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Popkultur

Mega-Betrug mit Schneeballsystem: Vor 15 Jahren geht Boygroup-Vater Lou Pearlman ins Gefängnis

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Lou Pearlman
Foto: Johnny Nunez/WireImage/Getty Images

Am 21.5.2008 wurde der Musikmanager Lou Pearlman zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Pearlman, der als Impresario der Backstreet Boys und *NSYNC gilt, hatte jahrelang eines der größten Schneeballsysteme der US-Geschichte betrieben und Anleger um mehrere hundert Millionen Dollar gebracht. Seine Entlassung aus dem Gefängnis sollte Pearlman nicht mehr erleben.

 von Markus Brandstetter

Big Poppa, so ließ sich Lou Pearlman gerne nennen. Groß war bei ihm vieles: seine Ambitionen, sein Ego, seine Gier und sein Einfallsreichtum, wenn es ums Geschäftemachen ging. Pearlman, geboren am 19. Juni 1954 in Queens, New York, hatte bei seinem Cousin gesehen, was Erfolg bedeuten kann, sagt man. Der war nämlich niemand geringerer als Art Garfunkel und schrieb im Duo mit Paul Simon nicht nur Musikgeschichte, sondern machte auch ordentlich Geld. Das wollte Pearlman auch und machte schon in jungen Jahren erste Versuche als Manager einer Band, was zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht so recht klappen wollte.

Luftfahrt und Betrug

Er widmete sich der Luftfahrt, gründete einen Helikopter-Service, gab an, mit dem deutschen Luftfahrtunternehmer Theodor Wüllenkemper zusammenzuarbeiten. Seine eigenen Versuche mit der Luftfahrt waren katastrophal: Es kam zu Abstürzen, Pearlman wurde verklagt, irgendwie kam er aber damit durch. In dieser Zeit hatte Pearlman „Trans Continental Airlines“ gegründet, eine Charterfluggesellschaft, für die er zahlreiche Investoren fand. Pearlman versprach das Blaue vom Himmel — und eine Rendite von acht Prozent. Die Investoren glaubten ihm — und pumpten Geld in das Firmenkonstrukt. Pearlman machte falsche Angaben und Versprechungen, fälschte Bücher, tat so, als wäre der Cashflow gewaltig. 

Pearlman erobert die Musikwelt

Dann widmete er sich Pearlman dem, was ihn schon als Teenager fasziniert hatte: dem Showgeschäft. Die Gründung der Soft-Erotik-Gruppe Chippendales geht auf sein Konto. Die Chippendales wurden zum Mega-Erfolg, Pearlman leckte Blut. Sein nächstes Projekt sollte die Boyband-Welt sein. Er hatte gesehen, wie große Wellen New Kids On The Block schlugen und wie viel Cash in einer Boyband steckte. Er gründete Trans Continental Records. Sein erster Act: die Backstreet Boys. Millionenseller. Dann: *NSYNC, ebenfalls Millionenseller. „Ich habe mich sofort in Lou verliebt“, erinnerte sich *NSYNC-Sänger Lance Bass. „Er war so ein netter Kerl und es machte Spaß, mit ihm zu reden. Er wurde sofort zur Familie – er war unser ‚Papa Lou‘.“ Pearlman, Big Poppa, war eine väterliche Figur für seine Bands (zu denen auch US5 und Natural gehörten), ließ sie sogar in seiner Villa wohnen.

Das Problem sahen seine Stars erst später: Pearlman nahm sich den Löwenanteil der Gewinne. Sowohl die Backstreet Boys als auch *NSYNC verklagten Pearlman. Wie Billboard berichtete, sollen die Bands nicht mehr als 300.000 Dollar bekommen haben, während Pearlman Millionen einsackte. Zu Beginn bekamen *NSYNC laut Billboard ein Tagesgeld von 35 Dollar pro Person. „Nach drei Jahren, in denen wir das gemacht haben, ein Nummer-1-Album hatten und die größte Band der Welt waren, sahen wir keine Gehaltsschecks mehr“, wird Lance Bass zitiert.

Anklage und Flucht

Daneben lief sein Firmenkonstrukt munter weiter, machte Versprechungen, die er nie halten konnte und kassierte ordentlich Geld. Schien irgendwie zu laufen bei Big Poppa, konnte man zumindest denken. Bis Anfang 2007 zumindest: Da verklagte der Staat Florida Pearlman wegen schweren Betrugs. Zu dem Zeitpunkt war Pearlman bereits auf der Flucht, buchte sich unter falschen Namen in einem Hotel in Bali ein. Allerdings wurde er dort von einem deutschen Paar erkannt, das die Polizei rief. Pearlman wurde zu 25 Jahren verurteilt.

In einem Interview mit Billboard sprach Pearlman im Gefängnis darüber, dass er einen Weg gefunden hätte, seine Schulden zurückzuzahlen. „Wenn ich die Chance bekommen hätte, eine neue Band zu gründen, hätte ich es allen zurückgezahlt. Aber ich hatte nie die Gelegenheit dazu, und das hat mich sehr verärgert.“ Dazu sollte es nicht mehr kommen: Pearlman starb am 19. August 2016 im Gefängnis in Texarkana, Texas, an einem Herzstillstand.

Interessant ist auch, wie er selbst sein Schneeballsystem sah. Einen Vergleich mit dem US-Börsenmakler und Mega-Betrüger Bernie Madoff wollte er nicht gelten lassen. „Er war einfach ein Betrüger. Ich glaube nicht, dass es richtig war, was er getan hat. Aber ich hatte die Möglichkeit, alles wiedergutzumachen. Ich hatte nur nicht die Chance, es zu tun“, so Pearlman. „Er hatte keine wirkliche Möglichkeit, Geld zu verdienen, aber ich hatte die Musik. Die Backstreet Boys haben jeder für sich weit über 50 Millionen Dollar verdient. Ich habe natürlich meinen Anteil bekommen, und der war sehr schön und sehr groß.“

Allerdings zeigte er auch Reue: „In den neun Monaten seit meiner Festnahme habe ich eingesehen, welchen Schaden ich angerichtet habe. Es tut mir sehr leid und ich möchte mich dafür entschuldigen, was passiert ist“, erklärte Pearlman damals in einem Statement aus dem Gefängnis.

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