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Popkultur

„It‘s Oh So Quiet“: Die wilde Geschichte von Björks ungeliebtem Mainstream-Erfolg

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Foto: Cover

Vor 25 Jahren schießt Björk mit It‘s Oh So Quiet über Nacht in den Mainstream. Wie sie das findet, zeigt sie sieben Jahre später, als die Nummer nicht mal auf ihrer Greatest Hits-Platte auftaucht. Chronologie eines seltsamen Welterfolgs mit fast tödlichen Folgen.

von Björn Springorum

Björk als extravagantes Aushängeschild der Musikindustrie

Erfolg ist ein zweischneidiges Schwert. Irgendwie möchte man ihn als Künstler*in ja schon, doch wenn er erst mal da ist, und dann vielleicht noch zu groß, ist das auch nicht so ganz das Wahre. Islands extravaganteste Popkünstlerin Björk zumindest muss schon 1995 am eigenen Leib erfahren, was so alles aus einer Schnapsidee werden kann. Nicht, dass Björk Guðmundsdóttir zum damaligen Zeitpunkt ein unbeschriebenes Blatt ist: Zwischen 1986 und 1992 schreibt sie mit den Sugarcubes isländische Musikgeschichte: Für den Rolling Stone sind sie damals die biggest rock band to emerge from Iceland.

Björk ist das damals schon zu wenig. Zu eindimensional. Mit Ende 20 siedelt sie nach London um, will ihre Solokarriere in Schwung bringen. Ihr Album Debut kommt im Sommer 1993 in den Läden an, mausert sich zum Kritikerliebling. Björk wird zum Indie-Darling, zum exzentrischen Paradiesvogel mit der außergewöhnlichen Stimme, dem extravaganten Modestil und dieser kompromisslos vielfältigen Herangehensweise an Pop, Dance, World Music, Trip-Hop, Electro-Pop, Indie, Funk – die Isländerin emanzipiert sich mit einem Schlag von all dem, was sie bis dato gemacht hatte, und wurde zum vielköpfigen Hydra der MTV-Ära.

Der Erfolg kommt

Der Erfolg bleibt nicht aus: Sie räumt bei den Brit Awards ab, schreibt einen Song für Madonna. Für den Mainstream ist Björk aber immer noch zu seltsam, zu fremdartig, zu verrückt. Zum Glück. Dann jedoch, es ist der Sommer 1995, erscheint ihr zweites Album Post. Noch mehr in schillernden Welten zwischen Trip-Hop, Dance und bunt gemischter Electronica zuhause, schreibt Björk ein urbanes Album über den Großstadtdschungel und trifft damit voll den Zeitgeist. Songs wie Army Of Me und Hyperballad befeuern die musikalischen Subkulturen zwar durchaus und machten Björk zur Elfenprinzessin eines new weird; es ist aber vor allem eine ganz und gar ungewöhnliche Cover-Version, die den Erfolgsvogel abschießt.

Cover-Version eines eigentlich deutschen Songs

Veröffentlicht und eingesungen 1951 von der US-amerikanischen Sängerin Betty Hutton 1951, ist It‘s Oh So Quiet die englische Jazz-Version des deutschen Liedes Und jetzt ist es still von 1948. Björk hört die Nummer im Tourbus und nimmt sie einfach mal so auf, um der Crew ihrer damaligen Tournee zu danken. Der Song ist fluffig, jazzig, duftet nach Kabarett – und wird rasch zu ihrem größten Hit. Das ist er bis heute geblieben. Allein in den USA verkauft sich die vollkommen untypische Single über 400.000-mal, zusätzliche Popularität erreicht der Song durch das meisterhafte Musikvideo von Ikone Spike Jonze. Plötzlich ist Björk ganz oben im Mainstream, wird auch von den konservativen Radiostationen gespielt. Sie kann ja doch eingängige Popmusik, jubelt man. Und doch ist Björk nicht so ganz glücklich darüber, dass ausgerechnet eine vollkommen andersartige Cover-Version ihr größter Erfolg wird: Als sie sieben Jahre später ein Greatest Hits-Album veröffentlicht, glänzt diese Nummer doch tatsächlich mit Abwesenheit!

Der Erfolg wird ihr zu viel

Vielleicht auch verständlich, wenn man mal goutiert, was im Zuge dieses Erfolges noch so alles geschieht: Plötzlich belagern Paparazzi die schüchterne, introvertierte Künstlerin, die mit ihrer neuen Rolle im Mainstream alles andere als gut klarkommt. Im Februar 1996 wird sie am Flughafen Bangkok von Reporter*innen belagert, sie lassen sie nicht in Ruhe, woraufhin Björk eine Journalistin körperlich angeht, die ihr bereits seit Tagen auf den Fersen gewesen war. Und im September 1996 steigert sich der Fan Ricardo López so sehr in Björks Beziehung zu dem britischen Künstler Clifford Joseph Price hinein, dass er Björk mit einer Briefbombe umbringen will, nach deren Versand er sich bereits umgebracht hat.

Alles eher die Schattenseiten des Erfolges, kann man also sagen. Björk zieht nach Spanien, wo sie in aller Abgeschiedenheit Homogenic schreibt. Deutlich reifer und experimenteller, weniger elfenhaft und verspielt: Die letzten Jahre hatten auch Björk verändert. Und sorgen bis heute dafür, dass ihr so etwas wie ein unabsichtlicher Welterfolg nicht wieder passiert. Wie wir eingangs sagten: Es ist eine zweischneidige Sache mit dem Erfolg…

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