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Popkultur

Mahalia Jackson: Das Leben der „Queen Of Gospel“

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Mahalia Jackson
Foto: David Redfern /Getty Images

Mahalia Jackson engagierte sich für Schwarze Personen, für die Musik und für ihren Glauben. Sie sang sich in die Herzen von Millionen von Menschen, jahrelang kämpfte sie gegen Rassismus und Unterdrückung. Der Stress sorgte dafür, dass sie nur 60 Jahre alt wurde. Aber was für 60 Jahre das waren… Eine Verneigung vor der „Queen Of Gospel“.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch einige der größten Hits von Mahalia Jackson anhören:

Es gibt einige Schlüsselfiguren, die das 20. Jahrhundert mitgestaltet haben. Sängerin Mahalia Jackson ist zweifellos eine von ihnen. Zur Welt kommt sie am 26. Oktober 1911 in New Orleans, also vor mehr als 100 Jahren. Der Erste Weltkrieg hat bei ihrer Geburt noch nicht einmal begonnen, ihre Großeltern mussten noch als Sklaven auf Reis- und Baumwollplantagen schuften. Sie wächst in ärmlichen Verhältnissen auf, doch die Kirche gibt ihr Halt. In der Schule wird sie für ihre O-Beine gehänselt, doch dafür hat sie keine Zeit. Sie singt lieber im Namen des Herrn. 15 Jahre lang hangelt sie sich von Auftritt zu Auftritt. 1947 landet sie ihren ersten großen Hit: Move On Up A Little Higher.

Theater sind tabu

Mit der Single gelingen Jackson gleich zwei Premieren: Sie erreicht Platz zwei der US-Charts und sie verkauft mehr als zwei Millionen Platten. Das hat es im Gospel noch nie gegeben. Der Erfolg ebnet der Sängerin den Weg zu weiteren Aufnahmen, größeren Konzerten und schließlich ins Weiße Haus, weil sie sich für Präsident Harry Truman einsetzt. Eine Sache lehnt Jackson im Lauf ihrer Karriere allerdings immer wieder ab: Auftritte in Kinos und Varieté-Theatern. Der Grund dafür ist ein Deal mit Gott. Als Jacksons Großvater seine Enkelin Mahalia in Chicago besucht, erleidet er einen Schlaganfall. Sie betet für ihn, gekoppelt mit dem Versprechen, nie wieder ihrem größten Laster nachzugeben, dem Theater. Ihr Großvater überlebt — und Jackson hält sich an ihr Wort.

Das Wort Gottes vs. die Musik des Teufels

Allen anderen Auftritten steht nichts im Wege, doch Jackson möchte ausschließlich Gospel singen, jedem Gegenwind zum Trotz. Als sie bei einem Jazz-Symposium gefragt wird, welche Jazz-Einflüsse im Gospel auftauchen, antwortet sie trocken „Baby, weißt du nicht, dass der Teufel den Beat vom Herrn gestohlen hat?“ und meint damit: Gospel war früher da, Freundchen. Dennoch entwickelt sich die Veranstaltung für die Sängerin zu einem wichtigen Sprungbrett: Ihre Platten tauchen im Anschluss in Jazz-Magazinen auf und werden fleißig getauscht, sogar per Post. Auf diese Weise dringt ihre Musik bis nach Europa vor, wo Jackson ebenfalls auf große Begeisterung stößt und später auf Tour geht.

Im Cadillac durch die USA

Weil die Sängerin auch in den Vereinigten Staaten viel unterwegs ist, kauft sie sich einen Cadillac, um die ständigen Reisen bequemer zu gestalten. Doch der Rassismus macht ihr einen Strich durch die Rechnung, wie sie später berichtet: „Wir wurden oft böse angeschaut, wenn man uns Schwarze in so einem schönen Auto sitzen sah. Das war erschreckend. Es ging so weit, dass wir uns tagsüber von Tüten mit frischem Obst ernährt haben und später die halbe Nacht gefahren sind. Wenn ich dann singen sollte, war ich so erschöpft, dass mir fast schwindlig wurde.“ Eins von vielen weiteren Problemen: Auf Tour kann Jackson aufgrund ihrer Hautfarbe nur schwer Schecks einlösen, weshalb sie sich stets in bar bezahlen lassen muss. Das Ergebnis: Zeitweise fährt die Sängerin mehrere Zehntausend Dollar spazieren.

Jahrelang setzt sich Jackson für die Rechte von Schwarzen ein, ob durch Benefizkonzerte, Spenden oder konkrete politische Aktionen. So fordert sie ihr nach „Rassen“ getrenntes Publikum oft dazu auf, gegen die vorgeschriebene Segregation zu verstoßen. Ihr erstes Haus kauft sie in einer komplett weißen Wohngegend in einem Vorort von Chicago. Als Reaktion darauf erhält sie Todesdrohungen, am Tag ihres Einzugs zerschießt jemand eins ihrer Fenster. Später freundet sie sich mit Martin Luther King an, unterstützt Präsident John F. Kennedy bei dessen Wahlkampagne und singt bei seiner Amtseinführung die US-amerikanische Nationalhymne. Sie kämpft und singt für Gleichberechtigung — bis zur Erschöpfung.

Der körperliche Abbau

Mitte der Sechziger leidet Jackson zunehmend unter Müdigkeit und Kurzatmigkeit. Je mehr Stress sie hat, desto kränker wird sie. Die offizielle Erklärung lautet, dass sie unter Herzbelastung und Erschöpfungszuständen leidet, doch hinter den Kulissen erfährt sie, dass sie einen Herzinfarkt hatte und dass eine Sarkoidose zurückgeblieben ist, also eine Entzündung des Herzens. Nach einem Jahr Pause geht sie wieder auf Tour, singt Platten ein und nimmt mehr als 20 Kilo ab. Ihre Gesundheit verschlechtert sich weiter, sie leidet an ständiger Müdigkeit, Herzrasen und hohem Blutdruck. Sie lotet bei zwei- bis dreistündigen Konzerten ihre Grenzen aus und engagiert sich weiter gesellschaftlich. Als Martin Luther King erschossen wird, bricht für Jackson eine Welt zusammen und sie singt bei seiner Beerdigung. Anschließend zieht sie sich aus ihrer politischen und gesellschaftlichen Arbeit zurück.

Bis zum bitteren Ende

In ihren letzten Jahren gibt Jackson noch einmal Vollgas. Sie gründet die Restaurantkette Mahalia Jackson’s Chicken Dinners und kauft sich eine große Eigentumswohnung in Chicago. Mit 58 Jahren kehrt sie in ihre Geburtsstadt New Orleans zurück, wo sie im Royal Orleans Hotel mit dem roten Teppich empfangen wird. Früher war sie dort als Schwarze Frau nicht willkommen. Sie tourt unermüdlich weiter, ob durch die USA oder Europa. Gesundheitlich geht es weiter bergab, in ihrer Karriere immer noch bergauf: Kurz vor ihrem Tod singt sie als erste westliche Künstlerin seit dem Zweiten Weltkrieg für die kaiserliche Familie in Japan. Während ihrer letzten Europatour quittiert ihr Körper in Deutschland den Dienst. Sie wird krank und fliegt nach Chicago, wo sie wegen eines Darmverschlusses operiert wird. Am 27. Januar 1972 stirbt sie während der Genesung.

Mahalia Jackson hat vielen Millionen Hoffnung gegeben und sie unterstützt, ob mit ihrem Gesang oder mit ihrem Engagement. Sie hat Millionen von Platten verkauft, Millionen gespendet und Millionen Menschen begeistert. Mehr als 50 Jahre ist das jetzt her — und trotzdem läuft ihre Musik immer noch. Rest in peace, Mahalia.

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