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Popkultur

Zeitsprung: Am 2.2.1979 stirbt Sid Vicious von den Sex Pistols.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 2.2.1979.

von Timon Menge und Christof Leim

Obwohl Sid Vicious gar nicht Bass spielen kann, prägt er das Image der Sex Pistols und des Punk generell. In der Öffentlichkeit schockiert er, wo er nur kann, seine Verfehlungen handeln ihm Ärger mit dem Gesetz ein, und Heroin bereitet ihm große Probleme. Am 2. Februar 1979 stirbt er mit 21 Jahren an einer Überdosis.


Hört hier in das einzige Sex Pistols-Album rein:

Klickt auf „Listen“ für das volle Programm.

Los geht es am 10. Mai 1957 in London, wo Sid Vicious unter seinem bürgerlichen Namen Simon John Ritchie zur Welt kommt. Seine Mutter Anne hat die Schule früh verlassen und sich in den Dienst der Royal Air Force gestellt. Dort lernt sie auch Simons Vater kennen. Der wiederum arbeitet als Wache am Buckingham Palace und bewegt sich als Posaunist durch die Londoner Jazz-Szene. Doch die Beziehung verläuft sich. 1965 heiratet Anne ihren neuen Partner Christopher Beverley, der nur sechs Monate später einer Krebserkrankung erliegt. Seinen Nachnamen behält sie. Nach einigen weiteren Umzügen landen Mutter und ihr 14-jähriger Sohn 1971 wieder in London.

Aufregend und neu: die Sex Pistols zu Beginn der Punk-Ära.

Nach zwei Jahren in der Hauptstadt lernt Simon John Ritchie seinen zukünftigen Kollegen John Lydon kennen, besser bekannt unter dem Pseudonym Johnny Rotten. Die beiden ziehen durch die Londoner Musikwelt, wo sie zum Beispiel Pretenders-Gründerin Chrissie Hynde kennenlernen. Als Ritchie von Rottens Hamster in die Hand gebissen wird, ruft er: „Sid is really vicious!“ Der Vorfall verschafft ihm den legendären Spitznamen, den er bis zu seinem Tod trägt. Um an Geld zu kommen, betätigen sich die jungen Punks als Straßenmusiker und covern zum Beispiel Songs von Alice Cooper. Der Legende nach geben die Passanten den beiden vor allem deshalb Geld, damit sie aufhören zu spielen.

Englands Duo Infernale der Siebziger: Sid Vicious links, Johnny Rotten rechts. Im Hintergrund Gitarrist Steve Jones.

Die musikalische Betätigung verschafft Vicious erste Mitgliedschaften in unterschiedlichen Bands. So tritt er ab 1976 als Mitglied von The Flowers Of Romance in Erscheinung, wo er mit The Clash-Gründungsmitglied Keith Levene spielt. Bei Siouxsie & The Banshees betätigt er sich als Schlagzeuger. Sein erster Fehler unterläuft ihm, als er der neue Sänger von The Damned werden soll. Weil er nicht zum Casting auftaucht, entscheidet sich die Gruppe gegen ihn. Später wirft Vicious der Band vor, sie habe ihm absichtlich falsche Informationen gegeben, damit er unpünktlich erscheint. Der Konflikt artet aus: Vicious besucht ein Konzert von The Damned, völlig betrunken und auf Speed. In seiner Wut schmeißt er ein Glas auf die Bühne, dessen umherfliegende Scherben eine anwesende Zuschauerin teilweise erblinden lassen. Am nächsten Tag wird Vicious von der Polizei einkassiert und landet im Gefängnis.



Nach seiner Freilassung steigt Vicious Anfang 1977 bei den Sex Pistols ein. Gründungsmitglied und Bassist Glen Matlock hat gerade seinen Hut genommen, weil ihm die kreative Ausrichtung der Gruppe nicht mehr gefällt. Manager Malcolm McLaren findet damals die richtigen Worte für den Neuzugang: „Wenn Johnny Rotten die Stimme des Punk sein soll, ist Sid Vicious die Attitüde.“ Das erste gemeinsame Konzert findet am 3. April 1977 statt. Durch Zufall existiert sogar ein Videomitschnitt der Show, der im Film The Punk Rock Movie zu sehen ist. Was viele nicht wissen: Als Matlock die Band verlässt, stehen bereits zahlreiche Demos für das erste Sex Pistols-Album Never Mind The Bollocks, Here’s The Sex Pistols (1977). Die Aufnahmen sind heute unter dem Titel Spunk erhältlich.

Vicious’ genaue Rolle in der Gruppe bleibt zunächst unklar. Als Bassist taugt er eigentlich gar nicht, sogar Motörhead-Krachgott Lemmy Kilmister versucht, Sid Vicious den Viersaiter näher zu bringen – vergeblich. Also spielt Gitarrist Steve Jones die Bassspuren für das Debüt ein. Lediglich für Bodies darf der Neuling ran, später spielt Jones allerdings auch für diesen Song Overdubs ein. Als dem glücklosen Neuzugang auch noch eine Hepatitisinfektion dazwischenpfuscht, nimmt er endgültig kaum noch an den Aufnahmen teil. Im Krankenhaus erhält er vor allem Besuch von Nancy Spungen, einem amerikanischen, heroinsüchtigen Groupie, das er gerade kennengelernt hat.



Nach einigen Konzerten in England fahren die Sex Pistols im Januar 1978 auf ihre erste US-Tour, die allerdings nur acht Shows umfasst. Das liegt einerseits daran, dass die Musiker untereinander streiten und keinen gemeinsamen roten Faden mehr verfolgen. Andererseits nimmt Vicious’ Heroinkonsum Überhand. Ihre letzte Show spielen die Sex Pistols am 14. Januar 1978 in San Francisco. Nach dem Ende schlägt Sid Vicious den Weg Richtung Solokarriere ein, Nancy Spungen versucht sich als seine Managerin. Während jener Zeit kollaboriert er mit Mick Jones von The Clash, seinem Vorgänger Glen Matlock, Rat Scabies von The Damned und Arthur Kane von den New York Dolls. Seine gut besuchten Auftritte finden hauptsächlich in dem Club Max’ Kansas City in New York statt.



Schwere Anschuldigungen sieht sich Vicious im Oktober 1978 gegenüber, als er Nancy Spungen nach einer wilden Nacht tot im Badezimmer vorfindet, verblutet an einer Stichwunde in ihrem Bauch. Das Paar hatte in der vorherigen Nacht einiges an Drogen eingeworfen, Vicious kann sich an nichts erinnern. Er wird festgenommen und kommt kurze Zeit später auf Kaution frei, weil unter anderem Mick Jagger Geld beisteuert, ohne groß Aufhebens darum zu machen. Die ganze Geschichte des Mordprozesses haben wir in einem anderen Zeitsprung aufgeschrieben. Am 9. Dezember verhaftet die Polizei den Briten erneut, diesmal weil er Patti Smiths Bruder Todd bei einem Konzert angegriffen hat. Das Gericht verurteilt ihn, und er landet für genau 55 Tage im New Yorker Gefängnis Rikers Island, wo er gezwungenermaßen einen schmerzhaften Entzug durchläuft. Am 1. Februar 1979 kommt Vicious wieder auf freien Fuß.



Noch am selben Abend feiert er seine Freilassung und beschafft sich Heroin. Den ganzen Abend schmiedet Vicious Pläne, erzählt von zukünftigen Soloalben und davon, dass er seine Karriere wieder auf Vordermann bringen möchte. Gegen Mitternacht stirbt er an einer Überdosis, gefunden wird er am nächsten Morgen von seiner Mutter. Ob Vicious seinen eigenen Tod wollte, ob es sich um einen Unfall handelte oder ob seine ebenfalls drogenabhängige Mutter gar beteiligt war, bleibt bis heute ungeklärt. So behauptet Peter Gravelle, seines Zeichens Fotograf der Sex Pistols, in einem Interview mit dem Mirror: „Nicht nur, dass Anne ihm das Heroin gekauft hat. Sie hat es ihm auch verabreicht.“ Auch Autor und Journalist Alan Parker behauptet, Vicious’ Mutter habe ihm den Mord an ihrem Sohn gestanden. 1996 nimmt sich Anne Beverley das Leben.

Machen folgenreichen Krach: Sid Vicious, Steve Jones, Johnny Rotten und Paul Cook (v.l.)

Trotz seines beschränkten musikalischen Talents gilt er bis heute als prägende Figur des Punk. Seine eigentliche Funktion in der Gruppe verbirgt sich aber woanders: Immer wieder fällt Vicious auf, ob durch seinen Kleidungsstil, sein nihilistisches Verhalten oder die Wunden, die er sich selbst mit Rasierklingen zufügt. Wer ihn hingegen persönlich kennenlernt, wie zum Beispiel Joe Strummer von The Clash, findet ihn sympathisch und berichtet von seiner unprätentiösen Art. Fakt ist: Sid Vicious musste viel zu früh von uns gehen, seine Biografie bleibt bis heute eine der tragischsten in der Geschichte der Rockmusik. Rest in peace, Sid!



Teaserbild: Richard E. Aaron/Redferns

Zeitsprung: Am 2.1.1979 beginnt der Mordprozess gegen Sex-Pistols-Bassist Sid Vicious.

Popkultur

Vor 55 Jahren feierten Simon & Garfunkel mit „Mrs. Robinson“ eine Nummer eins

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Simon & Garfunkel HEADER
Foto: Hulton Archive/Getty Images

Am 1. Juni 1968 landeten Simon and Garfunkel mit Mrs. Robinson auf Platz 1 der US-amerikanischen Billboard Hot 100 Charts — und blieben dort drei Wochen lang. Wir werfen einen Blick auf die Entstehung des Songs.

von Markus Brandstetter

Es ist einer der größten Songs der Popgeschichte — und entstand zu einem guten Teil sozusagen aus Verlegenheit. Geschrieben hatte Paul Simon den Song eigens für den 1967 erschienenen Film The Graduate. Ganz einfach war die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Mike Nichols nicht — dieser hatte nämlich zwei andere Songvorschläge abgelehnt.

Zähe Soundtrack-Zusammenarbeit

Simon hatte ihm zwei Stücke namens Punky’s Dilemma und Overs vorgespielt, so richtig enthusiastisch stimmen Nichols die Songs allerdings nicht. Der Sänger und Songschreiber hatte noch etwas in der Tasche: einen Entwurf eines Stücks namens Mrs. Roosevelt (so der Arbeitstitel des Stücks, der sich ursprünglich auf die Politaktivisten und Ehefrau des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, Eleanor Roosevelt bezog. Dass der Song dann auf Mrs. Robinson umgetauft wurde, macht Sinn — schließlich heißt so der weibliche Hauptcharakter des Films. Die Geschichten, wie es dazu kam, variieren indes ein wenig.

„Paul hatte an dem Song gearbeitet, der jetzt Mrs. Robinson heißt, aber es gab keinen Namen darin und wir füllten ihn einfach mit irgendeinem dreisilbigen Namen. Und wegen des Charakters in dem Film fingen wir einfach an, den Namen Mrs. Robinson zu verwenden, weil er passte […]“, erinnerte sich Art Garfunkel einmal. Eines Tages saßen wir mit Mike zusammen und sprachen über Ideen für einen weiteren Song. Und ich sagte: Wie wäre es mit Mrs. Robinson? Mike schoss auf die Beine. Ihr habt einen Song, der Mrs. Robinson heißt, und ihr habt ihn mir noch nicht einmal gezeigt? Also erklärten wir ihm den Arbeitstitel und sangen ihn ihm vor. Und dann hat Mike ihn für den Film als ‘Mrs. Robinson’ verewigt.“

Paul Simon: „Ich wusste nicht einmal, was ich spielte“

Paul Simon, der am Anfang von der Auftragsarbeit nicht wirklich begeistert war, erinnert sich folgendermaßen: „Mike Nichols rief an und fragte uns. Er sagte, er habe ein Buch und wolle einen Film mit dem Titel The Graduate drehen… Er überzeugte uns, die Musik zu machen. Die Musik sollte größtenteils Originalmusik sein, aber es kam vor, dass wir, um eine Szene zu füllen, ein Musikstück nahmen und es dort einsetzten, nur um zu hören, wie die Musik klingen würde.“ Die Entstehung des Songs sei sehr spontan und intuitiv gewesen, erzählt er: „Mrs. Robinson wurde an Ort und Stelle erfunden”, fährt er fort. “Ursprünglich sollte das eine Verfolgungsszene sein, und sie wollten Gitarrenmusik. Ich spielte… Ich wusste nicht einmal, was ich spielte, ich riffte einfach auf der Gitarre.” Auf dem Soundtrack des Films finden sich zwei Kurzversionen des Stücks. Die volle Version — die sich in einigen Dingen unterscheidet, gab es erst im Jahr darauf zu hören: da veröffentlichten Simon & Garfunkel ihr Album Bookends.

„Das von Harmonien getriebene Lied des schwülen Vorstadtvergnügens“

Textlich ist der Song ganz auf die Filmfigur Mrs. Robinson zugeschnitten, die eine komplexe Beziehung mit einem jungen Mann eingeht. Oder wie es das Magazin American Songwriter beschreibt: „Der berüchtigte Song Mrs. Robinson von Simon & Garfunkel ist die inoffizielle Hymne einer außerehelichen Affäre. Es ist die inoffizielle Hymne der älteren Frau. Es ist das von Harmonien getriebene Lied des schwülen Vorstadtvergnügens.“

Joe DiMaggio: „Ich bin nirgendwo hingegangen!“

Einer soll übrigens über den Text — genauer gesagt die legendäre Zeile „Where have you gone, Joe DiMaggio“ — nicht begeistert gewesen sein: nämlich die Baseball-Legende Joe DiMaggio selbst. Simon berichtet, ihn in einem Restaurant getroffen zu haben. Das Gespräch sei so verlaufen: „Ich war zufällig in einem Restaurant und da war er. Ich nahm meinen Mut zusammen und ging hin, um mich vorzustellen und zu sagen: ‚Hi, ich bin der Typ, der “Mrs. Robinson” geschrieben hat’, und er sagte: ‚Ja, setzen Sie sich… warum sagen Sie das? Ich bin hier, jeder weiß, dass ich hier bin.æ Ich sagte:‚’So habe ich es nicht gemeint – ich meine, wo sind diese großen Helden jetzt?’ Er war geschmeichelt, als er verstand, dass es schmeichelhaft gemeint war.”

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Popkultur

Zeitsprung: Am 1.6.1975 beginnt Ron Wood seine erste Tour als Gitarrist der Rolling Stones.

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Rolling Stones
Foto: Ronnie, Mick und Keith im Sommer 1975 in Texas. Foto: Fin Costello/Redferns/Getty Images

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 1.6.1975.

von Christian Böhm und Christof Leim

Manchmal regelt das Universum die Dinge. So mag es sich zumindest für Ron Wood anfühlen, als er am 1. Juni 1975 die Bühne betritt. Es ist der Beginn der USA-Tour der Rolling Stones zum gerade erschienenen Album It’s Only Rock’n’Roll – und Ron Woods erste Tour als ihr neuer Gitarrist. Sein Einstieg bei der wahrscheinlich größten Rock-Band der Welt stellt sicherlich einen Meilenstein seiner Karriere dar, die bis dato schon beachtlich lief. Und Ron Wood, der davor bei den Birds, der Jeff Beck Band und bei den Faces gespielt hatte, bleibt bis heute Mitglied der Rolling Stones.

Hier könnt ihr euch das damals aktuelle Album It’s Only Rock’n’Roll anhören:

Für einen Kollegen geht mit diesem Anfang natürlich etwas zu Ende – und im Nachhinein sagt Woods Vorgänger bei den Stones, Mick Taylor, dass ihm schon immer irgendwie klar war, dass er in dieser Band nicht ewig spielen würde. Auch für Ron Wood endet gerade etwas, als Mick Jagger anruft und ihm den Job des Tourgitarristen anbietet: Die Faces sind im Begriff, sich aufzulösen, als das Telefon klingelt und für Ron etwas Neues beginnt. Man sagt ja, dass neue Türen sich genau dann öffnen, wenn man die alten schließt.

Touren sind nie langweilig

It’s Only Rock’n’Roll heißt die Tour, und der Titel trifft es wohl ziemlich genau: Vor Beginn fährt die Band Brown Sugar spielend auf einem LKW über die New Yorker 5th Avenue. Ein gelungener Promo-Gag! Nicht ganz so gelungen und auch nicht unbedingt lustig verläuft dann eine Fahrt durch Arkansas. Im Örtchen Fordyce droht die Sause vorzeitig zu enden, als die dortige Polizei die Band stoppt und zumindest einen Teil der nicht gerade wenigen Drogen in ihrem Wagen findet. Ihr Anwalt boxt die Rocker aus der Situation heraus, und so zieht der Tross weiter durch den sogenannten „Bible Belt“, den extrem christlichen Teil der USA. Wem nicht klar ist, wie die Gepflogenheiten in diesem Landstrich so aussehen, dem sei gesagt, das in Arkansas einmal versucht wurde, Rock’n’Roll per Gesetz zu verbieten.

Darüber lacht Keith Richards nicht schlecht in seiner in seiner Autobiografie Life, welche übrigens mit der oben beschriebenen Geschichte beginnt.

Ron (oder auch Ronnie, wie manche ihn nennen) Wood kannte seine neuen Mitstreiter schon vorher: Am Titelsong des Albums It’s Only Rock’n’Roll ist der Gitarrist kompositorisch beteiligt. Jagger und Richards wiederum hatten ihm zuvor bei seinem Soloalbum I’ve Got My Own Album To Do (1974) ausgeholfen. Als er die Platte 1974 schreibt, gehört Ron Wood auch zu den Faces und gibt dort mit Rod Steward ein ähnliches Duo ab wie Mick Jagger mit Keith Richards bei den Stones.

Man kennt sich, man versteht sich

Auf selbiger verstehen Keith und Ron sich fast blind. Schmunzelnd sagt Richards im Interview mit Gitarre & Bass: „Wenn ich mitbekomme, dass er sich irgendwohin bewegt, ziehe ich mich zurück und tauche unter ihm ab. Und wenn er hört, dass ich abhebe, macht er dasselbe. Es ist eben genau wie beim Weben, mit den verschiedenen Fäden – und wir sind die dienstälteste Manufaktur auf Erden. Alt und rostig. Aber hey – es funktioniert.“ Die Chemie zwischen den beiden stimmt also. Seine eigenen Songs aber kann Ronnie bei den Stones eher selten unterbringen. Die meisten Songs kommen dann eben doch von… na, von den beiden anderen eben.

„Ich wäre schon froh, wenn sie meine Stücke überhaupt mal ernsthaft anhören würden, sie könnten ja sagen: „Vergiss es, das Zeugs ist Mist.“ Aber sie könnten meinen Stücken wenigstens eine Chance geben“, sagt Wood dazu. Klingt nicht gerade nach Friede-Freude-Eierkuchen, aber so läuft das Rock’n’Roll-Geschäft ja auch nicht immer. Man sagt, Ron sei nicht immer nur Gitarrist gewesen, sondern musste auch öfter den Streitschlichter geben, wenn die beiden guten Freunde Keith und Mick sich mal wieder in den Haaren hatten.

Nicht ungefährlich

Apropos Rock’n’Roll: Für Präsident Richard Nixon waren die Stones nicht die größte, sondern „die gefährlichste Rock’n’Roll-Band der Welt“, was er dem Anwalt der Band offiziell mitteilen ließ. Ganz ungefährlich lief auch Ron Woods Leben nicht: Mehrmals unterzieht er sich Entziehungskuren, um seiner Alkoholsucht zu entkommen, und auch bezüglich anderer Substanzen galt er nicht als Kind von Traurigkeit. Bis zu acht Pints Guinness (und das sind immerhin über vier Liter Bier!) an einem Tag sollen keine Seltenheit gewesen sein – und obendrauf kamen mehrere Flaschen harter Schnaps. Nüchtern betrachtet war es Ron Wood vielleicht auch deshalb nicht möglich, die Leadgitarre der Band zu übernehmen, obwohl er das eigentlich tun sollte, denn Keith Richards gab seit jeher den Rhythmusgitarristen. Gern nennt man Keith das „Human Riff“, das menschliche Gitarrenriff, aber nun übernimmt er öfter die Leadgitarre. Auf der Bühne bedröhnt waren sie bisweilen beide.

Nochmal zurück zum Anfang der Geschichte: Mick Taylor, der den Platz für Ron Wood im Juni 1975 räumte, hatte die Qualitäten eines Rhythmusgitarristen. Noch weiter zurück findet man den anderen, vielleicht bekannteren Vorgänger Woods: Brian Jones. Auch dieser war bekannt für seinen ausschweifenden Alkohol- und Drogenkonsum. Während man Jones aber 1969 tot im Pool fand, hat Ron Wood seine Eskapaden überlebt.

Ein langer Weg

Vom langen Weg an die Spitze des Rock’n’Roll sang bekanntlich schon eine andere Rock-Größe vom unteren Ende der Welt. Vom Tour-Gitarristen avanciert Ronnie Wood zum festen Bandmitglied. Dann vergehen fast 20 Jahre als angestellter Musiker, bevor er 1993 auch Beteiligter am Unternehmen Rolling Stones wird. Später wird er sagen, dass ihm schon vor dem 1. Juni 1975 irgendwie klar war, dass er letztendlich bei den Stones landen würde. Er musste nur warten, bis das Universum das für ihn regelt.

Zeitsprung: Am 19.7.1989 rebelliert eine Kleinstadt gegen die Rolling Stones.

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Popkultur

„Speaking In Tongues“ wird 40: Die Talking Heads verbrüdern Art-Rock und Schwarzen Soul

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Foto: Paul Natkin/Getty Images

Die Talking Heads sind Ikonen der kunstvollen Popmusik. Ihr größter Erfolg landet vor genau 40 Jahren: Mit Speaking In Tongues gelingt David Byrne und Band der Durchbruch – auch dank Burning Down The House, das man in Europa aber eher wegen Tom Jones kennt.

von Björn Springorum

Die New Yorker Kunstszene der Siebziger ist ein Schmelztiegel radikaler Ideen und freakiger Gestalten. Nur hier kann Andy Warhols Factory entstehen, nur hier fließen Kunst, Pop und Punk so mühelos zusammen. Auch die Talking Heads gehen aus der Kunst-Bubble der Stadt hervor. David Byrne und Chris Frantz besuchen die Rhode Island School Of Design, gehen mit so ziemlich den gegensätzlichsten Ideen in die Bandgründung wie beispielsweise die Ramones. Kunstvoll soll es sein, avantgardistisch, vielschichtig, intelligent. Mit Kommilitonin Tina Weymouth ziehen sie nach New York City, teilen sich ein Loft. Bis dahin also eine ganz normale Studentengeschichte.

Basslernen mit Suzi Quatro

Fast: Weymouth bringt sich nämlich das Bassspielen mit alten Suzi-Quatro-Platten bei, geboren sind auch schon die Talking Heads. Und Apropos die Ramones: Ihren ersten Gig spielen sie ausgerechnet im Vorprogramm der Punk-Rocker aus Queens – am 5. Juni 1975. Danach geht es recht schnell: 1977 landen sie mit Psycho Killer einen riesigen Hit, Ende der Siebziger stecken sie vermehrt mit Frickelguru Brian Eno unter einer Decke. Ihr Ruf als Art-Rock-Band trägt sich in die Welt hinaus, scheinbar mühelos vermengen die Talking Heads Pop, Funk, Rock, Wave oder Afrobeat. Doch die Flamme brennt hell: Vier Alben in vier Jahren zollen ihren Tribut, die Band muss kürzer treten, macht erst mal Pause.

Die Band verfolgt eigene Projekte, trennt sich von Eno (der sich bekanntlich U2 zuwendet) und findet im Sommer 1982 wieder zusammen. Die Akkus sind voll, der Ideenkoffer prall gefüllt. Zwischen Juli 1982 und Februar 1983 entsteht in New York City, Philadelphia und den legendären Compass Point Studios auf den Bahamas Speaking In Tongues – das Album, das ihr kommerzieller Durchbruch werden soll. Denn aller Anerkennung und Reputation zum Trotz: So richtig Kohle gescheffelt wurde mit der anspruchsvollen Musik bisher noch nicht.

Ohne Brian Eno wird es kommerzieller

Nun kann man so etwas natürlich nie planen, doch ohne die Kopflastigkeit ihres Kollaborateurs Eno gelingt ihnen ein leichteres, zugänglicheres Album, das ihre kunstvolle Wave-Sensibilität mit Schwarzem Funk verbrüdert. Slippery People oder Swamp zeigen klare Gospel-Schlagseite, zudem ist da natürlich diese Vielfalt an Effekten, Synthie-Spielereien, seltsamen Arrangements und Sounds. Aber eben nie so viel um einen einfachen Hörgenuss zu schmälern. Ohne es genau zu wissen machen die Talking Heads ihren komplexen Sound offener, eingängiger. Kommerzieller. Die Talking Heads sind 1983 das Mittelstück zwischen Television und Michael Jackson.

Auch der Tiger brennt das Haus nieder

Liegt natürlich auch an Burning Down The House, den sie gleich als Opener auf Speaking In Tongues packen. Ihr einziger Top-Ten-Hit in den USA ist ein unwiderstehlicher Groover, der außerhalb von Nordamerika aber auf legendär wenig Interesse stößt. Da ist das Cover von Tom Jones und den Cardigans aus dem Jahr 1999 deutlich erfolgreicher: Halb Europa heißt die Interpretation in den Top Ten Willkommen.

Für die Band bedeutet der Erfolg finanzielle Sicherheit, eine sehr erfolgreiche Tournee und jede Menge Airplay auf dem neuen Medium MTV. Bis 1988 sollen noch drei weitere Alben folgen, danach löst sich die Band auf. Oder quasi: Bassistin Weymouth erfährt aus der Los Angeles Times vom Ende der Talking Heads. Was bleibt, ist ein riesiger Einfluss auf Bands und Künstler*innen wie Eddie Vedder, Radiohead, St. Vincent, The Weeknd oder Trent Reznor. Und natürlich jede Menge Musik, die zeigt, wie originell Pop eigentlich sein kann. Wenn er von den richtigen Leuten gemacht wird.

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Zum 70. von David Byrne: Die 7 wichtigsten Songs des Talking-Heads-Meinungsmachers

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