------------

Popkultur

Die musikalische DNA von Falco

Published on

Er war so exaltiert, genau das war sein Flair: Falco! Bereits mit zarten fünf Jahren beeindruckte er bei einem Vorspiel an der Wiener Musikakademie mit seinem absoluten Gehör und entschied sich dann doch gegen eine Karriere als konventioneller Interpret. Hans Hölzel wollte mehr vom Leben, Hans Hölzel wollte alles und vor allem wollte er »richtiger Musiker« werden, wie er sagte. Soll heißen: Nix Sinfonieorchester!

Einen Namen machte sich der Wiener mit als Mitglied des anarchischen Performance-Kollektivs Drahdiwaberl Ende der siebziger Jahre und hatte seinen ersten Hit mit Ganz Wien. Es sollte der Beginn einer beispiellosen Karriere werden, in welcher Falco einen unvergleichlichen Stil entwickelte. Wiener Schmäh traf auf US-amerikanischen Rap und ein Gespür für knackige Rhythmen. Niemand klang zuvor oder danach wie Falco, niemand legte so viel Eleganz an den Tag.


Hört euch hier die musikalische DNA von Falco in einer Playlist an:


Aber Falco widmete sich nicht nur gerne in seiner Kunst den Schattenseiten des Lebens, sondern musste sie auch selbst voll auskosten. Sein Tod im Februar 1998 kam zu früh und fiel in eine Phase, in dem es dem charismatischen Wiener auch kreativ nicht gut ging. Er hinterließ eine Reihe von Welthits und eine treue Fangemeinde, die in Falco mehr als nur einen exzentrischen Paradiesvogel sahen, sondern ihn als musikalisches Genie und wandelndes Gesamtkunstwerk in Erinnerung halten. »Heute Platin, morgen Blech, heute küssen sie dir die Füße und morgen schaut dich nicht einmal der Hund noch an«, soll er seinem Manager Horst Bork nach seinem Überhit Der Kommissar geschrieben haben. Er sollte zum Glück nicht recht behalten, Falcos Vermächtnis inspiriert nach wie vor junge Talente. Und was ihn selbst beeinflusst hat, erfahren wir mit einem Blick auf die musikalische DNA von Falco!


1. David Bowie – Heroes

Falco war eine unvergleichliche Figur, die doch ohne einen Popstar nie zu dem geworden wäre, was sie war. David Bowie war für Falco allerdings weit mehr als eine Stilikone und tatsächlich eiferte der Wiener dem Briten in erster Linie musikalisch nach: Als Songwriter des Stücks Naked gab Falco einen gewissen White Duke an – ein Pseudonym Bowies! Insbesondere die sogenannte Berlin-Trilogie hatte es Falco angetan, das Stück Speed Of Life kopierte er recht frech mit Nie mehr Schule und zitierte immer wieder aus einem bestimmten Song: Heroes, der Titelsong des gleichnamigen Bowie-Albums, stand ganz eindeutig Pate für Helden von heute, wie auch etwa Let’s Dance oder Sound and Vision in Junge Roemer beziehungsweise Sand am Himalaya herauszuhören sind. Es geht sogar das Gerücht umher, Falco solle allein Bowie wegen zeitweise in Berlin gelebt haben.


2. Klaus Nomi – Valentine’s Day

Dabei hatte Falco doch selbst als Teenager keine Zeit für Idole, wie er mal behauptete. »Eine ganze Weile begeisterte ich mich für David Bowie«, gab er allerdings durchaus zu. »Wahrscheinlich war er, ohne dass ich damals realisiert hätte, auch schon die Initialzündung für meine anfänglich gestylte Arroganz, die ich Jahre später auf der Bühne bot.« Nicht der Einzige, der den jungen Falco prägte, wie auch sein Entdecker Markus Spiegel betonte. »Einerseits das Chamäleonhafte eines David Bowie, andererseits die künstlerische Stringenz Klaus Nomis«, sah der in den frühen Auftritten des jungen Wieners nachhallen.

Updown, middledown, downtown
Make sure to know the baddest place around – listen
Andy Warhol, David, Lou, o Klaus, o Klaus, o Nomi, o

Sang Falco schließlich auch im Song Hoch wie nie und ehrte damit den fast vergessenen Countertenor, der wie Bowie und Falco eine absolute Ausnahmegestalt war. Ähnlich wie Falco verstarb auch er viel zu früh: Nomi war eines der ersten prominenten AIDS-Opfer. Sein strikter Schwarz-Weiß-Stil lebte in Falcos eleganten Outfits ebenso weiter wie die nahtlose Verblendung von klassischem Stil und einem gerüttelt Maß an Missachtung für alle Konventionen.


3. Wolfgang Amadeus Mozart – Leck mich im Arsch

Falcos größter Hit widmete sich einer ganz anderen Gestalt, die mit ihm nicht nur die österreichische Herkunft gemein hatte. Wie Falco wurde Wolfgang Amadeus Mozart schon früh als Genie erkannt und wurde zu einem der berühmtesten Komponisten aller Zeiten, der sich dennoch mit seinen eigenen Dämonen nicht arrangieren konnte. »Rock Me Amadeus« war inspiriert vom Film Amadeus, Falco gab der Geschichte aber einen zeitgenössischen Anstrich und stellte Mozart so dar, wie er sich selbst gern sah: als punkiges Genie. Nicht ganz abwegig, denn auch Mozart war kein Kind von Traurigkeit, im Gegenteil. Bester Beweis für den zum Teil brachialen Humor des Salzburgers ist wohl der sechsstimmige Kanon, der nach seiner postumen Entdeckung unter dem Titel »Leck mich im Arsch« bekannt wurde. Der rabiate Witz wird auch Falco fasziniert haben, zumindest überwand er seine Skrupel über seine Mozart-Hymne schnell über den Haufen. »Das sieht ja aus wie vom Fremdenverkehrsamt bestellt!«, meinte er zuerst angesichts der Aussicht, dass ein Wiener einen der größten Söhne des Landes ehren sollte. Fast also hätten wir »Amadeus« nie gehört…


4. The Sound Of Music (aus dem Musical »The Sound Of Music«)

Mit der Musikgeschichte wie auch dem Zeitgeschehen seiner Heimat setzte sich Falco im Laufe seiner Karriere selbst dann noch auseinander, als er schon längst zum internationalen Star geworden war. Auf dem Album Emotional aus dem Jahr 1986 thematisierte er die umstrittene Wahl des Bundespräsidenten Kurt Waldheim. »Herr Präsident / wir kennen eine Sprache / diese Sprache / die heißt Musik«, schmetterte Falco dem ehemaligen Wehrmachtsoffizier darin entgegen. Die Wahl des Titels »The Sound Of Musik« war dabei sicher kein Zufall: The Sound Of Music ist ein auf den Erinnerungen von Maria Augusta Trapp basierendes Musical, das vor allem in den USA bekannt wurde, in Österreich selbst aber kaum bekannt ist und oft kritisiert wurde. Die österreichische Kultur würde darin verkitscht, lautet ein sich hartnäckig haltender Vorwurf. Das passte leider eben nur zu gut zu einem Land, das einen ehemaligen Nazi zum Präsidenten wählte – es ist eben nicht alles Gold, was glänzt und wer sollte das besser wissen als Falco?


5. Donna Summer – Love To Love You Baby

Falco war aber nicht nur ein politisch interessierter Künstler, sondern auch ein Freund von Ausschweifungen. Das schlug sich auch musikalisch nieder, so experimentierte er mit tanzbaren Rhythmen, die aus dem Funk oder der europäischen und US-amerikanischen Disco-Szene empor sprossen. 1987 holte er sich für ein Duett mit Brigitte Nielsen sogar den Meister der Euro-Disco-Community ins Studio: »Body Next To Body« wurde von Giorgio Moroder produziert, der Mitte der siebziger Jahre schon Donna Summer einige Welterfolge beschert hatte – und das, obwohl manche ihre Songs jede Radiokonvention brachen! »Love To Love You Baby« etwa läuft gute 17 Minuten mit einem verführerischen Funk-Riff und einer groovenden Bassline, die eher eindeutige Assoziationen aufkommen lassen. Genau das Richtige für Falco also, dessen Lieblingsinstrument der Bass war und der den Freuden des Fleisches ebenfalls nicht abgeneigt war…


6. Marusha – Somewhere Over The Rainbow

Falcos Flirt mit der Dance Music gipfelte schließlich in den neunziger Jahren mit schrillen Euro-Dance-Beats. »Mutter der Mann mit dem Koks ist da« war seine Version eines alten Berliner Gassenhauers, der in Falcos Version zu einem eindeutig doppeldeutigen Stück Musik wurde. »Natürlich ist Techno nicht meine Musik«, gab er unumwunden in einem Interview zu. »Wer aber Techno als momentanen, temporären Zustand versteht, der hat es leider nicht verstanden: Techno ist die originäre Jugendkultur der 90er.« Es ging Falco also nicht darum, sich mit aktuellen Trends anzubiedern, sondern die Bewegungen seiner Zeit in seine Kunst zu integrieren. Damit allerdings kam er zugegebenermaßen etwas spät: »Mutter der Mann mit dem Koks ist da« erschien fünf Jahre, nachdem Marusha mit ihrer Coverversion von Somewhere Over The Rainbow einen Welthit landete, der die Subkultur schlagartig in den Mainstream beförderte. Danach, sagen viele Techno-Fans, ging es nur noch abwärts. Auch Falco musste für seine Experimente mit hyperaktiven Techno-Beats einige Kritik einstecken. Aber was wäre die Alternative gewesen: Immer und immer wieder nur denselben Song schreiben?


7. Rick James – Super Freak

Wenn es einen Hit gibt, dessen Nachwirkungen Falco nie richtig abschütteln konnte, war es »Der Kommissar«. Noch bis heute ist Falcos erster Erfolg einer seiner größten, tatsächlich gilt das Stück sogar als das erste erfolgreiche Raplied eines Weißen. Wer hätte das von einem Österreicher erwartet – im Jahr 1982? Falcos Hymne auf den Kommissar der Fernsehserie Kottan ermittelt – in welcher er einen kurzen Gastauftritt hatte – wurzelt dabei tatsächlich im energetischen Funk von Rick James. Tatsächlich sogar zögerte Falco zuerst, sich auf die Komposition von Robert Ponger einzulassen: Es klang ihm zu sehr nach James’ »Super Freak«! Zahlreiche im Internet kursierende Mash-Ups beweisen, wie gut die beiden Stücke zusammenpassen. Letztlich aber warf er die Skrupel über Bord und wurde quasi über Nacht mit seinem eigenwilligen Stil weltberühmt. Insbesondere sprachlich sticht Der Kommissar mit seinem markanten Mix aus Wiener Dialekt und Hochdeutsch hervor. Das ging selbst nicht an der US-amerikanischen Hip Hop-Szene spurlos vorbei, von der Falco sich inspirieren ließ!


8. Grandmaster Flash & The Furious Five – The Message

Afrika Bambaataa interessierte sich schon immer für das Geschehen auf der anderen Seite des großen Teichs. Kraftwerk waren eine seine größten Inspirationen, der große Durchbruchhits des mysteriösen DJs basiert sogar auf deren Track »Trans Europe Express«. »Planet Rock« erschien zeitgleich mit »Der Kommissar«, welches wiederum in der Plattentasche von Afrika Bambaataa landete. Eine irre Vorstellung: In New York wurde auf Block Partys zum Schmäh eines Wieners getanzt! Sogar zusammenarbeiten wollten die beiden, leider kam aber die geplante Kollaboration für Falcos Zweitwerk nie zustande. Fest steht zumindest, dass Falco ohne Rap nie seinen markanten Stil entwickelt hätte. »Falco war kein HipHop-Typ«, sagte Markus Spiegel. »Aber er hat sich des Stilmittels Rap bedient und somit eine Art Blaupause entwickelt, auf die Jahre später deutschsprachige Rap-Stilisten wie die Fantastischen Vier zurückgreifen konnten.« Ein Radiomitschnitt beweist, wie kreativ Falco mit seinen Einflüssen umging: Fünf Minuten freestylet er über The Message von Grandmaster Flash & The Furious Five und überträgt den sozialkritischen Duktus des Originals in einen schrillen Gedankenfluss über Wiener Alltagsszenen. Genial!


9. Bob Dylan – It’s All Over Now, Baby Blue

Über Falcos eigenwilligen Sprachmix könnten ganze Doktorarbeiten geschrieben werden und Rap war nur ein Einfluss für seine lebendige Vortragsweise. Auch die Lyrik der sogenannten Wiener Gruppe um Dichter wie H.C. Artmann oder ferner Ernst Jandl soll ihn inspiriert haben. Vor allem aber verstand es Falco meisterhaft, seinen Figuren echtes Leben einzuhauchen – ob nun dem Kommissar, dem Punk Amadeus oder sogar dem Entführer der jungen Jeanny, mit dessen Geschichte Falco eine nachhaltige Kontroverse ins Leben rief. Sein Handwerk hat Falco vermutlich bei Bob Dylan gelernt. Den Song »It’s All Over Now, Baby Blue« des späteren Literaturnobelpreisträgers coverte er zwei Jahrzehnte nach Erstveröffentlichung des Albums Bringing It All Back Home auf Falco 3. In seiner Version brilliert Falco mit bestem Dylan-Genäsel, das auch seinen eigenen Gesangsstil prägte, und deutschen Übersetzungen des Originaltexts. Wenn Falco sich schon bei anderen bediente, dann fand er darin stets ein Eigenes – das machte ihn und macht ihn immer noch aus.


10. Yung Hurn – Bianco (feat. Rin)

Falcos eigener Einfluss auf die deutschsprachige Rap-Szene kann gar nicht unterschätzt werden. Ob Fettes Brot oder Fler, die Fantastischen Vier oder sogar die Bloodhound Gang aus den USA zollten dem Wiener Tribut. Sein Grab auf dem Wiener Zentralfriedhof ist mittlerweile zur Pilgerstätte für junge Generationen geworden. »Vor allem die Österreicher haben alle darauf gewartet, mich sterben zu sehen«, regte er sich noch 1986 gegenüber dem Musikexpress auf. Anlässlich seines 60. Geburtstag aber schmiss die Stadt ein Konzert in seinen Ehren. Dabei war auch ein Wiener der jüngsten Rap-Generation, der mit seinen Lyrics klar in der Tradition Falcos steht: Yung Hurn hatte sich zuerst im Umkreis von Hanuschplatzflow einen Namen gemacht und landete nach und nach mit seiner verdrogten Cloud Rap-Adaption Hit um Hit. Mit seinem Track »Bianco« widmete er sich der Faszination für weißes Pulver, das sich auch als Leitmotiv durch Falcos Werk zog – angefangen von »Ganz Wien« bis hin zu »Mutter der Mann mit dem Koks ist da«. Vielleicht nicht die gesündeste aller Obsessionen, Falco hätte an dem wilden Rapper aber wohl seinen Gefallen gefunden.

Zeitsprung: Am 6.2.1998 kommt Falco bei einem Autounfall ums Leben. Er wurde 40 Jahre alt.

Don't Miss