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Popkultur

Zeitsprung: Am 15.4.1965 reckt Linda Perry das nicht-blonde Haupt in die Welt.

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Foto: Axelle/Bauer-Griffin/FilmMagic/Getty Images

"Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 15.4.1965.

von Victoria Schaffrath und Christof Leim

„What’s going on“, Linda Perry? Am 15. April 1965 kommt die ehemalige Sängerin der 4 Non Blondes zur Welt. Dass sich die Musikerin aber als Songwriterin hinter einem guten Dutzend Welthits steckt, wissen viele nicht. Für diese Lieder zieht sie Inspiration aus ihrem bewegten Leben, das wir uns zu ihrem Ehrentag einmal ansehen wollen.

Hört euch hier in In Flight an, Perrys Soloalbum von 1996: 

Eigentlich muss man über Linda Perry gar nicht viel wissen: Die Frau trägt ihr Gesichtstattoo einer einsamen Träne unter dem Auge lange, bevor derartiger Körperschmuck zumindest in Musikerkreisen als gesellschaftsfähig gilt. Auch ihr sonstiger Stil scheint zu sagen, dass man sich besser nicht mit ihr anlegen soll. Diese Attitüde stammt wohl aus einer Jugend, die nicht wirklich fröhlich klingt.

Harte Schule

Von Drogen hört man, von einem brutalen Elternhaus und mentalen Problemen. Die junge Linda will sich sogar mithilfe von Tabletten das Leben nehmen, aber der Versuch misslingt. Im Neustart sieht sie die einzige Chance auf Besserung, also haut das Mädchen ab, so bald es geht: Von Springfield, Massachusetts geht es 1986 in die Kreativ-Hochburg San Francisco. Aus dem Leid entsteht viele Jahre später Beautiful, mit dem Christina Aguilera einen massiven Welthit landet.

In San Francisco macht die kleine Frau mit der unverkennbaren Stimme schnell von sich reden und steigt 1989 bei den 4 Non Blondes ein. Das Debütalbum Bigger, Better, Faster, More! mit der Single What’s Up (ja, der Track heißt eben nicht What’s Going On) legt 1992 zwar keinen Raketenstart hin, festigt nach einiger Anlaufzeit aber doch Perrys Namen in der Musikszene. Mitte der Neunziger verlässt Perry die Gruppe. Ihr Kommentar: „Ich war irgendwie nicht so der Fan meiner Band.“ Liegt wohl an dem „aufgeplusterten, polierten Bockmist“, an den sie der Sound des Albums erinnert.

Mit dem Kopf durch die Wand

Heute weiß der Lockenschopf: „Ich bin einfach im Einklang mit mir selbst und damit, was ich vom Universum brauche.“ Das erklärt in jedem Falle die emotionalen Bauchentscheidungen, die Perrys Karriere säumen. Darunter ihr erstes Soloalbum In Flight von 1995, das einen ziemlichen Unterschied zum leichten Klang der 4 Non Blondes darstellt und sich deswegen zwar bei der Kritik beliebt macht, kommerziell jedoch enttäuscht. Trotzdem spielt die Amerikanerin einfach weiter, unter anderem durch das Vorprogramm von The Who und Bryan Adams. Nebenher produziert sie Filme und nimmt junge Bands unter Vertrag.  

Das erweist sich als so erfolgreich, dass Perry 2004 ihr eigenes Label Custard Records gründet. Ihr größter Coup dort: James Blunt zu rekrutieren. Muss man nicht mögen, aber die Zahlen lügen nicht. Überhaupt läuft es ab den frühen Nuller Jahren: Perry schreibt und produziert die prägenden Popmelodien dieser Zeit. Get The Party Started von Pink, What You Waiting For von Gwen Stefani, Mono von Courtney Love, Candyman von Christina Aguilera, Superwoman von Alicia Keys. Müssen wir weitermachen? Nee. Perry räumt ab.

Geballte Pop-Power

Immer wieder vertraut die Frau mit der großen Hutauswahl dabei ihrer Intuition. So macht sie ab 2014 zum Beispiel auch in Castingshows, wohlweislich wählt sie jedoch ein Format, in dem sie die Zügel in der Hand hält. Make Or Break: The Linda Perry Project läuft eine Staffel lang auf VH1. Dazu arbeitet sie mit der nächsten Generation an Popsängerinnen: Adele, Miley Cyrus, Ariana Grande. Perry reitet weiterhin auf der Erfolgswelle – meist im Hintergrund, doch als eine der einflussreichsten Songwriterinnen unserer Zeit.

Vielleicht liegt es daran, dass Perry aus ihrer Meinung und Gesinnung nie einen Hehl macht. Schon 1994 kritzelt sie sich für einen Auftritt bei den Billboard Music Awards das Wort „dyke“, eine unschöne Verunglimpfung für Lesben, auf die Gitarre. „Ich liebe schon mein ganzes Leben lang Frauen. Ich war nie anders“, stellt sie schlicht fest. Beautiful gilt unter anderem vor diesem Hintergrund als Hymne der LGBTQIA-Gemeinde. 

Mit dieser Einstellung schafft es Linda Perry 2015 in die Songwriters Hall Of Fame. Zu Recht, möchten wir meinen. Wir wünschen dem Sturkopf, der sich nicht beirren lässt, alles Gute zum Geburtstag!

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