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Popkultur

Die musikalische DNA von Eminem

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Hi, my name is… Marshall Mathers, Slim Shady, Eminem! Gleich drei Herzen schlagen in der Brust des Detroiters, und das auf Hochtouren. Die Wut und die Wucht des ehemaligen Trailer-Park-Kids haben ihre Kräfte in einem unbändigen Willen formiert, der ihn an die Spitze der internationalen Rap-Szene katapultiert hat. Einfach war das nicht immer und einfach war auch Eminem nie. Seine Eskapaden, Problemchen und Beefs mit so ziemlich allen Persönlichkeiten der Rap- und Pop-Szene (und, nicht zu vergessen, seiner Familie) sind weitläufig bekannt. Seinem Ruhm aber hat es nie geschadet.


Hört euch hier die musikalische DNA von Eminem in einer Playlist an und lest weiter:


Eminem ist einer der erfolgreichsten, wenn nicht sogar der erfolgreichste Rapper der Musikgeschichte. Wusstet ihr, dass sich seit Anfang 2017 mit „Stan“ ein Verweis auf den gleichnamigen Eminem-Song im Oxford English Dictionary findet? Dort wird das Wort entweder als Verb oder als Substantiv gelistet und bedeutet so viel: obsessiver Fan von jemandem (sein).

Dabei hat der selbsternannte Rap God von heute früher selbst ziemlich hart gestant. „Eminem hat sich alles angehört und das ist es, was ihn zu einem der Größten macht“, lobte ihn selbst der Kollege Guerilla Black in Paul Edwards’ MC-Bibel How To Rap. Dass Eminem der G.O.A.T. – der greatest of all time – ist, davon sind viele überzeugt. Dass aber auch er klein angefangen und seine Idole genauestens studiert hat, wissen wir mit Sicherheit. Werfen wir also einen Blick auf die musikalische DNA von Marshall Mathers, Slim Shady und Eminem, um zu erfahren, was ihn zu einem Kandidaten des G.O.A.T.-Titel machen könnte.


1. LL Cool J – I’m Bad

Wo wir schon beim Begriff G.O.A.T. sind: Das ist auch der Spitzname von LL Cool J, der 2000 ein Album desselben Namens veröffentlichte. Tatsächlich gehört LL Cool J, obwohl er und seine Karriere nicht sonderlich gut gealtert sind, zu den einflussreichsten Rappern überhaupt. Im Leben des jungen Marshall Mathers sollte er ebenfalls eine Schlüsselrolle spielen – und das nicht nur seiner Rap-Technik wegen. Der Legende nach war Marshall 15 Jahre alt, als er in der Schule auf den Tisch sprang, sich seines T-Shirts entledigte und oben ohne LL Cool Js Song I’m Bad zu rappen begann. Eine 13-jährige Mitschülerin konnte er damit immerhin beeindrucken: Kimberly Anne Scott, Eminem-Fans als Kim bekannt. Über die gemeinsame Geschichte der Beiden wissen wir der Presse und Eminems eigener Musik sei Dank genug. Was LL Cool J allerdings angeht, so zählt ihn Eminem immer noch zu einem seiner Rap-Idole, teilt aber auch gerne mal aus: „I’ll battle you over stupid shit and diss people who ain’t have shit to do with it like Cool J does (my tattoo!)“, reimt Eminem auf Get You Mad und macht sich damit über einen Beef des Rappers mit dem damaligen Youngster Canibus auf der Single 4, 3, 2, 1 lustig. Respekt schützt eben selbst bei Eminem nicht vor rhetorischen Seitenhieben.


2. Ice-T – 99 Problems

Ein weitaus besseres Verhältnis hat Eminem zu Ice-T, der mitverantwortlich für Eminems Rap-Begeisterung war. Angeblich soll sein Track Reckless das erste Rap-Stück gewesen sein, das er jemals gehört hat. Nicht ganz unwahrscheinlich, schließlich war das Stück auf dem Soundtrack des Films Breakin’ zu hören. Gesehen haben soll den der junge Marshall gemeinsam mit seinem Onkel Ronnie Polinghorn, dessen Geschmack für die musikalische Bildung des Neffen ausschlaggebend war. Zehn Tage aber nachdem die beiden Breakin’ gesehen hatten, nahm sich Ronnie das Leben. Immer wieder sollte Eminem der Vaterfigur in seinem Leben Songs widmen, aber auch Ice-T blieb im Laufe für seine Karriere relevant. Noch 2013 zitierte er auf So Much Better den Ice-T-Track 99 Problems, der vielen vermutlich am ehesten per Sample in der Hook von Jay-Zs gleichnamigem Stück bekannt ist. Eine doppelte Anspielung, die von Eminem aber auf den Kopf gestellt wird. Nicht aber, um etwa Ice-T etwas auszuwischen, der selbst in den höchsten Tönen von Eminem spricht.


3. Beastie Boys – Fight For Your Right

„I don’t do black music, I don’t do white music / I make fight music”, spittet Eminem angriffslustig auf The Marshall Mathers LP und machte damit eine klare Ansage an alle, die ihm als Weißen die Street Creds absprachen. Ebenfalls weiß und deshalb umstritten, ebenfalls kampfeslustig waren die Beastie Boys. Fight For Your Right, ihr ironischer Spitzenhit vom Album Licensed To Ill, tauchte als Sample wieder auf The Marshall Mathers LP2 im Track Berzerk auf. Nachdem er mit Ice-T Rap kennengelernt hatte, ermutigten ihn die New Yorker dazu, selbst zu rhymen. „Das war’s, was mich echt gepackt hat“, erinnerte er sich dem Magazin Spin gegenüber an seine erste Berührung mit den Beasties. „Daraufhin habe ich mich entschlossen, selbst mit dem Rappen anzufangen.“ Leicht hatte er es nicht in Detroit, wo er sich zwischen Schwarzen behaupten musste, die ihn seiner Hautfarbe wegen belächelten. Aber allein der Erfolg der Beasties hatte gezeigt: Auch aus einem Weißbrot kann im Rap-Game noch etwas werden. Aus diesem wurde einer der erfolgreichsten Rapper aller Zeiten.


4. N.W.A. – Straight Outta Compton

Ob es aber jemals so weit gekommen wäre, wenn nicht Dr. Dre gegeben hätte? Der soll angeblich nicht gewusst haben, um wen es sich bei dem wütenden Nachwuchs-Rapper mit der Slim Shady EP handelte. Gegenüber dem Magazin Vibe gestand das N.W.A.-Mitglied: „Als ich Em zum ersten Mal hörte, wusste ich nicht, dass er weiß war. Ich wusste nur, dass ich mit ihm arbeiten wollte.“ Ein Ausnahmefall, wie Dre betonte, denn sonst gingen Demos von seinem Schreibtisch geradewegs in den Papierkorb. Nicht aber diese. Der Rest ist Geschichte. N.W.A.-Mitglied Ice Cube wies auch drauf, dass es Eminem so nicht hätte geben können ohne den Kampf der Crew um Compton um freie Meinungsäußerung. „Wir mussten gegen Leute wie Tipper Gore für Redefreiheit einstehen“, sagte er 2016 vor der Veröffentlichung des Films Straight Outta Compton. „Diese Gruppe ist extrem wichtig für alle Arten von Musik. Ohne N.W.A. gäbe es Eminem nicht.” Der selbst prahlte 2013 allerdings noch: „Now I’ve been Hip-Hop in its tip-top form / since N.W.A. was blaring through my car windows“. Die Zeiten ändern sich eben. Was sich leider auch von Dr. Dres und Eminems mehr als fruchtbaren Kollaborationen im Studio sagen lässt…


5. 2Pac – If I Die 2Nite

Wobei es nun nicht so wäre, als würde Eminem unbedingt Hilfe benötigen: Er selbst hat sich ebenso als Produzent für etwa Jay-Z und natürlich seine eigene Musik hervorgetan. 2004 wurde ihm zusätzlich die Ehre zuteil, gemeinsam mit Afeni Shakur das posthume Album Loyal To The Game von deren Sohn Tupac produzieren zu dürfen. In einem bewegenden Brief hatte sich Eminem nach seinem Durchbruch an die Mutter der 1996 verstorbenen Rappers gewandt. „Wenn ich mich am schlimmsten fühlte (vor dem Ruhm, vor Dre), wusste ich, dass ich das Tupac-Tape einschmeißen konnte und dann schienen die Dinge plötzlich nicht mehr so schlimm“, stand darin zu lesen. „Er gab mir den Mut aufzustehen und zu sagen: ‚Fuck the world! This is who I am! And if you don’t like it, go fuck yourself!’“ Als seinen Lieblingssong nannte Eminem If I Die 2Nite vom Album Me Against The World. „Worüber er auch immer gerappt hat, es war dringlich“, schrieb er in einem Essay im Paper-Magazin über das Idol. „Seine Fähigkeit, Menschen zu berühren, war unglaublich.“ Die Intensität von 2Pacs Rap-Technik wurde stilprägend für den jungen Marshall, der ihn neben N.W.A., Public, Big Daddy Kane, Kool G Rap, Rakim und Special Ed während seiner Anfangstage intensiv studierte. „Tupac war der erste, der mir beibrachte, Songs zu schreiben, die sich nach etwas anfühlten.“ Sonst hätten wir wohl nur den Slim Shady aus My Name Is kennengelernt – und nicht etwa den aus Stan und vielen anderen emotional aufwühlenden Stücken.


6. Dido – Thank You

À propos 2Pac, à propos Stan: Seinen Gänsehautgaranten bekam das Stück nicht allein durch das szenisch eingesetzte Bleistiftkritzeln verliehen, sondern auch von der einmaligen Stimme von Dido, die Eminem ebenfalls für Loyal To The Game ins Studio holte. Auf Stan sampelte Produzent The 45 King den Breakbeat und Teile der Lyrics als Hookline für das Stück. Wie aber kamen die Britin und der US-Rapper eigentlich zusammen? Die ehemalige Background-Sängerin von Faithless erinnerte sich in einem MTV-Interview an den denkwürdigen Tag: „Ich hatte einen Brief in der Post“, sagte sie. „Darin stand: ‚Wir mögen dein Album, wir haben diesen Track verwendet. Wir hoffen, das ist okay für dich und es gefällt dir.‘“ Offensichtlich hatte ein Freund das Stück an Eminem weitergeleitet. „Als sie mir dann Stan zuschickten und ich ihn mir auf meinem Hotelzimmer anhörte, dachte ich nur: ‚Wow, das ist großartig!‘“ Ganz so rosig sah es aber nicht immer aus: Zwischenzeitlich wurde auch um Geld gestritten. 2013 aber standen die beiden wieder zusammen auf der Bühne, um ihren großen gemeinsamen Hit zu performen. Und Eminem? Der gab Ende 2013 zu, sie als Anwärterin für den Track Bad Guy auf The Marshall Mathers LP 2 in Erwägung gezogen zu haben, dem überraschenden Nachfolgesong zu Stan. „Aber das hätte wohl alles verraten“, gestand er. Stattdessen ist auf Bad Guy Sarah Jaffe zu hören.


7. Elton John – Your Song

Dass der wüste Rapper mit der verträumten Songwriterin kollaborierte, war eigentlich schon überraschend genug. Sich aber mit Elton John die Bühne teilen? Das schien absolut denkbar und doch geschah es. 2001 spielten die beiden im Rahmen der 43. Grammy Awards genau welchen Song? Richtig, Stan! Der Gay & Lesbian Alliance Against Defamation war das zu viel: Schon lange wurden Eminem seine homophoben Lyrics vorgeworfen. Warum sich wohl ausgerechnet einer der prominentesten schwulen Pop-Stars dazu hinab ließ, mit ihm gemeinsam aufzutreten? Tatsächlich war Eminems Grammy-Auftritt schon vorher unter Beschuss, weshalb er die Performance anleierte. „Ich sagte: ‚Wenn ich auftrete, dann nur mit Elton John.‘ Das war eigentlich ein Spaß, ich dachte nie, dass es passieren würde.“ Dabei hatte John selbst einst angekündigt, dass er gerne mit dem Rapper kollaborieren wollte: „Ich will mit Pharrell Williams, Timbaland, Snoop, Kanye, Eminem arbeiten und sehen, was passiert“, ließ er sich zitieren. Es wurde allerdings noch viel mehr draus. Auch John war zu den Aufnahmen zu Loyal To The Game eingeladen und schrieb mit Eminem gemeinsam das Stück Ghetto Gospel, mit dem die beiden 2Pac einen posthumen Hit verschafften. Vor allem aber wurde er zu einer Art Mentor für Eminem, als dieser sich im Strudel seiner Drogenabhängigkeit zu verlieren drohte. Einmal pro Woche soll der alternde Brite den Rapper angerufen haben, den er als „guten Freund“ bezeichnet. Gegen die Homophobievorwürfe hat er ihn auch verteidigt, obwohl Eminem immer wieder mit schwulenfeindlichen Lyrics auffiel.


8. Slaughterhouse – Move On (feat. Iffy Remix)

Gegen wen aber hat Eminem eigentlich nicht gewettert? Michael Jackson hatte er lange auf dem Korn, Ja Rule hatte Beef mit ihm und selbst Mariah Carey veröffentlichte eine Art Diss-Track gegen den Detroiter. Auch sein Kollege aus Anfangstagen und Bad Meets Evil-Kumpane Royce da 5’9’’ holte gegen den Jungendfreund aus. „Fuck anger management / I need somebody to manage my anger“, rappte er auf einem Freestyle-Track, den er für das Mixtape The Anger Management zur gleichnamigen Tour von D12 und Eminem einreichte. Daraufhin eskalierten die Dinge immer weiter, böse Interviewaussagen und Diss-Tracks wurden hin- und hergeschickt. Zum Höhepunkt des Beefs kam es im Sommer 2003, als Eminem und Royce außerhalb eines Clubs aneinander gerieten. Die nachfolgende Nacht im Kittchen haben die beiden allerdings dazu nutzen können, ihre Differenzen zu beseitigen. Heute sind sie wieder genauso gute Freunde wie damals und Royce veröffentlichte wieder auf Eminems Label Shady, unter anderem mit seiner Crew Slaughterhouse. „You dealt with shady shit? I dealt with shady shit / But I’m the only one can truly say I dealt with Shady’s shit… Marshall I’m sorry, I knew I went left / I ain’t into fucking my family like incest“, rappt Royce auf Move On. Und dass Royce im Juni 2017 eine Nachricht von Eminem auf Instagram postet, die mit den Worten „Wirklich? Du bist ein Arschloch“ anfing, bedeutet ebenso nicht, dass es zwischen ihnen kriselt. Weiter geht sie nämlich so: „Diese verdammten Freestyles, die du raushaust, sind vernichtend. Unglaublich. Ich hasse dich. Stirb.“


9. Hot Stylz – Lookin Boy

Von Ice-T und N.W.A. hin zu Dr. Dre, LL Cool J, den Beastie Boys, Rakim und KRS-One, über Nas zu 2Pac und Biggie, ja selbst von Jay-Z hat Eminem einiges gelernt und seine Einflüsse immer wieder offen dargelegt. Als er sich selbst – durchaus ironisch, wie er betonte – für seine Vorab-Single zu The Marshall Mathers LP 2 zum Rap God kürte, stieß das der Chicagoer Crew Hot Stylz jedoch arg auf. Nein, nicht wegen seiner Vermessenheit etwa. Eminem habe sie nicht nach Erlaubnis für ein 26-sekündiges Sample aus ihrem Viral-Hit Lookin’ Boy gefragt, lautete der Vorwurf! Nachdem sie prompt mit einem Diss-Track konterten, in welchem sie ihrem Ärger laut Luft machten und selbst mit aller Dreistigkeit aus dem Backkatalog des Slim Shadys sampelten, zogen sie vor Gericht. Eminem selbst äußerte sich zu dem Vorfall nicht – dabei hat er doch sonst eine so große Klappe. Im Einstecken ist er eben immer noch nicht so gut, wie selbst Weird Al Yankovic berichtete, als Eminem wegen seiner geschmacklosen Parodie Michael Jacksons in der Kritik stand. Eminem habe ihn gezwungen, die Produktion seines eigenen Lose Yourself-Satirevideos zu stoppen. Da muss wohl jemand nochmal Selbstironie üben, was?


10. Drake – You & The 6

Ob die D12-Posse oder 50 City, Eminem hat immerhin seine Positionen auch stets dafür genutzt, anderen Schützenhilfe zu verschaffen. So wie sich Eminem von zahlreichen Rappern hat inspirieren lassen, so hat er auch seinen Einfluss auf die Größten der nachfolgenden Generation hinterlassen. Nach Eminem war es Drake, der das Rap-Game von Neuem revolutioniert hat. Denn während ein Kanye West noch den eifrigen, aufschäumenden und größenwahnsinnigen Typus verkörperte, den auch Eminem mehr als oft durchspielte, fing mit Drizzy ein neues Kapitel an. Wenn er wie auf You & The 6 über seine Mutter rappt, klingt das schon wesentlich anders als bei Eminem: emotionaler, selbstreflektierter, weniger verbissen.


Schaut euch hier ein Freestyle Rap Battle von Eminem & Drake an:


Dabei konnte Drake auch immer austeilen. Fragt mal Meek Mill! Und obwohl die 6 und die 8th Mile wenig gemeinsam haben, so zitiert Drake Eminem doch immer wieder als „den größten Rapper, der jemals hinterm Mikro zu finden war“. Kurz: den G.O.A.T. Als 2016 das Gerücht kursierte, Eminem würde an einem Diss-Track gegen Drake arbeiten, war die Aufregung dementsprechend groß. Es handelte sich aber um eine Ente und tatsächlich standen die beiden nur wenig später gemeinsam auf der Bühne, um ihren Song Forever zu performen. Wohl besser für Drake, wenn wir uns die Freestyle-Fähigkeiten im Direktvergleich anschauen… Don’t mess with the G.O.A.T.!


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Popkultur

Zeitsprung: Am 1.4.2008 feuern Velvet Revolver ihren Sänger Scott Weiland.

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Header-Bild Credit: Kreepin Deth/Wiki Commons

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 1.4.2008.

von Christof Leim

Das sah schon nach „Supergroup“ aus, was sich da 2002 zusammenbraute: Drei Musiker von Guns N’ Roses und der Sänger von den Stone Temple Pilots gründen Velvet Revolver. Doch sechs Jahre später ist der Ofen aus und Scott Weiland raus. Vorher gab es noch eine lahme Platte, Streit im Internet und die ganz kalte Schulter.

Hört euch hier das Velvet-Revolver-Debüt Contraband an:

Natürlich hat die ganze Welt mit Spannung zugehört, als Slash, Duff McKagan und Matt Sorum zusammen mit dem Gitarristen Dave Kushner und dem Frontmann der Stone Temple Pilots, Scott Weiland, eine Band gründen. Beim Debüt Contraband von 2004 kommen nicht ganz unerwartet zwei musikalisch benachbarte Welten zusammen: Classic Rock und alternative-lastiger Grunge-Sound. Die Scheibe wird zum Erfolg, doch der Nachfolger Libertad bleibt 2007 weit hinter den Erwartungen zurück.

Ein Bild aus besseren Zeiten: Velvet Revolver live 2007. Foto: Kreepin Deth/Wiki Commons.

Den weltweiten Touren der Band tut das keinen Abbruch, diverse Aufenthalte in Entzugskliniken, Visa-Probleme und kurzzeitige Verhaftungen durchkreuzen einige Pläne allerdings schon. Als Velvet Revolver im Januar 2008 ihre Rock’n’Roll As It Should Be-Tour durch Europa starten, hängt der Haussegen bereits schief. Am 20. März 2008 verkündet Weiland sogar auf offener Bühne in Glasgow: „Ihr seht hier etwas Besonderes: Die letzte Tour von Velvet Revolver.“

Längt beschlossene Sache

Was er nicht weiß: Seine Kollegen haben da längst beschlossen, ohne ihn weiterzumachen, wie Slash später in einem Interview eröffnet. Das liegt unter anderem daran, dass Weiland ständig die Fans ewig lang warten lässt, und das können die Guns N’ Roses-Jungs nach dem Dauerdrama mit dem notorisch verspäteten Axl Rose nicht mehr akzeptieren. Slash, der zottelhaarige Gitarrengott, berichtet auch, dass die Bandmitglieder während der UK-Shows so gut wie kein Wort mit ihrem Sänger wechseln. „Wir haben ihm die kalte Schulter gezeigt, dass es nur so eine Art hatte.“

Kein einfacher Zeitgenosse: Scott Weiland. Credit: CRL.

Nach dem Debakel von Glasgow, das in einer halbherzigen Performance gipfelte, tragen die Musiker zudem ihren Zank in die Öffentlichkeit: Drummer Matt Sorum veröffentlicht ein Statement, das ohne Namen zu nennen deutlich mit dem Finger auf Weiland zeigt. Der wird in seiner Antwort ein gutes Stück bissiger und ziemlich persönlich. Dass das alles nicht weitergehen kann, liegt auf der Hand. Am 1. April 2008 schließlich verkünden Velvet Revolver offiziell, dass Scott Weiland nicht mehr zur Band gehört.

Wie sich rausstellt, endet damit auch die Geschichte dieser Supergroup, sieht man von einer einmaligen Live-Reunion am 12. Januar 2012 bei einem Benefizkonzert ab. Denn leider können die Herren jahrelang keinen geeigneten Nachfolger finden, obwohl Könner wie Myles Kennedy von Slashs Soloband und Alter Bridge, Sebastian Bach (ehemals Skid Row), Lenny Kravitz und Chester Bennington (Linkin Park) als Kandidaten gehandelt werden. Slash und McKagan kehren schließlich zu Guns N’ Roses zurück, während Weiland bis 2013 bei den Stone Temple Pilots singt und anschließend mit seiner eigenen Band The Wildabouts unterwegs ist. Am 3. Dezember 2015 wird er tot in deren Tourbus gefunden. Rest in peace.

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Zeitsprung: Am 15.5.1995 klicken bei Scott Weiland zum ersten Mal die Handschellen.

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Popkultur

„The Record“: Was kann das Debüt der Supergroup Boygenius?

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Foto: Noam Galai/Getty Images

Supergroups kennt man ja eher von Männern. Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus, die drei prominenten Damen hinter Boygenius, ändern das. Ihr Debüt The Record klingt zumeist sanft, verträumt, melancholisch, bricht aber manchmal wie entfesselt los. Indie-Album des Jahres? Gut möglich.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr euch The Record anhören:

Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus sind jede für sich Ikonen, einflussreiche Künstlerinnen, die es mit unter 30 zu prominenten Figuren gebracht haben. Bei Boygenius bündeln die drei ihr kreatives Genie in einem Trio, das es in der Indie-Welt so noch nicht gegeben hat – und das ist angenehmerweise mal keine hohle PR-Übertreibung. Jede von ihnen kann als Stimme ihrer Generation gewertet werden, jede von ihnen gehört zu einer neuen Ära von selbstbestimmten Künstlerinnen, die auf ihre Weise den Boys-Club der Rockmusik unterwandern, aushöhlen, obsolet machen wollen.

Wie einst Nirvana

Das tun Boygenius auf ihrem Debüt The Record nicht etwa laut, schrill, wütend. Sondern mit Sanftmut, melancholischer Ruhe und bockstarken Songs. Ist doch eh cleverer und nachhaltiger, das geballte Talent sprechen zu lassen, das die drei Künstlerinnen auch im Verbund auf wundersame Weise zu kanalisieren wissen. Und dann sind da eben noch die subtilen kleinen Spitzen, die Hinweise: Auf dem Cover ihrer ersten EP, die bereits 2018 erschien und ein langes Schweigen einläutete, sitzen sie genau so da wie Crosby, Stills & Nash auf ihrem Debüt. Und auf dem Rolling-Stones-Cover Anfang des Jahres stellen sie die Pose des Nirvana-Covershoots von 1994 nach. Kurt Cobain hätte das gefallen.

Warum wir eine reine Girl-Supergroup gebracht haben, wird schnell klar: Wo männliche Supergroups dann eben doch irgendwann an den exorbitanten Alpha-Male-Egos zerschellen wie Hagelkörner auf Asphalt, gehen Bridgers, Baker und Dacus die Sache beeindruckend egalitär und basisdemokratisch an. Niemand drängt sich in den Vordergrund, weil alle gleichberechtigt sind. Keine Frontfrau, keine Divaallüren. „Wir ziehen uns gegenseitig hoch“, so sagte Bridgers damals dem Rolling Stone. „Wir sind alle Leadsängerinnen und feiern uns gegenseitig dafür.“ Männer bekommen das eben irgendwie deutlich schlechter hin, ist einfach so.

Die Avengers der Indie-Welt

Das alles wäre natürlich nicht viel wert, wenn The Record nicht alle hohen Erwartungen spielend überflügeln würde. Es ist ein Album, um es kurz zu machen, das einem den Glauben an die Zukunft der Gitarrenmusik zurückbringt. Es ist mal laut, mal ahnungsvoll, mal zart, mal ruppig. Vor allem aber ist es ein homogenes, reifes Werk, das in seiner Lässigkeit die Jahrzehnte transzendiert. Offenkundig sind die Einflüsse der „Avegners der Indie-Welt“, wie eine enge Freundin der Band das mal auf den Punkt brachte: Classic Rock, die Laurel-Canyon-Szene, Grunge, der Folk von Crosby, Stills & Nash, von denen sie gleich auch die verschiedenen Gesangsharmonien haben.

Eins der ganz großen Highlights ist $20, ein furioser Rocker mit schroffer Lo-Fi-Gitarre, der sich plötzlich öffnet und von allen drei Stimmen ins Ziel getragen wird. Die Mehrheit des Materials ist ruhig, verträumt, am ehesten trifft es wohl lakonisch. Emily I’m Sorry etwa oder das kurze Leonard Cohen, inspiriert von einer unfreiwilligen Geisterfahrt der Drei auf einer kalifornischen Interstate. Die Ausbrüche wie Anti-Curse, in denen Baker von einer Nahtoderffahrung im Pazifik singt, läuten deswegen umso lauter, dringlicher. Dynamik ist König, das wissen die drei. Oder besser Königin.

Musste Rick Rubin draußen bleiben?

Sie wissen eh sehr viel. Wie schwer sie es haben würden, zum Beispiel. So kamen sie überhaupt erst auf ihren Namen Boygenius: Nach zahlreichen schlechten Erfahrungen mit vor Selbstbewusstsein nur so strotzenden männlichen Kollaborateuren, die von der ganzen Welt gefeiert werden, nannten sie sich selbst so, um sich Mut zuzusprechen. Ob das auch für Rick Rubin gilt? Aufgenommen haben sie zumindest in dessen Shangri-La Studio in Malibu. Aber er hat keinen Recording Credit und durfte vielleicht nur kiffend im Garten sitzen. Vorstellbar.

The Record ist ein geniales Debüt. Es ist aber mehr, ein Instant-Klassiker, ein Album, das sich einreiht in die großen Singer/Songwriter-Momente der letzten 50 Jahre. Es ist radikal ehrlich, direkt, ungefiltert, unaufgesetzt und das Testament großen Willens. Alle Songs hätten auch auf den jeweiligen nächsten Alben der drei Solitärinnen auftauchen können. Aber dann würde ihnen etwas fehlen. The Record ist ein Album voller Risse, durch die das Licht hineingelangt, um bei Leonard Cohen zu bleiben. Ein heilsames Stück Musik, durchwirkt von Insider-Jokes, kleinen Hieben geben das Patriarchat und jeder Menge Beweise für diese besondere Freundschaft. Das wird Grammys hageln.

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boygenius: Wer steckt hinter der Indie-Supergroup?

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Popkultur

Zeitsprung: Am 31.3.1958 veröffentlicht Chuck Berry „Johnny B. Goode“.

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Chuck Berry Johnny B Goode Cover

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 31.3.1958.

von Christof Leim

Das sind die Grundlagen des Rock’n’Roll, liebe Brüder und Schwestern. Hier kommt viel der großartigen Krachmusik her, die wir im Zeitsprung feiern: Am 31. März 1958 veröffentlicht Chuck Berry den Klassiker Johnny B. Goode. Keine drei Minuten lang ist das Ding, Bluesschema in A, dazu ein flotter Backbeat und eine heiße Leadgitarre, und ab geht die Revolution. Bei Songs wie diesem haben sie alle zugehört, die Beatles, die Stones und AC/DC.

Geschrieben hatte Chuck Berry die Nummer bereits 1955 über einen „country boy“, einen Jungen vom Lande, der nicht richtig lesen und schreiben kann, aber so mühelos Gitarre spielt, als müsse er nur eine Glocke läuten. Und eines Tages wird sein Name auf allen Plakaten stehen… Wie sich später herausstellt, singt Berry hier über sich selbst. Darauf weist alleine schon der Titel hin, denn der Musiker wurde in der Goode Avenue in St. Louis geboren. Nur anfangs diente sein Pianist Johnnie Johnson als Namenspate für den Song. Der spielt jedoch nicht mal mit; bei den Aufnahmen am 6. Januar 1958 in den Chess Studios in Chicago haut Lafayette Leake in die Tasten. Den Bass bedient der nicht ganz unbekannte Blueser Willie Dixon. Das markante Eingangslick leiht sich Chuck Berry vermutlich bei Ain’t That Just Like A Woman, einer Nummer von Louis Jordan aus dem Jahr 1946, und zwar Note für Note, wie man hier hören kann. Die Originalversion der Single samt Text findet ihr hier.

Urvater des Rock’n’Roll: Chuck Berry

Aus dem Stand ein Hit

Johnny B. Goode wird zum Hit beim Publikum, und zwar unabhängig von der Hautfarbe, was Ende der Fünfziger keinesfalls als selbstverständlich gesehen werden kann. Der Track erreicht Platz zwei in den Billboard Hot R&B Sides Charts und Platz acht in den Hot 100 Charts. Wo der Unterschied zwischen diesen Hitparaden liegt, wissen wir nicht, aber fest steht: Mit der Nummer ging was. Um das zu erreichen, muss Berry eine kleine Änderung im Text vornehmen: Ursprünglich singt er von einem „little coloured boy“, ändert das aber in „little country boy“, um auch im Radio gespielt zu werden. Keine einfachen Zeiten für einen Schwarzen als Rockstar.

Die Goldene Schallplatte an Bord der Raumsonde Voyager. Johnny fliegt mit.

Heute gilt Johnny B. Goode als der wichtigste Chuck-Berry-Song. Er wird mit Preisen geehrt und in Bestenlisten aufgenommen, nicht zuletzt wird er 1977 mit der Voyager in den Weltraum geschossen. An Bord dieser Raumsonde befindet sich nämlich eine goldene Schallplatte mit Audioaufnahmen von der Erde, etwa der Stimme eines Kindes, Klassik von Johann Sebastian Bach – und eben Rock’n’Roll von Chuck Berry.

Da kommt noch mehr

Vier weitere Stück schreibt der Sänger und Gitarrist im Laufe der Jahre über den Charakter Johnny B. Goode: Bye Bye Johnny, Go Go Go, Johnny B. Blues und Lady B. Goode. Außerdem nennt er ein Album und dessen 19-minütiges instrumentales Titelstück danach: Concerto In B. Goode. Einen weiteren Popularitätsschub erhält das Lied 1985 durch Film Zurück in die Zukunft mit Michael J. Fox.

Die Liste der Coverversionen ist endlos und streift alle möglichen Genres, sie reicht von Jimi Hendrix, AC/DC und Judas Priest über NOFX und LL Cool J bis zu Motörhead und Peter Tosh. Und vermutlich fetzt noch heute irgendwo eine halbstarke Nachwuchskapelle bei ihrer dritten Probe durch das Bluesschema in A.

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Zeitsprung: Am 7.9.1955 macht Chuck Berry den „Duck Walk“. Später freut sich Angus.

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