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Popkultur

LSD, Erleuchtung und Uschi Obermaier: Als Peter Green bei Fleetwood Mac hinschmeißt

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Foto: Hulton Archive/Getty Images

Mit Anfang 20 gilt Peter Green als legitimer Nachfolger von Eric Clapton. 1967 gründet er in London Fleetwood Mac, ist aber längst raus aus der Band, als die zu ihrem Höhenflug ansetzt. Nach einem schicksalhaften Zusammentreffen in einer Münchener Hippie-Kommune und ein wenig zu viel LSD verlässt Green vor 50 Jahren die Band, die er gegründet hat.

von Björn Springorum

Vor 50 Jahren ist die Welt der Künstler, Existentialisten und Erleuchtungsjünger im Bann einer neuen Wunderdroge. LSD ist der letzte Schrei, der Schlüssel, um die Türen der Wahrnehmung zu öffnen und Erleuchtung zu erlangen. In San Francisco schart LSD-Priester Timothy Leary Studenten, Künstler und Beatniks um sich, auch in England ist diese Droge ab Mitte der Sechziger immer begehrter. Der britische Akademiker Michael Hollingshead bringt die Droge mit in seine Heimat, wo sie ebenso schnell um sich greift. Die Beatles versuchen sich ebenso daran wie die Stones, Pink Floyd ebenso wie Jimi Hendrix. Auch Peter Green probiert diese neue Droge aus. Und besiegelt damit seinen Ausstieg bei Fleetwood Mac.

Die gründet Green, noch vollkommen frei von LSD und sonstigen bewusstseinserweiternden Mittelchen, 1967 in London. Zuvor hatte er Eric Clapton bei John Mayall & The Bluesbreakers ersetzt und sich sehr schnell einen Namen als Blues-Gitarrist gemacht, der es ernsthaft mit Clapton aufnehmen kann. Der Produzent Mike Vernon sagte sogar einmal, dass aus Peter Green eines Tages ein Gitarrist werden würde, der Slowhand übertrumpfen wird.

Die Bescheidenheit des Bassgitarristen

Ob das der Fall ist, möge jeder für sich selbst entscheiden. Fest steht: Mit Green verlässt ein sagenhaft talentierter Gitarrist die Bluesbreakers, um seine eigene Band zu gründen. Das tut er mit dem Bluesbreaker-Schlagzeuger Mick Fleetwood und dem Gitarristen Jeremy Spencer. Eigentlich will Green gleich auch den Bluesbreakers-Bassisten John McVie für ihre neue Sache gewinnen und lockt ihn mit dem schmeichelnden Bandnamen (in dem das Mac als Kurzform für McVie dient). Der Basser hat aber eher ein geregeltes Einkommen als ein künstlerisches Wagnis im Sinn und sagt erst mal ab. So sind sie eben, die Basser: Eher vernünftig als egozentrisch. Einen Gitarristen hätte man mit so einem Namen sicherlich gleich hinter dem Ofen hervorgelockt.

Im August 1967, als der Summer of Love auf seinen wilden und ekstatischen Höhepunkt zusteuert, treten Fleetwood Mac noch beim Windsor National Jazz And Blues Festival auf. Ihr damaliger Name, Peter Green’s Fleetwood Mac featuring Jeremy Spencer, mag sperrig und unhandlich sein; der lupenreine Blues, dem die Musiker frönen, sorgt schon in Windsor für reichlich Furore. Während die Beatles wenige Wochen zuvor mit Sgt. Pepper‘s Lonely Hearts Club Band ihren radikalen Kurswechsel komplettieren und sich ganz ihren lysergischen Pop-Träumereien hingeben, frönt Green noch seiner großen Liebe, dem Blues.

Fleetwood Mac im Jahr 1968. Foto: Keystone Features/Getty Images

Das bleibt auch noch eine ganze Weile so. Die ersten Aufnahmen von Fleetwood Mac sind reiner englischer Blues – mit Ausnahmen: Das höchst erfolgreiche Albatross kündet mit dumpf gestreichelten Percussions und lässigen Gitarren einen gewissen psychedelischen Vibe an, auch Black Magic Woman ist zunächst mal ein von Green geschriebener Fleetwood-Mac-Song, eher er Santana 1970 einen gewaltigen Hit beschert.

Eine folgenschwere Nacht in München

1969 merkt dann auch Peter Green, dass ihm der reine Blues nicht mehr reicht. Er spielt Rock‘n‘Roll, er spielt Pop, er spielt Art Rock, vor allem schreibt er einen schicksalhaften Song wie Man Of The World. Der ungewöhnlich melancholische Tonfall und die zurückgezogene Art und Weise, wie der Song aufgebaut ist, lassen bei den Bandmitgliedern erstmals die Alarmglocken schrillen. Nach außen hin wirkt aber erst mal alles nach einer weiteren Londoner Band, die kurz vor dem Durchstarten ist. Die Beatles wollen sie für Apple Records (und das wohlgemerkt nicht nur, weil George Harrison und Mick Fleetwod Schwäger sind), doch die Band entscheidet sich für Reprise. Dort erscheint im September 1969 Then Play On. Wenige Wochen später lässt sich Greens angeknackster geistiger Zustand nicht mehr länger geheim halten. Auf Tour in Deutschland irgendwann im Frühjahr 1970 landet Green in der Highfisch-Kommune von Rainer Langhans und Uschi Obermaier. Dort nimmt er schlechtes LSD, erlebt einen Horrortrip. Clifford Davis, der Manager der Band sagt dazu: „Danach war er nie wieder derselbe.“

Peter Green, das Gitarrenwunder, das selbst B.B. King beeindruckte, gestürzt von einer einzigen Nacht in einer bayerischen Kommune? Wenn es nach John McVie geht, dann auf jeden Fall. Aus heutiger Sicht ist dennoch schwer vorstellbar, dass ein singuläres Ereignis dafür verantwortlich ist. Ein Puzzleteil in seinem Fall ist München aber auf jeden Fall. Ein wenig tragisch, denn wenn man den Quellen glaubt, wollen Langhans und Obermaier, von Mick Fleetwood wenig schmeichelhaft  German Jet Set genannt, lediglich Greens Kontakte auspressen, um Hendrix und die Stones für eine Art bayerisches Woodstock zu gewinnen.

Die verlorene Dekade

Was genau Anfang 1970 auch passiert ist: Mit Green geht es bergab. The Green Manalishi (With the Two-Prong Crown) wird das letzte Stück sein, das er jemals für Fleetwood Mac schreibt – im April 1970, nur wenige Wochen vor seinem Ausstieg. Schon damals verkündet er, die Band nach Ende der Europatournee zu verlassen. Er will die Band außerdem dazu bringen, all ihr Erspartes wohltätigen Zwecken zur Verfügung zu stellen. Die Band lehnt ab, man gibt Ende Mai 1970 ein letztes gemeinsames Konzert und geht dann getrennte Wege. „Es gibt viele Gründe für meinen Ausstieg“, sagt Green später. „Am wichtigsten ist, dass es Zeit für eine Veränderung ist. Ich möchte mein ganzes Leben ändern, weil ich kein Teil mehr dieser gewohnten Welt sein und mich so weit wie möglich aus ihr zurückziehen.“

Wie aus den englischen Blues Rockern Fleetwood Mac ab Mitte der Siebziger die englisch-amerikanischen Pop-Rocker Fleetwood Mac werden, die mit Stevie Nicks und Lindsey Buckingham auch den Mainstream knacken und zu einer der größten Bands aller Zeiten werden, bekommt Green nur am Rande mit. Wenn überhaupt: Seine Schizophrenie kostet ihn den Großteil der Siebziger, er muss eine Elektroschocktherapie aushalten, bedroht seinen Buchhalter mit einer Feuerwaffe. Ab 1979 taucht er wieder auf, ist sogar auf Tusk von Fleetwood Mac und Mick Fleetwoods Soloplatte The Visitor zu hören. Vom alten Peter Green ist aber schon rein äußerlich nicht viel übrig geblieben: Wallende Wallah-Gewänder, Zauselbart, Rastafari-Mütze.

Peter Green ist fort

Als Mick Fleetwood seinem ehemaligen Frontmann wieder auf die Beine helfen will und ihm einen lukrativen Drei-Alben-Deal mit Warner vermittelt, flippt Green im Moment der Vertragsunterzeichnung aus und faselt etwas von „Teufelsgeld“. Green, so legen viele Aussagen nah, hat LSD einfach durch Kokain ersetzt. Mick Fleetwood gibt dennoch nicht auf. Als er im Februar 2020 ein Tribut-Konzert für seinen alten Kumpel im Londoner Palladium organisiert und unter anderem Billy Gibbons, David Gilmour und Steven Tyler zusammentrommelt, ist Peter Green nicht mal im Raum. Manche Quelle behauptet sogar, dass Green gar nichts davon wusste. Es würde zu seiner weltfernen, anti-egozentrischen Philosophie passen: Der Peter Green, der Ende der Sechziger Berge in der Musikwelt versetzte, existiert da schon längst nicht mehr.

Die musikalische DNA von Fleetwood Mac

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