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Popkultur

Die größten Casting-Bands der Rockgeschichte

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The Monkees
Foto: Michael Ochs Archives/Getty Images

Eigentlich versteht man unter dem Begriff „gecastete Bands“ ja eher Folgendes: Der mittlerweile verstorbene, vorher lange Zeit inhaftierte Manager Lou Pearlman sucht sich fünf US-amerikanische Jungs für eine Boyband zusammen (darunter ein Bad Boy, ein Schwiegermutterschwarm, ein ganz Junger, ein Schüchterner und einer, den man immer gleich vergisst). Oder: Im deutschen Fernsehen wird unter größten personellen Mühen eine Gruppe Musiker*innen zusammengewürfelt und sie veröffentlichen zwei Alben — das erste einigermaßen erfolgreich, das zweite dann der Sargnagel.

von Markus Brandstetter

Dabei ist das Konzept Casting nicht neu und längst nicht auf irgendwelche, Retorten- beziehungsweise Reagenzglas-Bands zu reduzieren. Auch im geschichtsträchtigen Rock, sogar im Punk, gibt es Bands, die gecastet wurden.

1. The Monkees

The Monkees sind das wohl bekannteste Beispiel für eine gecastete Band. 1965 suchten Produzenten mit Anzeigen in US-Magazinen wie Variety junge Männer im Alter zwischen 17 und 21 Jahren. Man wollte eine TV-Show machen, in der komödiantisch das Leben und die Träume einer Beatgruppe gezeigt werden. Vier, die dem Aufruf folgten: Micky Dolenz, Peter Tork, Davy Jones und der kürzlich verstorbene Michael Nesmith. Die Band bekam zunächst mal einen mehrmonatigen Studio-Crashkurs, um das Handwerk zu erlernen – zwei von ihnen spielten gar keine Instrumente. Dass die Band daraufhin einen Plattenvertrag bekam, ist weniger ihren musikalischen Qualitäten geschuldet, sondern einfach, weil das nunmal Teil der Serie war. Insgesamt hatte diese Serie 58 Folgen. Schon mit den ersten Singles schrieb die Band Musikgeschichte — 1966 erschien Last Train To Clarksville, danach I’m A Believer — beide Stücke gingen auf Nummer eins der US-Charts. Die Monkees wurden zur richtigen Marketingmaschine, mit Merchandise-Artikeln verdiente man ein Vermögen.

Dass die Band aber nicht nur eine ulkige TV-Truppe war, der die besten Songschreiber Hits auf den Leib schneiderten, bewiesen sie live, unter anderem mit Jimi Hendrix im Vorprogramm. Mehr und mehr entstand die Diskrepanz zwischen der Rolle als Protagonisten einer gut gelaunten, albernen TV-Show und einer Gruppe von Musikern, die durchaus was zu sagen hatte, das aber oft nicht sagen durfte. Dem versuchte man entgegenzuwirken: 1967 erschien der schräge Film HEAD mit Jack Nicholson, der auch Vietnam kritisierte. Er floppte. 1969 löste sich die Band dann auf, später kam es zu mehreren Reunions.

2. Peter, Paul & Mary

Sie waren DAS Folk-Trio der 1960er-Jahre, spricht man über Folk, kommt man um ihre Namen nicht umhin. Dass Peter Yarrow, Noel „Paul“ Stookey und Mary Travers als Peter, Paul & Mary zusammenkamen, ist einem Mann zu verdanken: Albert Grossman, Musik-Zampano und jener Manager, der unter anderem Bob Dylan unter seine Fittiche nahm und groß machte. Legendär schon alleine Grossmans Erklärung zur Zusammensetzung der Band: Er wollte eine große Blonde, einen komischen Typen und einen gutaussehenden Kerl dabei haben. Die große Blonde, klar, das war Mary Travers. Stookey war der Komische, mit dem Titel des Gutaussehenden durfte sich Yarrow schmücken.

Die Live-Premiere gab die Gruppe — wie konnte es im Folk-New-York der frühen 1960er-Jahre anders sein – im legendären New Yorker Café The Bitter End. 1962, ein Jahr nach dem ersten Konzert, kam das selbstbetitelte Debütalbum, das zum vollen Erfolg wurde. Was dann folgte, ist Musikgeschichte: Die Band spielte auf dem Marsch auf Washington, sie wurden Teil der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und sind auch heute noch bekannt. Solo hat es leider bei keinem der drei Bandmitglieder so wirklich geklappt — nach einer Auszeit kam es Ende der Siebziger zur Wiedervereinigung, man machte gemeinsam bis 2004 Musik. Im selben Jahr starb Mary Travers.

3. Sex Pistols

Gut, hier ist das Wort „Casting-Band“ vielleicht kontrovers — aber zumindest, wenn es nach der Sichtweise eines Mannes geht, könnte man die Sex Pistols durchaus auch als gecastet bezeichen. Die Rede ist von Malcolm McLaren — dem britischen Künstler und Modemacher, der für sich beansprucht, die legendäre Punkband erfunden zu haben. „Ich hatte die Sex Pistols geplant, seit ich zehn Jahre alt und Elvis zum Militär gegangen war“, soll McLaren einmal gesagt haben — und das Biotop, in dem das alles entstand, war sein gemeinsamer Laden mit Vivienne Westwood, „Sex“.

Nehmen wir die Geschichtsschreibung nach McLaren für bare Münze, hat er John Lydon gecastet und zu Johnny Rotten gemacht — und auch, dass später die tragische Figur Sid Vicious zur Band dazu kam, ist seine Leistung. John Lydon sieht die Sache mit der Geschichtsschreibung etwas anders, das hat er in seiner Biografie No Irish, No Blacks, No Dogs hinreichend dargelegt … und sich das Recht auf seinen Künstlernamen gesichert (den McLaren auch für sich beanspruchte). Wie auch immer die Sex-Pistols-Geschichte tatsächlich geht: Es bleibt The Great Rock’n’Roll Swindle — und eine der prägendsten Geschichten für die Rockmusik.

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