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Popkultur

Legendäre One-Man Bands: 10 Musiker, die auch alleine bestens zurechtgekommen sind

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Auch ohne die Beatles sehr erfolgreich: Paul McCartney. Foto: Sonny McCartney

Das Problem mit den One-Man Bands basiert im Grunde genommen nur auf dieser ersten falschen Assoziation, einer leider viel zu stabilen Verknüpfung im Gehirn – denn man denkt unweigerlich an instrumentenbepackte und -behängte Typen wie Dick Van Dyke. Auftritte wie seiner in Mary Poppins rufen automatisch das Bild vom zappelnden Energiebündel mit umgeschnallter Bassdrum hervor, das hektisch irgendwelche Songs zusammenschustert. Um solche Typen soll es hier nicht gehen, sondern eher um Allrounder wie Stevie Wonder. Schlagzeuger, Keyboarder, Sänger und Mundharmonika-Spieler in Personalunion – und überhaupt einer der lässigsten Protagonisten der Musikgeschichte.

von Martin Chilton

 

Ein Instrument reicht vielen nicht

Dabei gibt es Tausende, die genau wie Stevie eine ganze Reihe von Instrumenten beherrschen: Curtis Mayfield etwa oder PJ Harvey. Dave Grohl, Jonny Greenwood von Radiohead oder Rushs Geddy Lee. Alicia Keys, Roy Wood oder auch Brian Jones von den Stones. Jack White, Beck, Trent Reznor (NIN) oder auch Bruno Mars, um nur das erste Dutzend vollzumachen. Man muss schon ganz schön von sich überzeugt sein, um gleich mehrere Instrumente selbst einzuspielen, schließlich gibt es zahllose Studiomusiker*innen, die genau darauf spezialisiert sind.

Hier sind zehn der besten One-Man Bands der Geschichte, angefangen im Jahr 1941 – mit Sidney Bechet, der schon damals auf Mehrspur-Experimente und Overdubbing setzte, um auf diese Weise alles alleine machen zu können…

10. Sidney Bechet

Als der Toningenieur John Reid dem Jazz-Saxofonisten Sidney Bechet die Möglichkeiten des Multitrackings erklärt hatte, machte sich der sofort an die Arbeit: Er wollte sich die Spuren für sechs Instrumente ausdenken und die verschiedenen Rhythmen und Melodien dann zusammenbringen. Nicht ganz einfach war die Sache, weil Bandmaschinen damals noch nicht verbreitet waren, weshalb jede Aufnahme mittels eines 78rpm-Rohlings mitgeschnitten und dann übereinandergelegt werden musste. Am 19. April 1941 entstand so im Alleingang seine Aufnahme von The Sheik Of Araby, wobei Bechet Sopran- und Tenorsaxofon, Klarinette, Klavier, Kontrabass und Schlagzeug übernahm. Sein Blues for Bechet bestand daraufhin auch aus immerhin vier Spuren. Später gestand der Maestro, er sei vor Panik richtig ins Schwitzen gekommen: „Allein der Gedanke an diese Session bescherte mir Alpträume. Ich träumte dann, dass ich allein die ganze Duke Ellington Band nachspielen musste.“

Reinhören: The Sheik Of Araby (1941)

9. Paul McCartney

Ausgebildet in einer der besten Bands der Musikgeschichte, galt McCartney wenig später als eine der besten One-Man Bands der Welt: Kurz vor Weihnachten 1969 begann der Beatle die Arbeit am gleichnamigen Soloalbum McCartney. Er erledigte alles in den eigenen vier Wänden, daheim im Londoner Stadtteil St. John’s Wood. Später erklärte er, er habe sich dazu entschieden, zu singen und dazu die ganzen Instrumente – Akustik- und E-Gitarren, Bass, Schlagzeug, Klavier, Orgel, Percussion, Mellotron und Spielzeug-Xylophon – einzuspielen, „weil ich fand, dass ich ganz gut damit umgehen konnte.“


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Das Arbeiten als One-Man Band gefiel ihm auch, weil es so schön unkompliziert war: „Ich musste ja nur noch mich selbst um Erlaubnis fragen, und meistens war ich dann auch gleich mit mir einer Meinung!“ Überzeugt waren auch die Fans: McCartney ging in den Staaten direkt auf die 1, in der Heimat auf Platz 2. Auch für den kürzlich verstorbenen Emitt Rhodes (von The Merry-Go-Round) war es eine wichtige Inspirationsquelle – denn auch er nahm kurz danach im Alleingang drei ausschweifende Popalben auf.

Reinhören: Maybe I’m Amazed (1970)

8. Todd Rundgren

Auf seinem dritten Soloalbum Something/Anything (1972) zeigte Todd Rundgren seine vielen Talente: Er schrieb, arrangierte, sang und spielte alles selbst ein – vom Klavier bis zu den Gitarren. Dabei war er gerade mal 23. Der einstige Produzent berichtete später, dass er gar keine Noten lesen oder schreiben konnte, stattdessen habe er sich alles so gemerkt und einfach per Gehör nachgespielt. Fundament war meistens ein Schlagzeugpart, über dem er dann die anderen Instrumente ausbreitete, wobei die Melodien häufig ganz spontan entstanden. Die Ergebnisse sind grandios, man denke an Klassiker wie I Saw The Light, It Wouldn’t Have Made Any Difference und Couldn’t I Just Tell You.

Ein Foto im Innencover zeigte Rundgren in einem Raum voller Equipment: Die Gitarre umgeschnallt, die Arme ausgestreckt, die Finger machten ein Victory-Zeichen. Eine Siegerpose, mit der er richtigliegen sollte: Sein One-Man-Album hielt sich fast ein ganzes Jahr lang in den US-Charts und räumte schließlich Gold ab.

Reinhören: I Saw The Light (1972)

7. John Fogerty

Nachdem er ein paar Jahre lang riesige Erfolge mit Creedence Clearwater Revival gefeiert hatte, machte sich der Sänger und Gitarrist John Fogerty daran, sein Soloalbum The Blue Ridge Rangers aufzunehmen. Ähnlich wie mit CCR, spielten auch jetzt Coversongs eine wichtige Rolle – nur wollte Fogerty dieses Mal komplette Kontrolle über den Entstehungsprozess haben. Sein schlichtes Schlagzeugspiel machte Hank Williams‘ Jambalaya (On The Bayou) sogar noch eindringlicher; dazu steuerte er neben der Gitarre auch die Steel-Gitarre, ein bisschen Banjo und Geige bei.

Reinhören: Jambalaya (On The Bayou) (1973)

6. Mike Oldfield

Einen Monat nach Fogertys Soloalbum erschien auch schon das Prog-Meisterwerk Tubular Bells von Mike Oldfield. Der Brite hatte jede Menge Instrumente selbst eingespielt: Akustikgitarre, Bass und E-Gitarre zählten genauso dazu wie Farfisa-, Hammond- und Lowrey-Orgel. Dazu kamen neben Glockenspiel, Mandoline, Klavier, allerhand Percussion und Pauken auch die titelgebenden Tubular Bells – zu Deutsch Röhrenglocken – zum Einsatz. Eingespielt im The Manor Studio in Oxford, hatte der erst 20-Jährige damit einen Prog-Meilenstein geschaffen, der bald darauf sogar noch bekannter werden sollte, als die Musik von Tubular Bells auch im Horror-Kinohit Der Exorzist zu hören war.

Reinhören: Mike Oldfield’s Single (Theme From Tubular Bells) (1973)

5. Prince

Im September 1977 begab sich Prince ins Studio 80 in Minneapolis, um dort sein Debütalbum For You aufzunehmen. In jenem Studio also wurde der Grundstein für die wenig später legendäre Zeile „Produced, arranged, composed, and performed by Prince“ gelegt – denn er machte tatsächlich alles im Alleingang. Wie die meisten One-Man Band-Maestros, hatte auch der damals 17-Jährige eine klare Vision von seinem Sound, und es lag auf der Hand, dass ihm da keiner reinreden konnte. Als Dick Clark ihn daraufhin fragte, wie viele Instrumente er denn nun für die Platte eingespielt habe, antwortete Prince nur „Tausende“. Tatsächlich waren es 27 Stück – beziehungsweise 29, wenn man sein Klatschen und das Fingerschnipsen auch mitzählt.

Reinhören: Soft And Wet (1978)

4. Steve Winwood

Der US-Rolling Stone hat Steve Winwood Platz 33 auf der Liste der „100 Größten Sänger aller Zeiten“ eingeräumt – dabei war der Mann aus Birmingham, der unter anderem bei der Spencer Davis Group, Traffic und Blind Faith mitmischte, nicht nur ein ausgezeichneter Sänger, sondern eben auch ein Multiinstrumentalist. Auch er setzte schließlich auf ein Soloalbum, um diese Seite(n) ausleben zu können: Arc Of A Diver erschien im Dezember 1980 bei Island Records. Er hatte dafür sogar das Studio auf seiner Farm in Gloucestershire komplett selbst gebaut.

Was die Instrumente anging, waren da akustische und elektrische Gitarren genauso dabei wie Mandoline, Bass, Schlagzeug, Percussion, Drum-Machines, Klavier, Synthesizer, Orgel, Hintergrundgesang und natürlich die Leadvocals. Dazu übernahm er auch die Rolle des Produzenten, des Toningenieurs und Mixers. Zur Belohnung gab’s Top-10-Platzierungen fürs Album und auch für die erste Single While You See A Chance.

Reinhören: While You See A Chance (1980)

3. Phil Collins

Das einstige Genesis-Mitglied Phil Collins gibt ganz offen zu, dass es ihm nicht gut ging, als er damals Both Sides in seinem Home Studio auf einem 12-Spur-Gerät aufnahm. Er hatte gerade die zweite Scheidung hinter sich, und nun brauchte er vor allem Ablenkung – weshalb er zwischenzeitlich sogar Dudelsack-Unterricht bei einem Schotten nahm. Das 1993 bei Virgin veröffentlichte Both Sides-Album basierte auf ein paar Demos, die Collins später in fertige Songs verwandelte – natürlich ohne fremde Hilfe. Neben sämtlichen Instrumenten kümmerte er sich auch selbst um die Produktion, was ihn locker zu einer der besten One-Man Bands der Welt macht. Außerdem schrieb er auch die Sleeve-Notes. „Both Sides ist mein Lieblingsalbum, was die Kreativität und das Songwriting angeht“, kommentierte er später. „Das war wirklich mal ein richtiges Soloalbum. Ich habe alles eingespielt, und die Songs sprudelten förmlich aus mir heraus… als Songwriter ist das letztlich genau die Situation, von der man immer träumt.“

Reinhören: Can’t Turn Back The Years (1993)

2. Sufjan Stevens

Schon als Schüler in Detroit lernte Sufjan Stevens nebenher Oboe und Englischhorn. Beide Instrumente waren daher auch auf seinem Konzeptalbum Michigan im Jahr 2003 zu hören. Dazu spielte und bediente der Oscar-nominierte Singer/Songwriter auch noch Klavier, Orgel, E-Piano, Banjo, E- und akustische Gitarren, Bass, Vibra- und Xylofon, Glockenspiel, Holzflöten und Pfeifen, Schlagzeug, Percussion, Shaker, Schellen, Tamburin, Becken und unterschiedliche Aufnahmegeräte.

Eine Wahnsinnsleistung, ohne Frage, aber noch nichts im Vergleich mit Rekordhalter Roy Castle: Der 1994 verstorbene TV-Moderator und Trompeter spielte dieselbe Melodie auf 43 Instrumenten – u.a. auf der kleinsten Geige der Welt – in gerade mal vier Minuten.

Reinhören: For The Windows In Paradise, For The Fatherless In Ypsilanti (2003)

1. Dave Edmunds

Nicht zuletzt sein grandioser Song I Hear You Knocking machte Dave Edmunds in den Siebzigern schlagartig bekannt; danach entstanden ein paar Alben, bei denen er niemanden reinreden ließ und alle Instrumente selbst einspielte. Im Jahr 2013 hieß es dann …Again, als er nach Jahren zu dieser Arbeitsweise zurückkehrte – nunmehr jedoch unterstützt von neuester Technik. „Ich habe schon Mitte der Sechziger damit begonnen, alleine Musik zu machen. Damals hatte ich so ein kleines, schlecht ausgestattetes Studio in einer Scheune (…), und …Again habe ich jetzt einfach im Gästezimmer produziert, auf meinem Laptop. Ich habe mir ein MacBook Air gekauft, da war so ein Programm namens GarageBand schon drauf installiert. Nachdem ich dann einen Song damit gemacht hatte, kaufte ich mir den großen Bruder des Programms, das waren noch mal so um die 130 Mäuse, ja und dann hatte ich 30 Sekunden später ein komplettes Studio vor mir – mit einer unendlichen Zahl von Spuren und Effekten.“

Reinhören: Standing At The Crossroads (2003)

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