguren mit Perücken, Verkleidungen und eigenen Hintergrundgeschichten. Mittlerweile gibt es sogar eine eigene Wiki-Seite, um über jede auf dem Laufenden zu bleiben. Die wichtigste (und Minajs favorisierte) Figur ist Roman Zolandski, ein exaltierter, britischer Homosexueller, der wahnsinnig schnell spricht und vor Kontroversen nicht zurückschreckt. Seine erste Performance war auf Trey Songzs Hit Bottoms Up. Ab da taucht er auch auf anderen von Minajs Hits auf, darunter z. B. Roman’s Revenge, Roman Holiday und Roman Reloaded. Seine Mutter, Martha Zolandski, ist ein weiteres von Minajs Alter Egos. Daneben gibt es noch Harajuku Barbie, Female Weezy (Lil Waynes weiblicher Gegenpart), Point Dexter und über zehn andere.


12. 2Pac: Makaveli

Was als eine Figur mit begrenzter Lebensdauer begann, wurde zu einer der berüchtigsten Verschwörungstheorien der Musikwelt. Angeblich entwickelte 2Pac eine Faszination für Niccolo Machiavelli, den Philosophen aus dem Florenz des 16. Jahrhunderts, als er dessen Werke im Gefängnis las. Deshalb legte er sich das Alter Ego Makaveli zu. Auf seinem Album All Eyez On Me betritt Makaveli zum ersten Mal die Bildfläche. Mit dem 1996, wenige Monate nach den tödlichen Schüssen auf Tupac, veröffentlichten The Don Killuminati: The 7 Day Theory wurde er unsterblich. Das provokative Album nährte in den folgenden Jahrzehnten Gerüchte, dass Pac die Schießerei in Las Vegas irgendwie überlebt und seinen Tod vorgetäuscht hatte – genauso wie Machiavelli es in seiner politischen Abhandlung The Prince angekündigt hatte.


13. Herman Blount: Sun Ra

Einige Alter Egos existieren nur für einen Auftritt, andere für ein Album oder ein paar Jahre. Aber keines kann es mit dem künstlerischen Engagement des legendären Jazzkomponisten, Keyboarders und Bandleaders Sun Ra aufnehmen, der sich tatsächlich für einen Engel vom Planeten Saturn hielt – auf und abseits der Bühne. In einer Doku sagte er: “Da ich mich selbst nicht als Teil der Menschheit verstehe, bin ich ein spirituelles Wesen.” Herman Blount wurde 1914 in Birmingham, Alabama, geboren und machte sich zunächst in Chicago als Arrangeur von Fletcher Henderson einen Namen, bevor er sich komplett neu erfand, seinen “Sklavennamen” ablegte und gegen Sun Ra eintauschte. Es dauerte nicht lange, da war aus seinen “Space Trios” die große Arkestra Band entstanden, die kreuz und quer durchs Land reiste und sogar zu einer waschechten, musikalischen Kommune mit “Ra Houses” wurde.


14. Damon Albarn: Murdoc von Gorillaz

Da sie vom Pop-Einheitsbrei auf MTV die Nase voll hatten und im Bereich Hip-Hop experimentieren wollten, erfanden Blur-Frontmann Damon Albarn und sein Mitbewohner, der Illustrator Jamie Hewlett, 1998 die animierte Band Gorillaz. Genau wie viele der anderen Künstler nutzte Albarn diese Anonymität, um Musik zu machen, die er nicht mit Blur hätte veröffentlichen können. Das Zeichentrickprojekt hatte ständig wechselnde, absonderliche “Mitglieder” und setzte sich mit der Single Clint Eastwood 2001 auch in den Charts durch.


15. Will Oldham: Bonnie “Prince” Billy

Im Laufe seiner äußerst produktiven Karriere mit bisher schon über 50 Veröffentlichungen hat Will Oldham immer wieder Pseudonyme benutzt. Mit jedem Album schraubte er ein wenig am Namen, da seiner Ansicht nach die Musik wichtiger ist als die Identität des Urhebers. Er veröffentlichte als Palace Brothers, Palace Songs, Palace Music und Palace und blieb ab 1999 bei Bonnie “Prince” Billy. Die Idee kam von Bonnie Prince Charlie, dem berühmten englischen “Thronprätendenten” aus dem 18. Jahrhundert. Das Alter Ego wurde zu einer Ikone des Indierock und repräsentiert gewissermaßen seine kommerzielle Seite. Oder, wie er es in einem Interview ausdrückte: “ein Brill Gebäude oder ein Songwriter aus Nashville, der Songs mit Strophen, Refrains und Überleitungen singt.”

Es gibt unzählige Beispiele von Alter Egos in der Musikwelt – von Don Van Vliets Captain Beefheart über Green Days The Network und Stevie Wonders Eivets Rednow. Welche findet Ihr am besten? Sagt es uns in den Kommentaren!


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Zeitsprung: Am 1.4.2008 feuern Velvet Revolver ihren Sänger Scott Weiland.

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Header-Bild Credit: Kreepin Deth/Wiki Commons

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 1.4.2008.

von Christof Leim

Das sah schon nach „Supergroup“ aus, was sich da 2002 zusammenbraute: Drei Musiker von Guns N’ Roses und der Sänger von den Stone Temple Pilots gründen Velvet Revolver. Doch sechs Jahre später ist der Ofen aus und Scott Weiland raus. Vorher gab es noch eine lahme Platte, Streit im Internet und die ganz kalte Schulter.

Hört euch hier das Velvet-Revolver-Debüt Contraband an:

Natürlich hat die ganze Welt mit Spannung zugehört, als Slash, Duff McKagan und Matt Sorum zusammen mit dem Gitarristen Dave Kushner und dem Frontmann der Stone Temple Pilots, Scott Weiland, eine Band gründen. Beim Debüt Contraband von 2004 kommen nicht ganz unerwartet zwei musikalisch benachbarte Welten zusammen: Classic Rock und alternative-lastiger Grunge-Sound. Die Scheibe wird zum Erfolg, doch der Nachfolger Libertad bleibt 2007 weit hinter den Erwartungen zurück.

Ein Bild aus besseren Zeiten: Velvet Revolver live 2007. Foto: Kreepin Deth/Wiki Commons.

Den weltweiten Touren der Band tut das keinen Abbruch, diverse Aufenthalte in Entzugskliniken, Visa-Probleme und kurzzeitige Verhaftungen durchkreuzen einige Pläne allerdings schon. Als Velvet Revolver im Januar 2008 ihre Rock’n’Roll As It Should Be-Tour durch Europa starten, hängt der Haussegen bereits schief. Am 20. März 2008 verkündet Weiland sogar auf offener Bühne in Glasgow: „Ihr seht hier etwas Besonderes: Die letzte Tour von Velvet Revolver.“

Längt beschlossene Sache

Was er nicht weiß: Seine Kollegen haben da längst beschlossen, ohne ihn weiterzumachen, wie Slash später in einem Interview eröffnet. Das liegt unter anderem daran, dass Weiland ständig die Fans ewig lang warten lässt, und das können die Guns N’ Roses-Jungs nach dem Dauerdrama mit dem notorisch verspäteten Axl Rose nicht mehr akzeptieren. Slash, der zottelhaarige Gitarrengott, berichtet auch, dass die Bandmitglieder während der UK-Shows so gut wie kein Wort mit ihrem Sänger wechseln. „Wir haben ihm die kalte Schulter gezeigt, dass es nur so eine Art hatte.“

Kein einfacher Zeitgenosse: Scott Weiland. Credit: CRL.

Nach dem Debakel von Glasgow, das in einer halbherzigen Performance gipfelte, tragen die Musiker zudem ihren Zank in die Öffentlichkeit: Drummer Matt Sorum veröffentlicht ein Statement, das ohne Namen zu nennen deutlich mit dem Finger auf Weiland zeigt. Der wird in seiner Antwort ein gutes Stück bissiger und ziemlich persönlich. Dass das alles nicht weitergehen kann, liegt auf der Hand. Am 1. April 2008 schließlich verkünden Velvet Revolver offiziell, dass Scott Weiland nicht mehr zur Band gehört.

Wie sich rausstellt, endet damit auch die Geschichte dieser Supergroup, sieht man von einer einmaligen Live-Reunion am 12. Januar 2012 bei einem Benefizkonzert ab. Denn leider können die Herren jahrelang keinen geeigneten Nachfolger finden, obwohl Könner wie Myles Kennedy von Slashs Soloband und Alter Bridge, Sebastian Bach (ehemals Skid Row), Lenny Kravitz und Chester Bennington (Linkin Park) als Kandidaten gehandelt werden. Slash und McKagan kehren schließlich zu Guns N’ Roses zurück, während Weiland bis 2013 bei den Stone Temple Pilots singt und anschließend mit seiner eigenen Band The Wildabouts unterwegs ist. Am 3. Dezember 2015 wird er tot in deren Tourbus gefunden. Rest in peace.

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Zeitsprung: Am 15.5.1995 klicken bei Scott Weiland zum ersten Mal die Handschellen.

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Popkultur

„The Record“: Was kann das Debüt der Supergroup Boygenius?

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Foto: Noam Galai/Getty Images

Supergroups kennt man ja eher von Männern. Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus, die drei prominenten Damen hinter Boygenius, ändern das. Ihr Debüt The Record klingt zumeist sanft, verträumt, melancholisch, bricht aber manchmal wie entfesselt los. Indie-Album des Jahres? Gut möglich.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr euch The Record anhören:

Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus sind jede für sich Ikonen, einflussreiche Künstlerinnen, die es mit unter 30 zu prominenten Figuren gebracht haben. Bei Boygenius bündeln die drei ihr kreatives Genie in einem Trio, das es in der Indie-Welt so noch nicht gegeben hat – und das ist angenehmerweise mal keine hohle PR-Übertreibung. Jede von ihnen kann als Stimme ihrer Generation gewertet werden, jede von ihnen gehört zu einer neuen Ära von selbstbestimmten Künstlerinnen, die auf ihre Weise den Boys-Club der Rockmusik unterwandern, aushöhlen, obsolet machen wollen.

Wie einst Nirvana

Das tun Boygenius auf ihrem Debüt The Record nicht etwa laut, schrill, wütend. Sondern mit Sanftmut, melancholischer Ruhe und bockstarken Songs. Ist doch eh cleverer und nachhaltiger, das geballte Talent sprechen zu lassen, das die drei Künstlerinnen auch im Verbund auf wundersame Weise zu kanalisieren wissen. Und dann sind da eben noch die subtilen kleinen Spitzen, die Hinweise: Auf dem Cover ihrer ersten EP, die bereits 2018 erschien und ein langes Schweigen einläutete, sitzen sie genau so da wie Crosby, Stills & Nash auf ihrem Debüt. Und auf dem Rolling-Stones-Cover Anfang des Jahres stellen sie die Pose des Nirvana-Covershoots von 1994 nach. Kurt Cobain hätte das gefallen.

Warum wir eine reine Girl-Supergroup gebracht haben, wird schnell klar: Wo männliche Supergroups dann eben doch irgendwann an den exorbitanten Alpha-Male-Egos zerschellen wie Hagelkörner auf Asphalt, gehen Bridgers, Baker und Dacus die Sache beeindruckend egalitär und basisdemokratisch an. Niemand drängt sich in den Vordergrund, weil alle gleichberechtigt sind. Keine Frontfrau, keine Divaallüren. „Wir ziehen uns gegenseitig hoch“, so sagte Bridgers damals dem Rolling Stone. „Wir sind alle Leadsängerinnen und feiern uns gegenseitig dafür.“ Männer bekommen das eben irgendwie deutlich schlechter hin, ist einfach so.

Die Avengers der Indie-Welt

Das alles wäre natürlich nicht viel wert, wenn The Record nicht alle hohen Erwartungen spielend überflügeln würde. Es ist ein Album, um es kurz zu machen, das einem den Glauben an die Zukunft der Gitarrenmusik zurückbringt. Es ist mal laut, mal ahnungsvoll, mal zart, mal ruppig. Vor allem aber ist es ein homogenes, reifes Werk, das in seiner Lässigkeit die Jahrzehnte transzendiert. Offenkundig sind die Einflüsse der „Avegners der Indie-Welt“, wie eine enge Freundin der Band das mal auf den Punkt brachte: Classic Rock, die Laurel-Canyon-Szene, Grunge, der Folk von Crosby, Stills & Nash, von denen sie gleich auch die verschiedenen Gesangsharmonien haben.

Eins der ganz großen Highlights ist $20, ein furioser Rocker mit schroffer Lo-Fi-Gitarre, der sich plötzlich öffnet und von allen drei Stimmen ins Ziel getragen wird. Die Mehrheit des Materials ist ruhig, verträumt, am ehesten trifft es wohl lakonisch. Emily I’m Sorry etwa oder das kurze Leonard Cohen, inspiriert von einer unfreiwilligen Geisterfahrt der Drei auf einer kalifornischen Interstate. Die Ausbrüche wie Anti-Curse, in denen Baker von einer Nahtoderffahrung im Pazifik singt, läuten deswegen umso lauter, dringlicher. Dynamik ist König, das wissen die drei. Oder besser Königin.

Musste Rick Rubin draußen bleiben?

Sie wissen eh sehr viel. Wie schwer sie es haben würden, zum Beispiel. So kamen sie überhaupt erst auf ihren Namen Boygenius: Nach zahlreichen schlechten Erfahrungen mit vor Selbstbewusstsein nur so strotzenden männlichen Kollaborateuren, die von der ganzen Welt gefeiert werden, nannten sie sich selbst so, um sich Mut zuzusprechen. Ob das auch für Rick Rubin gilt? Aufgenommen haben sie zumindest in dessen Shangri-La Studio in Malibu. Aber er hat keinen Recording Credit und durfte vielleicht nur kiffend im Garten sitzen. Vorstellbar.

The Record ist ein geniales Debüt. Es ist aber mehr, ein Instant-Klassiker, ein Album, das sich einreiht in die großen Singer/Songwriter-Momente der letzten 50 Jahre. Es ist radikal ehrlich, direkt, ungefiltert, unaufgesetzt und das Testament großen Willens. Alle Songs hätten auch auf den jeweiligen nächsten Alben der drei Solitärinnen auftauchen können. Aber dann würde ihnen etwas fehlen. The Record ist ein Album voller Risse, durch die das Licht hineingelangt, um bei Leonard Cohen zu bleiben. Ein heilsames Stück Musik, durchwirkt von Insider-Jokes, kleinen Hieben geben das Patriarchat und jeder Menge Beweise für diese besondere Freundschaft. Das wird Grammys hageln.

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boygenius: Wer steckt hinter der Indie-Supergroup?

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Zeitsprung: Am 31.3.1958 veröffentlicht Chuck Berry „Johnny B. Goode“.

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Chuck Berry Johnny B Goode Cover

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 31.3.1958.

von Christof Leim

Das sind die Grundlagen des Rock’n’Roll, liebe Brüder und Schwestern. Hier kommt viel der großartigen Krachmusik her, die wir im Zeitsprung feiern: Am 31. März 1958 veröffentlicht Chuck Berry den Klassiker Johnny B. Goode. Keine drei Minuten lang ist das Ding, Bluesschema in A, dazu ein flotter Backbeat und eine heiße Leadgitarre, und ab geht die Revolution. Bei Songs wie diesem haben sie alle zugehört, die Beatles, die Stones und AC/DC.

Geschrieben hatte Chuck Berry die Nummer bereits 1955 über einen „country boy“, einen Jungen vom Lande, der nicht richtig lesen und schreiben kann, aber so mühelos Gitarre spielt, als müsse er nur eine Glocke läuten. Und eines Tages wird sein Name auf allen Plakaten stehen… Wie sich später herausstellt, singt Berry hier über sich selbst. Darauf weist alleine schon der Titel hin, denn der Musiker wurde in der Goode Avenue in St. Louis geboren. Nur anfangs diente sein Pianist Johnnie Johnson als Namenspate für den Song. Der spielt jedoch nicht mal mit; bei den Aufnahmen am 6. Januar 1958 in den Chess Studios in Chicago haut Lafayette Leake in die Tasten. Den Bass bedient der nicht ganz unbekannte Blueser Willie Dixon. Das markante Eingangslick leiht sich Chuck Berry vermutlich bei Ain’t That Just Like A Woman, einer Nummer von Louis Jordan aus dem Jahr 1946, und zwar Note für Note, wie man hier hören kann. Die Originalversion der Single samt Text findet ihr hier.

Urvater des Rock’n’Roll: Chuck Berry

Aus dem Stand ein Hit

Johnny B. Goode wird zum Hit beim Publikum, und zwar unabhängig von der Hautfarbe, was Ende der Fünfziger keinesfalls als selbstverständlich gesehen werden kann. Der Track erreicht Platz zwei in den Billboard Hot R&B Sides Charts und Platz acht in den Hot 100 Charts. Wo der Unterschied zwischen diesen Hitparaden liegt, wissen wir nicht, aber fest steht: Mit der Nummer ging was. Um das zu erreichen, muss Berry eine kleine Änderung im Text vornehmen: Ursprünglich singt er von einem „little coloured boy“, ändert das aber in „little country boy“, um auch im Radio gespielt zu werden. Keine einfachen Zeiten für einen Schwarzen als Rockstar.

Die Goldene Schallplatte an Bord der Raumsonde Voyager. Johnny fliegt mit.

Heute gilt Johnny B. Goode als der wichtigste Chuck-Berry-Song. Er wird mit Preisen geehrt und in Bestenlisten aufgenommen, nicht zuletzt wird er 1977 mit der Voyager in den Weltraum geschossen. An Bord dieser Raumsonde befindet sich nämlich eine goldene Schallplatte mit Audioaufnahmen von der Erde, etwa der Stimme eines Kindes, Klassik von Johann Sebastian Bach – und eben Rock’n’Roll von Chuck Berry.

Da kommt noch mehr

Vier weitere Stück schreibt der Sänger und Gitarrist im Laufe der Jahre über den Charakter Johnny B. Goode: Bye Bye Johnny, Go Go Go, Johnny B. Blues und Lady B. Goode. Außerdem nennt er ein Album und dessen 19-minütiges instrumentales Titelstück danach: Concerto In B. Goode. Einen weiteren Popularitätsschub erhält das Lied 1985 durch Film Zurück in die Zukunft mit Michael J. Fox.

Die Liste der Coverversionen ist endlos und streift alle möglichen Genres, sie reicht von Jimi Hendrix, AC/DC und Judas Priest über NOFX und LL Cool J bis zu Motörhead und Peter Tosh. Und vermutlich fetzt noch heute irgendwo eine halbstarke Nachwuchskapelle bei ihrer dritten Probe durch das Bluesschema in A.

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Zeitsprung: Am 7.9.1955 macht Chuck Berry den „Duck Walk“. Später freut sich Angus.

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