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Popkultur

Zeitsprung: Am 24.5.2010 stirbt ein Fan von Lamb Of God beim Konzert in Prag.

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Randy Blythe von Lamb Of God 2015 - Foto: Ethan Miller/Getty Images

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 24.5.2010.

von Christof Leim 

Ein verhängnisvolles Datum: Am 24. Mai 2010 spielen die US-Metaller Lamb Of God eine Show in Prag. Dabei klettern Fans auf die Bühne, einer davon wird von Sänger Randy Blythe wieder runterbefördert – und landet auf dem Kopf. Daniel Nosek, gerade mal 19 Jahre alt, fällt nach dem Sturz ins Koma und stirbt einige Wochen später. Tragisch und traurig. Die Band, die zu dem Zeitpunkt das Land längst wieder verlassen hat, bekommt davon nichts mit. Bis zwei Jahre später die nächste Tour in der Tschechischen Republik ansteht…

Hier könnt ihr das damals aktuelle Album Wrath anhören:

Als Lamb Of God am 27. Juni 2012, also 25 Monate später, in Prag landen, wird Randy Blythe umgehend verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Der Vorwurf: Totschlag. Das kommt für den Frontmann und seine Band völlig überraschend. Was sie nicht wissen: Nach dem Tod von Daniel Nosek hatten die tschechischen Behörden die Ermittlungen aufgenommen und die USA um Amtshilfe gebeten. Das US-Justizministerium lehnte das zwar ab, sagte aber auch kein Wörtchen zu Lamb Of God oder ihrem Manager, dass gegen sie ermittelt wird. Einige nationale Medien in der Tschechischen Republik  berichten daraufhin, dass der Sänger besonders brutal gegen Stagediver auf seiner Bühne vorgegangen sei, sogar von einer Schlägerei ist die Rede. Andere Medien erklären realistischer, dass es bei Metal-Shows gerne wild zu geht, sich aber niemand wirklich kloppt. 

Was ist wirklich passiert?

Am 29. Juni wird Blythe formell angeklagt, ihm drohen fünf bis zehn Jahre Gefängnis. Der Staatsanwalt setzt wegen Fluchtgefahr eine Kaution in Höhe von 200.000 US-Dollar an, das geschätzte Jahreseinkommen des Sängers, die später auf 400.000 US-Dollar erhöht wird. Nach Zahlung und allerlei bürokratischen Schleifen samt ungünstig liegenden Feiertagen darf der damals 39-jährige Musiker am 3. August, fünf Wochen nach der Verhaftung, zurück in die USA reisen. Am Flughafen erklärt er: „Es besteht keine Fluchtgefahr. Als Künstler bin ich in der ganzen Welt unterwegs, ich muss meinen Namen reinwaschen. Also werde ich zurückkehren, wenn ich vor Gericht geladen werde.“ Das geschieht tatsächlich im Februar 2013. Nun könnte Blythe, um diesbezüglich kein Risiko einzugehen, einfach einen großen Bogen um die Tschechische Republik machen, doch er zeigt Rückgrat und stellt sich der Verhandlung. 

In diesem Prozess wird untersucht, was an diesem verhängnisvollen 24. Mai 2010 im Prager Club Abaton tatsächlich geschehen ist. Es scheinen mehrere Faktoren zusammengekommen zu sein, was im Detail hier nachzulesen ist: Die Spielstätte ist klein, die Absperrung ebenfalls. Fans klettern auf die Bühne, die Sicherheitsleute kümmern sich unzureichend darum. Nun sind Stagediver in der Welt der Krachmusik nicht ungewöhnlich, die Bandmitglieder allerdings, allen voran Randy Blythe, machen klar, dass sie nichts davon halten. Ein Headbanger namens Milan Pořádek kommt dem Sänger sogar mehr als einmal in die Quere und wird von ihm sogar zu Boden gedrückt. Nach eigenen Aussagen versteht der Fan den „Hinweis“ und lässt es fortan sein. Das sieht für Blythe aber anders aus, als ein anderer Besucher, Daniel Nosek, die Bühne besteigt. Blythe, der kurzsichtig ist und zur Mosh-Arbeit seine Brille nicht trägt, erkennt in der Dunkelheit der Show nicht, dass es sich nicht erneut um den gleichen Störer handelt – und schiebt ihn rigoros runter in die Menge. Doch die fängt ihn nicht. 

Ein tragischer Tod

Nosek landet auf dem Hinterkopf. Zwar steht der 19-Jährige kurz darauf wieder auf den Beinen, doch als er sich eine halbe Stunde später zu erbrechen beginnt, muss ein Rettungswagen gerufen werden. Daniel Nosek fällt in ein Koma und verstirbt an einer Lungenentzündung, hervorgerufen durch die einen Schlag auf den Hirnstamm. Schlimm.

Die Prozessbeteiligten kommen am 5. März 2013 zum Schluss, dass Blythe den jungen Mann tatsächlich von der Bühne gestoßen hat und damit die moralische Schuld an seinem Tod trägt. Juristisch gesehen sei der Sänger aber nicht verantwortlich, der Großteil der Schuld liege beim Veranstalter und den Sicherheitsmitarbeitern. Randy Blythe wird freigesprochen und darf das Land verlassen. Das Urteil wird später angefochten, aber drei Monate später bestätigt. Eine Schadensersatzklage des Sänger wiederum wird abgewiesen.

Epilog

Später erklärt Blythe in einem langen und emotionalen Blog-Beitrag (der hier nachzulesen ist), dass er sich nach dem Verfahren mit Daniels Familie getroffen habe: „Ich kann euch nicht sagen, wie es sich anfühlt, in die Augen einer Mutter zu blicken, deren Sohn nicht mehr lebt, weil er ein Konzert deiner Band, seiner Lieblingsband, besucht hat.“ Blythe verspricht dem Vater des Jungen, sich für mehr Sicherheit bei Shows einzusetzen. Die Mutter fragt den Amerikaner, ob er eines Tages einen Song für Daniel singen könne. Die Antwort: „Ich werde viele Songs für ihn singen.“ Rest in peace.

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