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Popkultur

Zeitsprung: Am 18.9.1949 kommt Kansas-Chef Kerry Livgren auf die Welt.

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Foto: Michael Putland/Getty Images

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 18.9.1949.

von Frank Thießies und Christof Leim

Kansas-Klassiker wie Carry On Wayward Son oder Dust In The Wind kennt jeder Rock-Fan – den Mann hinter diesen progressiv angehauchten Meilensteinen des AOR jedoch nur wenige. Nicht allein anlässlich seines Geburtstags am 18. September hat sich der Leadgitarrist und Songschreiber hier eine Würdigung verdient.

Hier könnt ihr euch die besten Kansas-Songs anhören:

In Topeka, Kansas (wo auch sonst?) als Kevin Allen Livgren geboren, entwickelt Klein-Kerry bereits in jungen Jahren ein reges Interesse am Gitarrenspiel wie auch an der Kunst des Komponierens. Erste musikalische Gehversuche unternimmt er zu High School-Zeiten in einer psychedelischen Beat-Formation namens The Gimlets. Später spielt Livgren in der Rhythm-and-Blues-Band The Mellotones, verlässt diese aber, um bei der kommerziell erfolgreicheren Gruppe The Reasons Why einzusteigen. Finanziell bessergestellt, aber in seinem kreativen Ausdruck gehemmt, gründet er in Folge die Band Saratoga, deren Name er der Aufschrift seines Lieblings-Songschreiber-Bleistifts entlehnt. Nur ein Jahr darauf fusionieren Saratoga und die Formation White Clover schon wieder zu einer neuen Gruppe: Kansas in ihrer ersten kurzlebigen Fassung sind geboren. Nach dem Ausstieg zweier Mitglieder führt Livgren sowohl den Namen als auch seine musikalischen Fusion-Experimente mit Jazz, Psychedelia und Rock weiter fort. Nachdem ein geplanter Plattenvertrag platzt, lösen sich Kansas, Mark II trotz eines treuen ersten Fanstamms 1973 jedoch auf. 

Kansas, die Dritte

Schlagzeuger-Freund Phil Ehart lädt Livgren daraufhin ein, Teil seiner reanimierten White Clover zu werden, zu denen auch die künftigen Kansas-Kollegen zählen: Sänger/Pianist Steve Walsh, Violinist Robby Steinhardt, Gitarrist Rich Williams sowie Bassist Dave Hope. Deren zuvor eingesandtes Demo war bei Musikguru Don Kirshner (The Monkees, Neil Diamond, Carole King) auf offene Ohren gestoßen. Im Zuge eines Plattenvertrages mit dessen Firma benennt man sich kurzerhand in Kansas um. Der Rest ist (noch nicht ganz) Geschichte. Denn auch für die inzwischen bereits in ihrer dritten Inkarnation befindliche Band bleibt der große Erfolg zunächst aus. Alben wie das nach der Band Debüt von 1974, aber auch dem Nachfolger Song For America von 1975 fehlen die für den großen Durchbruch nötigen Hitsingles. 

Kansas 1976: Kerry Livgren sieht man Mitte links

Während Walsh unter einer Schreibblockade leidet, ergreift Livgren für Kansas‘ viertes Album Leftoverture (1976) die Gelegenheit beim Schopfe und tritt als alleiniger oder Co-Komponist sämtlicher Songs in Erscheinung. Unter seinen Kompositionen findet sich auch ein Stück namens Carry On Wayward Son, welches Livgren am letzten Probentag vor dem Studiobesuch anschleppt. Es ist die sprichwörtliche Rettung in letzter Minute, denn besagte Nummer entpuppt sich als erster großer Hit für die Band, welcher in den USA mit einem erfolgreichen elften Platz nur knapp eine Top-10-Platzierung verpasst. Nicht schlecht für einen Song, der sich inhaltlich neben existenzialistischen Grundfragen mit dem biblischen Gleichnis vom verlorenen Sohn sowie dem Ikarus-Mythos auseinandersetzt. 

Für das Folgealbum Point Of Know Return (1977) gelingt dem Gitarristen ein ähnlicher Coup: Das von ihm als Aufwärmübung auf der Akustischen konzipierte Dust In The Wind findet bei seiner Frau großen Anklang, die ihn überzeugt, es den Kollegen vorzustellen. Und da auf der Platte glücklicherweise noch Platz ist, pressen Kansas Dust In The Wind noch in die Rillen und sichern sich somit ihren größten kommerziellen Single-Erfolg (Platz 6).

Glaubensfragen

1980 begibt sich Livgren mit Seeds Of Change schließlich erstmalig auf Solopfade und findet dabei in solch illustren Sängern wie David Pack (Ambrosia) oder Metal-Stimmwunder Ronnie James Dio (Rainbow, Black Sabbath) prominente Unterstützung. Mit Kanas nimmt Livgren zunächst noch vier weitere Alben auf, darunter auch Vinyl Confessions (1982), das ihren drittgrößten Hit Play The Game Tonight beinhaltet. 

Danach werden künstlerische, aber auch religiöse Differenzen unüberwindbar. Während Livgren, inzwischen zur Gruppe der wiedergeborenen Christen konvertiert, mit seiner neuen spirituellen Überzeugungen auch in seinen Texten nicht groß hinter dem Berg hält, was wiederum manchem Bandmitglied übel aufstößt, missfällt dem gläubigen Gitarristen zunehmend die stilistische Ausrichtung der Gruppe. Denn das neue Album Drastic Measures (1983) hat mehr mit dem angesagten AOR-Sound von Foreigner gemein als mit Livgrens überwiegend progressiver Vision. Und so geht man getrennter Wege. Erst im Jahre 2000 sollen die Mitglieder unter Ägide von Livgren wieder zusammenfinden, um das von ihm komponierte Album Somewhere To Elsewhere einzuspielen, das sich als zwar Kritikerliebling, jedoch nicht als kommerzieller Erfolg erweist.

Ordentlich frisiert in die Achtziger: Kerry Livgren 1980 auf Tour – Foto: Keenanrocks/Wiki Commons

Nachspiel

Zwischen 1983 und 1988 beschäftigt sich Livgren mit der Formation AD sowie seit 1989 auch wieder als Solokünstler, 2003 reaktiviert er sogar die Fusion-verrückten Kansas Mark II, diesmal unter dem Namen Proto-Kaw. 

Die gesundheitlichen Folgen und Einschränkungen eines Schlaganfalls 2009 lässt er in den folgenden Jahren partiell zwar hinter sich, doch seine Gitarre muss er in der Folge mit einem Daumenplektrum spielen. Als Musiker ist der Mann bis heute aktiv und arbeitet an diversen Projekten. Dazu gehört auch sein potentielles Opus Magnum: Seit über dreieinhalb Dekaden schraubt Livgren  schon an einem ambitionierten Epos namens Cantata: The Resurrection Of Lazarus, ein orchestral intendiertes Bombastwerk mit etlichen Gastsängern basierend auf der biblischen Figur des Lazarus von Bethanien.

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