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Popkultur

Zeitsprung: Am 12.9.1990 verkünden Stevie Nicks & Christine McVie ihren Ausstieg von Fleetwood Mac.

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Fleetwood Mac 1990 - Foto: Time Life Pictures/DMI/The LIFE Picture Collection via Getty Images

"Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 12.9.1990.

von Jürgen Ehneß und Christof Leim

Bei Fleetwood Mac hat sich das Besetzungskarussell schon seit der Gründung rasant gedreht. Doch als Stevie Nicks und Christine McVie am 12. September 1990 ihren Ausstieg ankündigen, geht eine Ära zu Ende, die 1975 begonnen hat und von musikalischen Geniestreichen ebenso geprägt war wie von Dramen, Drogen und Gewalt.

Hier könnt ihr euch das damals aktuelle Album Behind The Mask anhören:

Kaum eine Band hat sich im Laufe der Jahre dermaßen verändert wie Fleetwood Mac – sowohl personell als auch musikalisch, inklusive eines mehrstufigen Totalumbaus von einer britischen Bluesband zu einer kalifornischen Popgruppe. Und auch das Fundament ist anders verortet als bei gewöhnlichen Truppen: Während sich im Rockzirkus traditionell oft Schlagzeughocker als Schleudersitze erweisen, sind bei Fleetwood Mac tatsächlich die namensgebenden Mick Fleetwood (Drums) und John „Mac“ McVie (Bass) die Konstanten.

Und wieder einer weg …

Als die beiden Frauen des Quintetts am 12. September 1990 verkünden, künftig nicht mehr mit von der Partie zu sein, markiert das einen gewaltigen Einschnitt in der Bandhistorie – und gleichzeitig ein Ereignis in einer langen Reihe ähnlicher Vorfälle. Die Gründe für das Ausscheiden der ehemaligen Bandmitglieder sind dabei so verschieden wie die Charaktere selbst. Blicken wir zurück.

Der ursprüngliche Bandleader/Gitarrist Peter Green bleibt 1970 auf einem LSD-Trip hängen, den er ausgerechnet bei den Münchener Schicki-Kommunarden Uschi Obermaier und Rainer Langhans eingeworfen hat, und will sein Leben daraufhin radikal ändern. Sein Mitstreiter Jeremy Spencer (Gitarre) tritt zum 1971er-Tourauftakt in Los Angeles spontan der Sekte Children Of God bei, verschwindet für fünf Tage spurlos und ist danach dermaßen gehirngewaschen, dass ein Weitermachen bei den Macs völlig ausgeschlossen ist. Der Dritte des ursprünglichen Gitarrentrios, Danny Kirwan, wird auf Grund seines alkoholbedingten unberechenbaren Verhaltens aus der Band geworfen. 

Zündstoff fürs Überalbum

Doch das ist nur der Anfang: Nachdem die Band in Richtung Pop steuert und auf Anraten des Green-Nachfolgers Bob Welch nach Kalifornien übersiedelt, wird sie grundlegend umgebaut: Lindsey Buckingham (Gitarre, Gesang) und Stevie Nicks (Gesang), musikalisch und privat zu dieser Zeit ein Paar, geben dem Sound eine völlig neue Richtung und Qualität – und der Bandgeschichte eine neue interne Ausrichtung. Noch mehr Zündstoff entsteht durch die Tatsache, dass das zweite Paar der Gruppe – Christine McVie (ehemals Christine Perfect, Keyboard und Gesang) und John McVie (Bass) – vor der Trennung steht.

Bereits vor dem alles überragenden kommerziellen wie künstlerischen Erfolg des Überalbums Rumours im Jahr 1977 setzt eine Seifenoper ein, die selbst im Pop-/Rock-Business einzigartig sein dürfte und sich im Plattentitel (deutsch: „Gerüchte“) widerspiegelt. Amouröse Verwicklungen sorgen dabei für nachhaltiges Konfliktpotenzial. So hat etwa Stevie Nicks, in ihrer On-Off-Beziehung noch nicht ganz von Lindsay Buckingham getrennt, eine Liaison mit Mick Fleetwood, der wiederum noch mit Jenny Boyd verheiratet ist – der Schwester von Pattie Boyd, die George Harrison schließlich für Eric Clapton verlässt. Jenny selbst hat zuvor eine Affäre mit dem Fleetwood-Mac-Gitarristen Bob Weston. Christine McVie, nun frisch von Basser John geschieden, pflegt wiederum ein Verhältnis mit einem Crew-Mitglied.

Dramen für Superstars

Alkohol und Kokain spielen eine zunehmend dominierende Rolle bei allen Bandmitgliedern, und man hat es sich zur Gewohnheit gemacht, sich ordentlich die Kante zu geben, bevor man spätnachts die Arbeit im Studio beginnt. Im benebelten Zustand sind massive Wutausbrüche und körperliche Gewalt an der Tagesordnung. Christine und Stevie klinken sich zunehmend aus der Studioarbeit aus und tauchen irgendwann nur noch für ihre Overdubs auf. 

Das erfolgreiche Siebziger-Line-up: Fleetwood, Nicks, McVie, McVie, Buckingham – Foto: Sam Emerson/Warner/Promo

Durch den Megaerfolg von Rumours läuft alles noch mehr aus dem Ruder: Knapp zehn Millionen verkaufte Alben im ersten Jahr lassen die fünf Stars förmlich abheben. Unzählige weitere Dramen folgen, bis Buckingham 1987 schließlich die Band verlässt – woraufhin seine ehemalige Lebensgefährtin mit der Absicht auf ihn losgeht, ihn ins Jenseits zu befördern.

Die Damen schmeißen hin

Damit kommen wir zu den Ereignissen des Jahres 1990: Die beiden Nachfolger des Gitarristen, Rick Vito und Billy Burnette, glänzen hauptsächlich durch Unauffälligkeit, und das erste und einzige Album mit den beiden, Behind The Mask, enttäuscht. Veröffentlicht wird es am 9. April 1990, und wie üblich soll eine Tour folgen, um das Album zu bewerben (damals lief das so, denn das Geld kam tatsächlich über Plattenverkäufe herein). Die Absätze laufen recht ordentlich, und in Großbritannien ergibt das sogar die Spitzenposition der LP-Charts samt Platinauszeichnung. 

Fleetwood Mac 1988 – Foto: Neal Preston/Promo

Wie es um die allgemeine Zufriedenheit bestellt ist, zeigt jedoch der 12. September 1990: Christine McVie, immerhin seit 1970 festes Mitglied bei Fleetwood Mac und wichtige Songschreiberin, und Stevie Nicks, seit 1975 mit an Bord, ziehen beiden die Reißleine und verkünden ihren Ausstieg direkt nach der noch laufenden Tour. Zumindest wollen sie nicht mehr mit den drei Herren unterwegs sein.

Das Ende

Das versetzt nicht den Fans nur einen Schock, sondern markiert zugleich das Ende einer einzigartigen Konstellation, die sich zwar später wieder zusammenrauft, aber nie mehr einen auch nur annähernd ähnlichen künstlerischen Höhenflug hinlegen wird. Christine McVie versucht zu trösten: „Fleetwood Mac wird es immer geben, solange Mick und John dabei sind.“ Doch natürlich ist Stevie Nicks der Publikumsliebling und das Aushängeschild der Band.

Am 7. Dezember steht das finale Konzert der Tour an, danach soll’s ernst werden, auch wenn Mrs. Nicks unter Tränen gesteht: „In meinem Herzen glaube ich nicht, dass das die letzte Show ist.“ Und nicht nur Stevie dürfte feuchte Augen haben, als sie sich von den Fans in Los Angeles mit einer Bomben-Setlist  verabschiedet. Für zusätzliche Rührseligkeit sorgt Lindsey Buckingham, der für drei Songs auf die Bühne gebeten wird – unter anderem für Go Your Own Way, das bereits zu Rumours-Zeiten programmatisch gedacht war und nun eine neue Bedeutung bekommt.

Hin und her und her und hin

Im Falle Christine McVie entpuppt sich das Ausstiegsbekunden als halbes Lippenbekenntnis. Vielleicht liegt es am Mangel an Alternativen, jedenfalls bleibt die Britin der Truppe zunächst noch einige Jahre treu und mischt auch bei der Nachfolgeplatte Time mit. Stevie Nicks jedoch nimmt tatsächlich ihren Hut und macht sich in den folgenden Jahren rar, nicht zuletzt wegen ihrer Sucht nach Klonopin, einem Beruhigungsmittel. Ein eher verhaltenes Lebenszeichen erscheint 1994 in Form ihres fünften Soloalbums Street Angel

Doch 1997 haben die Fans Grund zum Jubeln: Zu einem Reunionkonzert kommen sowohl Stevie als auch ihr Ex-Lover Lindsey wieder an Bord, anschließend tourt die Band in der Rumours-Besetzung durch Nordamerika – danach will Christine McVie erneut aussteigen, wirkt aber bis 2003 noch gelegentlich mit, bevor endgültig Schluss ist. Doch Fleetwood Mac wären nicht Fleetwood Mac, wenn’s das schon gewesen wäre. 2014 steigt Frau McVie nämlich wieder ein. Lindsey Buckingham dagegen macht sich vier Jahre später zum zweiten Mal vom Acker. Wir wiederum warten sehnsüchtig auf die nächste Staffel der Seifenoper.

Zeitsprung: Am 18.1.1974 gehen falsche Fleetwood Mac auf Tour – ganz offiziell.

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